Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

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Keisubewohner nicht verstanden, und so gibt es noch 
viele andere Dialekte in Lugagu, Fissona usw. 
Von der Erforschung der Inseln Neu-Hannover, 
Fischer und Gardner, Garrit Dennys und Sandwich 
mußte ich vor der Hand fast ganz absehen, da der 
Mangel an geeigneten Beförderungsmitteln meine 
ganze Kraft für Neu-Mecklenburg verlangte. Der 
Bezirk verfügte in der ersten Zeit nur über offene 
Boote und seit 1½ Jahren über einen gedeckten 
Kutter. Natürlich wird hierdurch die Bewegungs- 
fähigkeit der Beamten außerordentlich beeinträchtigt, 
ganz abgesehen von den Gefahren, denen man sich 
bei wochenlangen Fahrten in diesen kleinen Fahr- 
zeugen aussetzt. Im Interesse der Ausdehnung des 
Emflusses der Verwaltung, der Sicherheit der euro- 
pdischen Ansiedler und intensiven Bearbeitung der 
Eingeborenen ist es unerläßlich, daß jeder Bezirk ein 
kleines Fahrzeug mit Kraftbetrieb zur Verfügung hat, 
welches die Möglichkeit bietet, in bestimmten Zwischen- 
räumen dlejenigen Teile des Bezirks zu besuchen, 
die zu Land zu erreichen unmöglich ist. Man wird 
dem entgegenhalten, daß wir unsere Rundtouren mit 
Firmenschiffen machen könnten. Vieles indessen spricht 
dagegen. Zunächst besucht das betreffende Schiff nur 
seine eigene Interessensphäre, dann dauert eine der- 
artige Reise wochenlang, und schließlich würden 
Schiffe, die dem friedlichen Handel bestimmt sind, 
eventuell bei den Eingeborenen den Ruf eines Organs 
der ausübenden Macht erhalten. 
Der Eingeborene Neu-Mecklenburgs ist, wie alle 
Papuas, sehr abergläubisch und führt jedes auch noch 
so natürliche Ereignis auf übernatürliche Ursachen 
zurück. Eine Hauptrolle spielen dabei die Vergif- 
tungen, denen sämtliche Krankheits= und Todesfälle 
zugeschrieben werden. Hundertfach hatte ich Gelegen- 
heit, mich mit diesen Verglftungsfällen gerichtlich zu 
beschäftigen, und bin zu der Überzeugung gekommen, 
daß von einer tatsächlichen Vergiftung nicht die Rede 
sein kann. Es handelt sich vielmehr stets um an sich 
ganz wirkungslose Mittel des Medizinmannes. Wenn 
ich trotzdem in vielen Fällen, die mir zur Anzeige 
gebracht wurden, strafend einschritt, so hängt dies 
mit dem Aberglauben der Eingeborenen zusammen, 
da trotz der vollkommenen Harmlosigkeit der angeb- 
lichen Vergiftung doch viel körperlicher Schaden durch 
dieselbe hervorgerufen wurde. Man unterscheidet 
verschiedene Arten von Vergiftungen, doch ist die 
häufigste und nach Ansicht der Eingeborenen gefähr- 
lichste das Wegnehmen eines Teils der Mahlzeit des 
zu Vergistenden. Nach meinen Beobachtungen wird 
hierbei verfahren, wie folgt: Der Eingeborene Trabit 
will den Eingeborenen Mapulput vergisten. Zu 
diesem Zweck nimmt er demselben heimlich einen 
Tell seines Essens weg und bringt es zu einem in 
dem Rufe übernatürlicher Kräfte stehenden Manne. 
Dieser übernimmt nun den Fall gegen gute Bezah- 
lung, die sich völlig nach der Bedeutung des Opfers 
richtet und zwischen fünf und zwölf Tapsokas schwankt. 
Das gestohlene Essen, Taros, Bams oder Sak-Sak 
  
(Sago) wird zu Kügelchen gerollt, mit etwas Beiel 
vermischt und in einen besonders dazu bereiteten 
Bambusstab gesteckt. Wenn nun die Masse in dem 
Bambus so trocken ist, daß sie auseinanderfällt, 
muß der zu Vergiftende tot sein. Während dieses 
Prozesses darf der Anstifter zum Morde keine Nah- 
rung zu sich nehmen, sondern nur Betelnuß kauen, 
was seinem Allgemeinbefinden auch nicht gerade zu' 
träglich ist, vorausgesetzt, daß er dieser Verordnung 
nachkommt. In der Zwischenzelt haben natürli 
gute Freunde des Mapuipui diesen von dem gegen 
ihn ins Werk gesetzten Streich in Kenntnis gesetzt. 
Es genügt nun die geringste Indisposition, die bei 
der unregelmößigen Ernährung der Eingeborenen sehr 
häufig als Magenverstimmung auftritt, um an die 
Wirksamkeit der Bergiftung glauben zu machen. In 
den meisten Fällen legt sich der Eingeborene in seine 
Hütte, nimmt keine Nahrung zu sich, da er erneute 
Vergiftung fürchtet, und ist in kurzer Zeit so krank, 
daß oft der Tod eintritt. Als das wirksamste Gegen- 
gift hat sich in den Fällen, die mir zur Abhandlung 
vorlagen, eine gute Portion Rizinusöl und dann 
sachgemäße Ernährung erwiesen. Die Medizinmänner 
wurden in der ersten Zeit ermahnt und später für 
jeden Fall in so starke Geldbußen genommen, daß 
das Geschäft nicht mehr lohnte. 
Im allgemeinen werden größere Bündnisse zu 
Kriegszwecken unter den Eingeborenen nicht geschlossen. 
Die einzelnen Stämme sind von alters her mit- 
einander verbunden, und wird durchweg als Symbol 
der Zusammengehörigkeit dieselbe Vogelart ange- 
nommen. Heiraten dürfen nur unter so Verbündeten 
stattfinden, und ist es Sitte, daß das neue Ehepaar 
seinen Wohnsitz an dem Platze der Frau nimmt. Die 
Frau wird gekauft, und der Neu-Mecklenburger ist 
ungalant genug, ihren Wert geringer zu normieren 
als den Preis für ein gutes Schwein. Während ein 
solches bis zu 20 Tapsoka bringt, beträgt der höchste 
Wert einer Frau 10 bis 12 Tapsoka. Nur in ein- 
zelnen Fällen, wenn dieselbe als Kind gekauft und 
für ihren zukünftigen Eheherrn aufgefüttert wird, 
stellt sich ihr Wert höher. Der Kaufpreis wird an 
die Eltern, und wenn dieselben tot sind, an die 
nächsten Verwandten gezahlt und zurückgegeben, wenn 
die Frau sich aus irgendwelchen Gründen von ihrem 
Mann trennt bezw. der Mann dieselbe wegen Un- 
treue oder, um eine neue Ehe einzugehen, weg- 
schickt. In der ersten Zeit ist es natürlich zweck 
mäßig, sich der Rechtsauffassung der Eingeborenen 
nach Möglichkeit anzuschließen und erst später mit 
mäßiger Benutzung unserer Gesetze zu arbeiten. 
Die Nord-Neu-Mecklenburgerin ist keine Ideal- 
gattin und vollkommene Anhängerin der freien 
Liebe, während vom Laanbezirk an eheliche Ver- 
irrungen nicht nur mit dem Tode bestraft wurden, 
sondern die eheliche Gemeinschaft als eine so enge 
aufgefaßt wurde, daß fast stets die Witwe und das 
jüngste Kind eines Verstorbenen von Bedeutung von 
den nächsten Angehörigen erwürgt wurden. Auch
	        
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