Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

geschnitten. Meist haben die Stecklinge von dieser 
Stärke schon einige eigene Wurzeln, so daß die durch 
das Verpflanzen entstehende Wachstumspause nur 
kurz ist. Damit die glühende Sonne die schlecht 
oder gar nicht bewurzelten Stecklinge nicht so rasch 
verzehrt, werden die Blätter in die piassavaähnlichen 
Fasern, die am Grunde der Blätter dem alten 
Stamme anliegen, von unten bis oben eingewickelt, 
die Stecklinge dann in den tief umgearbeiteten Lehm- 
boden gepflanzt und nach dem Pflanzen sofort sehr 
stark bewässert, welche Arbelt bis zum Treiben der 
Stecklinge zweimal in der Woche vorgenommen wird. 
Daß die Pflanzen sich zu bewurzeln begonnen haben 
und Blätter zu treiben anfangen, sieht man an den 
faustgroßen sich hebenden Lehmklumpen, die oben auf 
die zusammengebundenen Blätter aufgeklebt werden. 
Ist das geschehen, so wird nach einigen Wochen die 
Bastumhüllung abgenommen, und die Pflanze bedarf 
fortan keiner weiteren Pflege, als daß sie wöchentlich 
einmal bewässert wird und die alten abgestorbenen 
Blätter abgeschnitten werden. 
Die Pflanzweite der Stecklinge beträgt in den 
alten Dattelpflanzungen der Araber etwa 5 m. Sie 
variiert indessen oft beträchtlich, da die Araber nicht 
nach der Schnur pflanzen. Oft stehen die Palmen 
noch viel enger; so habe ich viele Palmen in 
Biskra und Sidi Okba gesehen, bei denen man den 
Wurzelausschlag zu starken tragenden Pflanzen hatte 
auswachsen lassen. Gruppen von vier aus einer 
Wurzel entsprungenen Palmen, die alle gleich reichlich 
tragen, sind etwas sehr Gewöhnliches. Herr Leroy, 
der Direktor der Biskra= und Oued Rir-Gesellschaft, 
dessen wertvolle Bekanntschaft ich machte, war indessen 
der Ansicht, daß man nicht dichter als 62 6 m 
pflanzen solle. Die Besonnung der Fruchttrauben 
soll, besonders in den höheren Lagen, möglichst in- 
tensiv sein, damit die Datteln schneller reisen, dazu 
trügt auch sehr das Abschnelden toter, sonneauffan- 
gender Blätter bei. Soviel ist sicher, die durch- 
schnittliche Jahreswärme ist in dem Algerien südlich 
vom Atlos bedeutend größer, als in dem größten 
Teile unserer höher gelegenen südwestafrikanischen 
Kolonie, trotzdem wir dem Aquator um 10 Grad 
näher liegen, um so nötiger die größere Pflanzweite 
bel uns. Direktor Leroy sagte mir, daß es in Tug- 
gurt, Ourlana Mrayer, viel südlicher gelegenen Oasen, 
noch bedeutend wärmer sel als in Biskra; und doch 
habe ich vom 4. bis 11. August eine viel größere 
Hitze ausgestanden, als ich sie irgendwo in Südwest- 
afrika erlebt habe, mit Ausnahme des Swakoptals. 
Diese enorme Hitze ist unerläßlich für die beste 
aller algerischen Datteln, die Deglet-nur, die einzige 
Dattelsorte, welche der größte Dattelhändler in Biskra, 
Herr Colombo, aufkauft für den Export. Die zei- 
tigsten Dattelsorten Algeriens, Reschté und Amaraya, 
kommen für die Kultur in Südwestafrika hauptsächlich 
in Betracht, während die spätrelfenden Sorten 
(Deglet-nur, Mrars und Tendela) sich nur für die 
allerwärmsten Punkte elgnen. In Algerien gibt es 
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außer den obengenannten Sorten, welche „Weiche 
Datteln“ heißen, noch elne Anzahl sogenannter 
„Trockendatteln“, die indessen nur dem Konsum im 
Lande selbst dienen, in reifem Zustande trocken, 
mehlig und wenig süß sind und außerdem sehr spät 
reifen. Ubrigens sollen Weichdattelsorten in unge- 
nügend warmem Klima Trockendatteln liefern. Außer 
diesen im ganzen Lande bekannten Dattelsorten, die 
durch Stecklinge vermehrt werden, gibt es noch eine 
Unmenge aus Samen entstandener Varietäten und 
Kreuzungen, die inelnander übergeben und die zu 
benennen unmöglich ist. Jede Oase besitzt außer den 
allgemein verbreiteten und bekannten Sorten noch 
eine Anzahl dieser Varietäten und Bastarde. Mit 
Absicht wird die Dattelpalme nie aus Samen ge- 
züchtet, indessen läßt man von selbst ausgegangene 
Sämlinge stets stehen, da die Früchte dieser Wild- 
linge, wenn auch wegen der Ungleichmäßligkeit ihrer 
Qualität zum Export ungeeignet, doch für den Kon- 
sum im Lande selbst genügen. 
Herr Leroy riet mir, in Anbetracht der für 
Stecklinge schwierigen Transportverhältnisse, dem 
Schutzgebiet die Anzucht aus Samen zu empfehlen. 
Ich fand bei ihm eine Bestellung des Gouvernements 
von Südwestafrika, die ich schon auf dem Kaiserlichen 
Generalkonsulat in Algier gesehen hatte und über 
die ich mit ihm eingehend sprach. Er sagte mir, daß 
die Beförderung von Stecklingen jetzt unmöglich sei, 
da die Bestellung gerade in der Zeit ihrer Vegetation 
eingelaufen war; sie könnten erst in der Winterruhe 
am Ende des Jahres befördert werden. Das Sicherste 
würde unter allen Umständen sein, die Stecklinge erst 
in Algerien eln Jahr lang in etwa 1 Kubikfuß großen 
Kistchen zu kultivieren und sie mit elnem guten soliden 
Ballen zu transportieren. Diese Art des Transports 
würde allerdings sehr kostspiellig werden, aber man 
würde nicht 1 v. H. Verlust haben. Prof. Swingle 
hat vor einigen Jahren eine Anzahl Dattelpalmen 
auf diese Weise von Biskra nach Arizona mit gutem 
Erfolg transportiert; bei einer späteren Gelegenheit 
aber, die eben von den Mutterpflanzen abgelösten 
Stecklinge in die braune, die alten Palmenstämme 
umgebende Faser einwickeln lassen und so in Kisten 
verpackt, mit fast ebenso gutem Erfolg nach Arizona 
gebracht, wobel er nur 8 v. H. Verlust gehabt hat. 
Die Reise nach Deutsch -Südwestafrika ist nicht viel 
länger, indessen wegen des mehrmaligen Umladens 
(Algler oder Philippeville, Marseille, Hamburg) 
umständlicher. Übrigens ist die schon früher vom 
Gouvernement in Windhuk gemachte Stecklings- 
bestellung aus Algerien in leidlich gutem Zustande 
in Ukuib im Swakoptal angekommen. Ich bat 
Herrn Leroy, die bestellten Dattelkerne (100 kg), 
sobald sie erhältlich sein würden, sofort abzusenden, 
damit sie beim Beginn des Sommers, wenigstens 
aber bis Ende Dezember in Südwestafrika ankämen 
und noch im selben Sommer eine größere Aussaat 
in Töpfe bzw. Konservenbüchsen gemacht werden könne. 
Der Umstand, daß die Dattelreife in Deutsch-
	        
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