Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

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Die Sultanin Khyawingi von Mpororo. 
Schon durch Stanley, Emin Pascha und Stahl- 
mann war die-Existenz einer gehelmnisvollen Sultanin 
oder Zauberln Namens Nyawingi in Mpororo be- 
kannt, ohne daß es diesen Relsenden oder später den 
in Bukoba garnisonierenden Europäern gelungen war, 
sie selbst zu Gesicht zu bekommen. In einzelnen 
Fällen war Durchreisenden eine falsche welbliche 
Person als Nyawingi gezelgt worden. Erst im 
vorigen Jahre gelang es dem Stationschef von 
Bukoba, Oberleutnant v. Stuemer, die Sultanin 
selber zu sehen. Über diesen Besuch in dem Dorfe 
Tungamu in Mpororo berichtet er folgendes: 
Der Grund meines Besuches war, abgesehen von 
dem Interesse, das ich an dem geheimnisvollen Wesen 
hatte, vor allem der, daß sie einer von mir abge- 
schickten Patrouille Wegezoll auferlegt hatte, und daß 
der ungeschickte Führer der Patrouille ihren Forde- 
rungen entsprochen hatte. Sie auf das Ungehörlge 
ihres Betragens hinzuweisen, war meine Aufgabe. 
Bel dem Nahen der Exvpeditlon ertönte aus 
dem kleinen Dorf Trommelklang; ich ritt an den 
Eingang des Dorfes heran und aus dem hinteren 
Abschnitt ous den Häusern hervor erschienen dret 
kleine Jungen, die Trommeln umgehängt hatten und 
sie fortgesetzt schlugen. Ihnen folgte ein altes Weib 
mit sonderbarem Aufputz um den Hals und auf dem 
Kopf Perlenketten von roten, weißen und blauen 
Perlen, wie sie die Araber ins Land brachten, be- 
kleidet mit einem in Fett getränkten Fell; in der 
linken Hand trug sie drei kleine Speere und in der 
rechten einen etwa 30 cm langen, perlenumwundenen 
Zauberstab. Die Jungen trommeln, die Alte bewegt 
sich im Tanzschritt, sich hin= und herdrehend, dabei 
schrecklich singend und die Augen verdrehend, gleich 
wie im Rausch auf mich zu. Auf mein Geheiß hört 
man mit dem Trommeln auf, und als ich durch 
den Dolmetscher nach Nyawingl fragen losse, erhalte 
ich zur Antwort, die große Sultanm Nyawingi sei 
da und auch willens, mich zu empfangen. Ich sage 
darauf, ich würde jetzt ins Lager gehen und ihr 
dann sagen lossen, wann ich zu ihr käme. Die Alte, 
die sich als Dienerin der Nyawingi selbst bezeichnet, 
folgt der Karawane singend und ihre Speere und 
den Zauberstab schwingend auf die Höhe über dem 
orf, wo ich mein Lager aufschlagen will. Mit 
wunderbaren Gesten bespricht sie den Platz; als ich 
e wegjagen will und mich erkundige, was der 
Hokuspokus bedeuten soll, läßt sie mir unter 
Grinsen sagen, sie weihe den Platz, damit die Expe- 
ditlon und vor allem der Bwana Mkuba, d. h. großer 
Herr, Glück und Gesundheit behalte. Schließlich 
schenke ich ihr einen klelnen Spiegel für ihre Freund- 
lichkeit, und damit entfernt sie sich umgehend, tanzend 
und taumelnd, und noch aus dem Dorf heraus hört 
man ihr klagendes Singen. Bald darauf schccke ich 
binunter, um sagen zu lassen, daß ich nun käme. 
Ich gehe mit melnem schwarzen Feldwebel und dem 
Dolmetscher zum Dorf und werde sofort von auf- 
  
passenden Leuten bemerkt und sehe, wie es im ganzen 
Dorfe wimmelt. Bel meinem Nahen ertönt auch 
sofort wieder das Trommeln, und die tanzende Alte 
erscheint. " 
Das Dorf ist in verschiedene Höfe eingeteilt, die 
durch Zäune voneinander getrennt sind und nur ganz 
enge Türen haben. Nachdem ich den ersten Hof 
durchschritten hatte und durch die Tür des zweiten 
Zaunes mich durchgezwängt, stehe ich vor einer Hütte, 
die besser gebaut scheint als die andern und mir 
als die der Sultanin bezeichnet wird. Sie ist eine 
Grashütte in der üblichen Bienenkorbform mit sehr 
kleinem Eingang, der aber sauber aus Schilfrohr 
geflochten und mit Kuhdung verschmiert ist. Das 
Innere der Hütte zeigt, nachdem ich mich an das 
Dunkel gewöhnt hatte, den gewohnten Bau. Schilf- 
gestell verräuchert, die Wand ringsherum in etwa 
1½ m vom Boden aus ebenfalls mit Kuhdung ver- 
strichen, am oberen Rande einfache Verzlerungen mit 
den Fingern geformt. Der Fußboden ist mit Gras 
bestreut, im der Mitte sieht man die Feuerstelle, doch 
ohne Glut. Rechts vom Eingang in Mannshhe, 
so daß man nicht hinübersehen kann, eine geflochtene 
und mit Kuhdung beschmierte Scheidewand, in deren 
Mitte eine Türöffnung, die jedoch mit einer Snoh- 
matte, welche schwarze einfache Flguren zeigt, ver- 
hängt ist. An der Wand über dieser Hürde wie 
über der Mattenöffnung hüngen allerlei Kürbisflaschen, 
Kräuterbündel, Wildhörner, alles Zaubermittel der 
gefürchteten Nyawingi. Hinter der geheimnisvollen 
Wand soll sie sein. 
Nach meinem Eintritt, nachdem ich mir meinen 
kleinen Feldstuhl hatte kommen lassen, auf den ich 
mich vor der Wand niederließ, fragt die Nyawing 
ihren Katikiro, d. h. Minister, ob ich da sei und wer 
ich sei. Mein Dolmetscher übersetzte mir das sofort. 
Ste spricht in hohem kreischenden Tone, der all- 
mählich leiser wird und schließlich in Fistelton über- 
geht. Ich sege ihr nun sofort, woher und weswegen 
ich käme und erkläre ihr, daß ich nicht gewohnt sei, 
mit Unsichtbaren zu verhandeln. Sie solle hervor- 
kommen, damit wir unsere Angelegenheiten Auge in 
Auge besprechen können. Sie sagt darauf, ich solle 
alles hinausschicken, erst dann würde sie sich zeigen. 
Als ich ihr dann erkläre, daß ich das wohl tun 
würde, aber da sie mich nicht verstehen könnte, müßte 
wenigstens der Dolmetscher bleiben; da erklärt sie, 
wenn eln farbiger Mann sie sehe, müsse er sterben. 
Ich antworte ihr dann, so wollten wir unsere An- 
gelegenheiten jetzt besprechen und dann werde ich die 
Leute hinausschicken, damit sie erscheinen könne. Auf 
mein Befragen gibt sie nun an, Nyawingl sei sie 
und ein Geist, die Tochter des Sonnengottes Kasoba, 
ihr Wohnsitz sei in den Wolken, aber sie käme zur 
Erde und könne Überall hingehen, wohin sie wolle; 
im Augenblick sei sie hier, aber im selben Augenblick 
werde sie in Bukoba sein; menschliche Eltern habe 
sie nicht, sie stürbe auch nicht, auf der Erde müsse 
sie allerdings auch Nahrung zu sich nehmen, dann 
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