Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

fähig, anspruchslos, gesund und ähnelt durchaus 
unserm Damaraschlag. Zur Zeit repräsentiert es aber 
als reine Rasse kaum noch 25 v. H. des Gesamt- 
bestandes Argentiniens. Die Aufbesserung derselben 
geschieht durch Kreuzung mit Shorthorn, Hereford, 
Aberdeen-Angus; auch mit holsteiner, holländer, 
flämischen und schweizer Rassen werden Versuche 
gemacht. 
Am meisten Verbreitung hat die Shorthorn= 
kreuzung gefunden, die hervorragend günstige Re- 
sultate für den Fleischertrag liefert. Sie gedeiht 
vorzüglich, wo es gute, weiche Weide gibt und ein 
temperiertes Klima herrscht. Die Provinzen Buenos 
Aires Pampa, Entre Rios, Cordoba, der südliche 
Teil von Santa Fé, Teile von San Luis und 
Mendoza sind die geeigneten Gebiete Argentiniens 
zur Shorthornzucht. Aber für die nördlichen, 
heißeren Strecken und die weiten Flächen südlich 
des Rio Negro mit kälterem Klima und hartem 
Grasbestande ist diese Rasse zu empfindlich, hier hat 
man die besten Erfolge mit Hereford= und Aberdeen- 
Angus erzielt. Diese liefern ein sehr widerstands- 
fähiges Produkt, das auch bei schlechter Weide in 
gutem Futterzustand bleibt und sich für steiniges 
und bergiges Terrain eignet. Während Hereford 
im Fleischertrag hinter dem Shorthorn und Aber- 
deen-Angus nicht zurücksteht, hat es ihnen gegenüber 
aber den Nachteil des geringeren Milchertrags seiner 
Kühe. Es eignet sich also zur Milchwirtschaft nicht. 
Das argentinische Vieh lebt in den Pampas, 
den endlosen, offenen Flächen Argentiniens, die 
steinlos und ohne natürlichen Holzbestand sind. Es 
ist der Typus des Nliederungs= und Tieflandviehes 
mit allen seinen Vorzügen und Fehlern; es steht 
demnach in direktem Gegensatz zu unserem südwest- 
afrikanischen Rind. Es hat fast immer grüne Weide, 
doch scheint das Naturgras der Pampas nicht den 
Nährwert unserer Gebirgsgräser zu besitzen, denn 
das nur auf diese Weide angewiesene Vieh fanden 
wir in keinem besonderen Futterzustande. Der 
Anbau der Luzerne (Alfalfa) nimmt daher immer 
größere Ausdehnung an und ist dieses Futtermittel 
der eigentliche Hauptfaktor, dem Argentinien den 
ungeahnten Ausschwung seiner Viehzucht verdankt. 
Das Vieh wird auf den Estanzlas stets im 
Freien in mit Draht eingekraalten Weidegebieten 
gehalten. (Nur wertvolle Bullen und dasjenige 
Jungvieh, welches zu Zuchtzwecken herangezogen 
wird, genießt eine ganz besondere Pflege; es ist in 
Stallungen untergebracht, wird mit Kreftfutter, ge- 
kochtem Mais, Melasse, Fleischmehl, Luzerne usw. 
aufgezogen, täglich gereinigt, gewaschen und spste- 
matisch an das Freie gewöhnt.) Es wird stets 
nach Alter und Geschlecht getrennt gehalten. 
ist ein Hauptmoment zur Erhaltung eines großen 
gesunden Viehbestandes auf bestimmt begrenzten 
Gebieten, und ist diese Art der Viehhaltung auch 
für unsere Verhältnisse sehr beachtenswert. Jede 
Estancta ist je nach ihrer Größe in eine große 
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Anzahl mit Draht abgezäunter Verschläge getellt, 
von denen ein gewisser Teil zur Weide, ein anderer 
zur Agrikultur bestimmt ist. Dos Vieh wechselt 
gewöhnlich nach einer gewissen Zeit seinen Stand- 
platz, indem es nach Abweidung des einen Ver- 
schlages in einen anderen getrieben wird. Diese 
Verschläge haben Ausdehnungen von 200 bis 
1000 ha und sind größtenteils so angelegt, daß 
vier derselben an einem Wasserplatz zusammenstoßen, 
um so die Tränke des Viehes zu erleichtern. Die 
bei uns sprichwörtlich gewordene Wildheit des 
argentinischen Viehes beruht auf einem Irrtum. 
Das Vieh ist nicht wilder als das unfrige. Es 
wird scheu — auch in Argentinien — sobald es 
den Menschen zu Fuß auf sich zukommen sieht, es 
flieht dann entweder oder es greift den Menschen 
an. Es ist eben von Jugend auf gewöhnt, vom 
Menschen zu Pferde oder im Wagen angetrieben, 
gehütet oder gefangen zu werden. Daß es sich aber 
auch leicht zähmen läßt, zeigen die gezähmten Milch- 
kühe und Zugochsen, und solche sind dann ebenso 
fügsam, wie unser gezähmtes Vieh. 
Der Gesundheitszustand der argentinischen Vieh- 
rassen ist im allgemeinen ein guter. Die Maul- 
und Klauenseuche, wegen der die europäüschen 
Staaten und Südafrika die Einfuhr lebenden Viehes 
verboten hatten und teilweise noch haben, ist seit 
1902 nicht mehr aufgetreten. Auch Seuchen, wie 
Lungenseuche, Milzbrand, Tuberkulose sind, seitdem 
ein für die ganze Republik geltendes Seuchengesetz 
in Kraft getreten ist, das sehr streng gehandhabt 
wird, sehr selten geworden. Gegen Milzbrand wird 
sowohl nach Pasteurscher wie Sobernheimscher Me- 
thode geimpft, von welchen die letztere die einfachere 
ist; denn beim Pasteurschen Impfverfahren muß das 
Tier zweimal innerhalb 14 Tagen gefangen werden, 
während beim Sobernheimschen Impfung und 
Immunisierung in einem Prozeß bewerkstelligt wird. 
Das Texasfieber, welches auch in Argentinien große 
Verheerungen angerichtet hat, ist dorthin aus nörd- 
lichen Ländern eingeschleppt worden und hat Ver- 
breltung bis in die Höhe von Buenos Aires ge- 
funden. Man bekämpft die Plage nur, indem man 
die Tiere badet und die Zecken abnimmt und tötet. 
Zum Bad wird meist Coopers dip mit einer Seifen- 
lauge gebraucht, auch andere Bäder, wie sie das 
Agricultural Journal von Südafrika veröffentlicht, 
finden Anwendung. . 
Zum Impfen, Dippen, Brennen usw. der un- 
gezähmten großen Viehherden sind fast auf allen 
Estancias einfache aber praktische Anlagen geschaffen, 
die ausführlich zu beschreiben ich mir bis na 
meiver Rückkehr nach Südwestafrika vorbehalten 
werde. 
Unser Vorschlag, Rinder aus Texasfieber= 
gegenden zu importieren, findet seine Begründung 
darin, daß die in Argentinien gemachten Erfahrungen 
die größere Widerstandsfähigkelt dieser Rinder nach- 
gewiesen haben. Die aus texasfieberfreien Gegenden
	        
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