Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

umd nicht wüßte, was das plötzlich alles zu bedeuten 
hätte. Beim Missionar zurückgeblieben waren nur 
der bei der Mission als Schulmeister tätige älteste 
Sohn des Kapitäns Witboi, Klein Hendrik, und 
einige Männer. " 
Aus allem hatte ich nunmehr aber die Uber- 
zeugung gewonnen, daß irgend etwas Ernstes im 
Gange set und ich berechtigt wäre, den zweiten Befehl 
des Herrn v. Burgsdorff auszuführen und vorläufig 
die nötigsten Maßnahmen zu treffen. Ich ließ darauf- 
hin die Ansiedler, welche sich am Platze befanden, 
zur Station bitten, teilte ihnen den wahren Sach- 
verhalt mit, richtete in Verbindung mit den weißen 
Männern des Plahzes Wachen und ständige Patrouillen 
ein und sundte sofort Freiwillige nach verschiedenen 
Richtungen des Bezirks, um die Farmer zu warnen 
und ließ sie auf bestimmte Plätze bis auf welteres 
zusammenziehen. Die vom Platz etwas entsernt 
wohnende Frau v. Burgsdorff sowie den Lehrer Just 
mit seinen Schulkindern ließ ich zum Ubernachten 
zur Station kommen, während die anderen Bewohner 
des Platzes in ihren Häusern verblieben. Ungefähr 
um 11 Uhr nachts lam der Missionar Spellmeyer zur 
Station und erbat für sich und seinen Schulmeister 
Pferde, um den Eingeborenen nachzureiten und die- 
selben zurückzuholen; ich stellte ihm die Pferde, und 
er ritt sofort ab. 
Als ich um 12 Uhr nachts die Wachen rebidierte, 
hörte ich auf dem Wege von Rietmond her einen 
Wagen kommen und ging demselben entgegen; es 
war Herr Brandt aus Marienthal mit seiner Familie 
und zwel Söhne des Ansiedlers Hußfeld; auf meine 
Frage, was es auf Marienthal und Umgegend neues 
gäbe, sagte mir Brandt, es wäre dort alles in 
Ordnung. Nachdem ich ihm die ernste Lage mit- 
geleilt hatte, sagte er mir, daß dies unmöglich wäre, 
da er erst am vorigen Abend von selnem Haufe 
fortgefahren sei und dort ouch nicht die leisesten 
Anzeichen von etwas Derartigem vorgelegen hätten, 
sein Schwager Oskar Mähler habe ihm kurz vor 
der Abfahrt von der Station aus noch seine Post 
gesandt und ihm geschrieben, daß es in Rietmond 
nichts Neues gäbe, auch daß der Unteroffizier Held 
am anderen Tage nach Rietmond reite, um den aus 
dem Damaraland desertierten Witbols die Gewehre 
abzunehmen; dem Herrn v. Burgsdorff, welchen er 
auf dem Wege getroffen, hätte er auf seine Frage, 
was es Neues gäbe, dosselbe geantwortet. Auf meine 
Aufforderung hin, bei der Station auszuspannen, da 
die Schulkinder alle in der Station wären — Brandt 
wollte seine Kinder in die Schule bringen — ant- 
wortete er mir, das täte er nicht, denn das, was 
ich ihm soeben gesogt hätte, wären doch nur leere 
Gerüchte und er zöge vor, unten am Platze aus- 
zuspannen; was er auch tat. 
Gegen Morgen des 4. Oktobers war der Mis- 
sionar Spellmeyer mit einem großen Teil von ein- 
geborenen Frauen und Kindern zurückgekehrt, und 
trafen am Vormittag noch wieder welche ein, so daß 
  
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es beinahe den Anschein hatte, als wäre das Volk 
nur aus einer unbekannten Furcht geflohen. Am 
Vommittag hellographierten verschledene Farmer von 
Hanaus aus, daß sie dort versammelt wären und 
was nun des weiteren zu geschehen hätte, worauf 
ich die Antwort herausgab: „Frauen und Kinder 
nach Gibeon hereinkommen, Männer bis auf welteres 
La bei der Station blelben, bis ich Verstärkung 
ende.“ 
Am Nachmittag spät traf der Farmer A. de Wet 
mit seinen Frauen von Sechskamelbaum aus auf 
Gibeon ein und sagte mir, daß er die Lage draußen 
nicht mehr für sicher hielte und deshalb seine Familie 
in Sicherheit brächte. Gleichzeitig teilte er mir mit, 
daß er auf dem Wege nach Gibeon einen Trupp 
Pferde gesehen, welche in der Richtung Fischrivier 
aufwärts nach Swartdorn getrieben seien und jeden- 
falls vom Truppenposten Hatsium stammten. Eine 
sofort nach Swartdorn entsandte Patrouille kehrte 
unverrichteter Sache zurück. 
Als ich nach Dunkelwerden in meiner Wohnung 
mit Abendessen beschäftigt war, wurde ich heraus- 
gerufen und traf dort den Missionar Spellmeyer, 
welcher mir Meldung brachte, daß die Witbois im 
Aufstande und die Absicht hätten, am nächsten Morgen 
den Platz anzugreifen; erfahren hätte er es von dem 
ältesten Sohne des Kapitäns, welchen Gewissensbisse 
zu diesem Verrate getrieben hätien. Nachdem ich 
mit dem Missionar noch verschiedenes besprochen, 
ließ ich sämtliche weiße Männer, Frauen und Kinder 
zur Station kommen und darin unterbringen. Dann 
tellte ich meine Besatzung, welche nunmehr aus zwei 
Unteroffizieren, zwei Mann und 27 Zivilisten be- 
stand, ein und ließ die Station mittels Proviant- 
säcken, Wellblech und Balken in Verteldigungszustand 
setzen. Von den Gefangenen wurden alle verfügbaren 
Gefäße in die Station geschafft und mit Wasser ge- 
füllt sowie Brennholz besorgt. Gegen Morgen des 
5. Oktober waren die notwendigsten Arbelten beendigt 
und erwarteten wir den Angriff. Kurz vor Sonnen- 
aufgang ließen sich einige feindliche Patrouillen sehen, 
ein Angriff erfolgte jedoch nicht. Nach Tagwerden 
sandte ich stärkere Freiwilligenpatrouillen nach allen 
Richtungen aus, um die außerhalb befindlichen An- 
siedler zu verstärken und nach Gibeon zu bringen. 
Mit den zurückbleibenden Mannschaften wurde an 
den Befestigungen weiter gearbeitet und alle nötigen 
Bestände aus den Kaulgeschäften in die Station 
geschafft. Am Mittag kehrte eine Patrouille von 
Hatsium zurück und brachte die Meldung, daß der dort 
statlonierte Reiter Gröber ermordet aufgefunden sei. 
Am 4. abends hatte ich den Ansiedler Technau mit 
einer Meldung über das Geschehene bereits mit der Bitle 
um Verstärkung nach Keetmanshoop abgesandt. Am 
Morgen des 5. Oktober sandte ich heliogrophische Mel- 
dungen an das Gouvernement und nach Keetmanshoop. 
Am Nachmittag trafen die ersten geretteten Ansiedler 
mit ihren Frauen und Kindern auf Gibeon ein, die 
meisten davon hatten nur mit Unterstützung der aus-
	        
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