Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

die neuen Freunde das Stück gerösteten Herzens in 
ihr Blut und stecken es sich gegenseitig in den Mund. 
Dieses Bruderschaftsmahl führt den Namen sogà. 
Nun sagt der eine Mann mit dem Schwerte zu dem 
ihm zugewiesenen Freund: „Wenn du deinem Freund 
widersprichst, so soll der soga dich töten!“ und alle 
Umstehenden antworten: „Ehee“ „so sei es!“ — 
„Wenn du hörst, daß andere böse Worte gegen den 
Freund aussagen und du es ihm nicht sagst, so soll 
der sogà dich töten!“ — „Ebee!“ — Auf diese 
Weise werden noch eine geraume Zeit die Pflichten 
der Blutsfreundschaft hervorgehoben, und dann wird 
der andere Freund auf dieselbe Weise unter die 
Macht des soga gebracht. Nach vollendeter Feier 
wird Essen ausgetragen, worauf ein Pombe-Gelage 
folgt, das bis tief in die Nacht hinein dauert. 
Über die neue Telephonlinie Duala—Edea 
(Kamerun) schreibt Missionar Wittwer in Lobethal 
im „Eoangelischen Heidenboten“: 
Die äußeren Verhältnisse auf hiesiger Station 
sind so ziemlich die glelchen geblieben. Nur ist 
hinten in unserem Hofe ein bescheldenes, aber dem 
Zwecke völlig entsprechendes Kakootrockenhaus erstellt 
worden, während vor unserem Hause neben dem 
Flaggenmaste am Ufer des Flusses sich eine hohe 
eiserne Stange erhebt, von welcher aus Telephon- 
drähte über den Fluß hinüber nach Edea und rück- 
wärts nach Duala führen. In unserem Hause 
wurde ein Apparat angebracht, so daß wir mit 
Duala und Edea telephonisch verbunden sind. Da 
Lobethal fast in der Mitte zwischen Duala und 
Edea liegt, konnte hier für die Telephonlinie durch 
Anbringung eines Apparates die nicht zu entbehrende 
Kontrollstation geschaffen werden. Wir haben die 
Verpflichtung, morgens und mittags je eine Stunde 
den Apparat offen zu lassen, um allfällige Anfragen 
und Berichte entgegenzunehmen. Aber auch zu 
anderen Zelten kommen öfters Leute, Weiße und 
Schwarze, um zu telephonieren. Natürlich ist diese 
Neuerung für die eingeborene Bevölkerung äußerst 
verlockend und interessant. Mancher sucht sich eine 
Mark zu verschaffen, die Bezahlung für ein Drei- 
Minuten-Gespräch, um etwa mit elnem Bruder oder 
Freund, der in Edea oder Duala, oder gar in 
Viktoria oder Jabassi ist, ein oft ganz unwichtiges 
Gespräch zu führen. Oft ist es drollig, mitanzu- 
sehen, wie so ein halbnackter großer Mensch vor 
dem Apparat steht, den Schallbecher krampfhaft ans 
Ohr drückt und am ganzen Leibe zittert vor Auf- 
regung und aus voller Kehle ins Telephon schreit, 
so daß natürlich am anderen Ende des Drahtes 
nichts verstanden wird! Oft muß man lange be- 
lehren und mahnen, bis der Betreffende selne Stimme 
richtig mäßigen kann. Unwillkürlich denken solche 
Naturkinder, daß man schon ordentlich schreien müsse, 
um zmehoere Tagereisen weit entfernt verstanden zu 
werden. 
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Aus Otjimbingwe in Deutsch-Südwestafrika. 
berichtet Missionar Olpp, daß seit Anfang April die 
Arbeit wieder in ihrem ganzen Umfang ausgenommen 
worden sei. Der frühere Herero-Unterkapitän Viktor 
wurde ihm von dem Oberkommando als Schulmeister 
überwiesen. Die vielen Bastardkinder unterrichtet 
Olpp selbst, Viktor sammelt täglich 2 bis 2½⅛ Stunden 
die Bergdamara= und Herero-Kinder zum Unterricht. 
Für die erwachsenen Taufbewerber wird abends 
Taufunterricht und Leseschule gehalten. Es sind 
allein 80 Bergdamara-Tausschüler vorhanden. Aller- 
dings entstehe eine fast ganz neue Bergdamara- 
Gemeinde; denn von der alten seien nur noch Reste 
vorhanden. Viktor hält auch regelmäßlg Andachten 
für die Herero, deren allerdings nur eine kleine Zahl 
am Ort anwesend sei. 
Über den Talfun auf Ponape berichtet ein 
Pater der dortigen Kapuziner-Mission im September- 
heft von „Kreuz und Schwert“ folgende Einzelheiten: 
Den Gründonnerstag 1905 werden wir aber 
unser Lebtag nicht mehr vergessen. Am Morgen 
hatten wir in der Klrche noch feierlichen Gottes- 
dienst. Es war schon stürmisches Regenwetter, aber 
nicht gerade außergewöhnlich stürmisch. Beim Mittag- 
essen ging es noch ganz munter zu — ungemütlich 
war es zwar schon etwas, da der Sturm fürchterlich 
heulte und das durch alle Spalten und Fugen des 
Hauses hereingepeitschte Regenwasser durch das ganze 
Refektorium lief; aber an eine solche Kalamität, wie 
sie nachher eintrat, dachte noch niemand. Plötzlich 
hieß es: das Kirchendach ist fortgerissen. Wir 
wohnten etwa 5 Minuten von der Kirche entfernt. 
Nun galt es, das Allerheiligste in Sicherheit zu 
bringen. Die Kirche war, als wir ankamen, schon 
bedenklich ins Wanken geraten. Ich trug das Aller- 
helligste in das neben der Kirche stehende alte Wohn- 
haus, das noch etwas mehr Sicherheit zu bieten 
schien. Mit Bruder Othmar kehrte ich wieder zu- 
rück, um nach unserer Wohnung zu sehen — es 
war keine Kleinigkeit, gegen die fürchterliche Macht 
des Sturmes anzukommen. Auf halbem Wege rief 
uns Bruder Coloman, der unter den Asten eines 
umgeworfenen Baumes Schutz gesucht hatte, zu: „Es 
ist schon alles in die Luft geslogen“. Als wir bei 
unserer Wohnung anlangten, war außer den vom 
Sturm zurückgelassenen Trümmern nur noch der 
Fußboden da, der aber bald nachher, ohne daß die 
in unmittelbarer Nähe weilenden Mitbrüder es nur 
gewahrten, vom Sturm fortgerissen wurde. 
Mit Pater Fidelis wollte ich nun nochmals nach 
der Kirche sehen. Der Sturm nahm immer mehr 
an Heftigkeit zu und machte das Gehen beinahe 
lebensgefährlich; keinen Augenblick war man davor 
sicher, vom Winde in die Höhe gehoben und mit 
fortgerissen zu werden; jeden Augenblick sausten 
Stücke der weggerissenen Häuser und Dächer — 
letztere aus Wellblech — an einem vorüber. Auch
	        
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