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Keisubewohner nicht verstanden, und so gibt es noch
viele andere Dialekte in Lugagu, Fissona usw.
Von der Erforschung der Inseln Neu-Hannover,
Fischer und Gardner, Garrit Dennys und Sandwich
mußte ich vor der Hand fast ganz absehen, da der
Mangel an geeigneten Beförderungsmitteln meine
ganze Kraft für Neu-Mecklenburg verlangte. Der
Bezirk verfügte in der ersten Zeit nur über offene
Boote und seit 1½ Jahren über einen gedeckten
Kutter. Natürlich wird hierdurch die Bewegungs-
fähigkeit der Beamten außerordentlich beeinträchtigt,
ganz abgesehen von den Gefahren, denen man sich
bei wochenlangen Fahrten in diesen kleinen Fahr-
zeugen aussetzt. Im Interesse der Ausdehnung des
Emflusses der Verwaltung, der Sicherheit der euro-
pdischen Ansiedler und intensiven Bearbeitung der
Eingeborenen ist es unerläßlich, daß jeder Bezirk ein
kleines Fahrzeug mit Kraftbetrieb zur Verfügung hat,
welches die Möglichkeit bietet, in bestimmten Zwischen-
räumen dlejenigen Teile des Bezirks zu besuchen,
die zu Land zu erreichen unmöglich ist. Man wird
dem entgegenhalten, daß wir unsere Rundtouren mit
Firmenschiffen machen könnten. Vieles indessen spricht
dagegen. Zunächst besucht das betreffende Schiff nur
seine eigene Interessensphäre, dann dauert eine der-
artige Reise wochenlang, und schließlich würden
Schiffe, die dem friedlichen Handel bestimmt sind,
eventuell bei den Eingeborenen den Ruf eines Organs
der ausübenden Macht erhalten.
Der Eingeborene Neu-Mecklenburgs ist, wie alle
Papuas, sehr abergläubisch und führt jedes auch noch
so natürliche Ereignis auf übernatürliche Ursachen
zurück. Eine Hauptrolle spielen dabei die Vergif-
tungen, denen sämtliche Krankheits= und Todesfälle
zugeschrieben werden. Hundertfach hatte ich Gelegen-
heit, mich mit diesen Verglftungsfällen gerichtlich zu
beschäftigen, und bin zu der Überzeugung gekommen,
daß von einer tatsächlichen Vergiftung nicht die Rede
sein kann. Es handelt sich vielmehr stets um an sich
ganz wirkungslose Mittel des Medizinmannes. Wenn
ich trotzdem in vielen Fällen, die mir zur Anzeige
gebracht wurden, strafend einschritt, so hängt dies
mit dem Aberglauben der Eingeborenen zusammen,
da trotz der vollkommenen Harmlosigkeit der angeb-
lichen Vergiftung doch viel körperlicher Schaden durch
dieselbe hervorgerufen wurde. Man unterscheidet
verschiedene Arten von Vergiftungen, doch ist die
häufigste und nach Ansicht der Eingeborenen gefähr-
lichste das Wegnehmen eines Teils der Mahlzeit des
zu Vergistenden. Nach meinen Beobachtungen wird
hierbei verfahren, wie folgt: Der Eingeborene Trabit
will den Eingeborenen Mapulput vergisten. Zu
diesem Zweck nimmt er demselben heimlich einen
Tell seines Essens weg und bringt es zu einem in
dem Rufe übernatürlicher Kräfte stehenden Manne.
Dieser übernimmt nun den Fall gegen gute Bezah-
lung, die sich völlig nach der Bedeutung des Opfers
richtet und zwischen fünf und zwölf Tapsokas schwankt.
Das gestohlene Essen, Taros, Bams oder Sak-Sak
(Sago) wird zu Kügelchen gerollt, mit etwas Beiel
vermischt und in einen besonders dazu bereiteten
Bambusstab gesteckt. Wenn nun die Masse in dem
Bambus so trocken ist, daß sie auseinanderfällt,
muß der zu Vergiftende tot sein. Während dieses
Prozesses darf der Anstifter zum Morde keine Nah-
rung zu sich nehmen, sondern nur Betelnuß kauen,
was seinem Allgemeinbefinden auch nicht gerade zu'
träglich ist, vorausgesetzt, daß er dieser Verordnung
nachkommt. In der Zwischenzelt haben natürli
gute Freunde des Mapuipui diesen von dem gegen
ihn ins Werk gesetzten Streich in Kenntnis gesetzt.
Es genügt nun die geringste Indisposition, die bei
der unregelmößigen Ernährung der Eingeborenen sehr
häufig als Magenverstimmung auftritt, um an die
Wirksamkeit der Bergiftung glauben zu machen. In
den meisten Fällen legt sich der Eingeborene in seine
Hütte, nimmt keine Nahrung zu sich, da er erneute
Vergiftung fürchtet, und ist in kurzer Zeit so krank,
daß oft der Tod eintritt. Als das wirksamste Gegen-
gift hat sich in den Fällen, die mir zur Abhandlung
vorlagen, eine gute Portion Rizinusöl und dann
sachgemäße Ernährung erwiesen. Die Medizinmänner
wurden in der ersten Zeit ermahnt und später für
jeden Fall in so starke Geldbußen genommen, daß
das Geschäft nicht mehr lohnte.
Im allgemeinen werden größere Bündnisse zu
Kriegszwecken unter den Eingeborenen nicht geschlossen.
Die einzelnen Stämme sind von alters her mit-
einander verbunden, und wird durchweg als Symbol
der Zusammengehörigkeit dieselbe Vogelart ange-
nommen. Heiraten dürfen nur unter so Verbündeten
stattfinden, und ist es Sitte, daß das neue Ehepaar
seinen Wohnsitz an dem Platze der Frau nimmt. Die
Frau wird gekauft, und der Neu-Mecklenburger ist
ungalant genug, ihren Wert geringer zu normieren
als den Preis für ein gutes Schwein. Während ein
solches bis zu 20 Tapsoka bringt, beträgt der höchste
Wert einer Frau 10 bis 12 Tapsoka. Nur in ein-
zelnen Fällen, wenn dieselbe als Kind gekauft und
für ihren zukünftigen Eheherrn aufgefüttert wird,
stellt sich ihr Wert höher. Der Kaufpreis wird an
die Eltern, und wenn dieselben tot sind, an die
nächsten Verwandten gezahlt und zurückgegeben, wenn
die Frau sich aus irgendwelchen Gründen von ihrem
Mann trennt bezw. der Mann dieselbe wegen Un-
treue oder, um eine neue Ehe einzugehen, weg-
schickt. In der ersten Zeit ist es natürlich zweck
mäßig, sich der Rechtsauffassung der Eingeborenen
nach Möglichkeit anzuschließen und erst später mit
mäßiger Benutzung unserer Gesetze zu arbeiten.
Die Nord-Neu-Mecklenburgerin ist keine Ideal-
gattin und vollkommene Anhängerin der freien
Liebe, während vom Laanbezirk an eheliche Ver-
irrungen nicht nur mit dem Tode bestraft wurden,
sondern die eheliche Gemeinschaft als eine so enge
aufgefaßt wurde, daß fast stets die Witwe und das
jüngste Kind eines Verstorbenen von Bedeutung von
den nächsten Angehörigen erwürgt wurden. Auch