Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

Die Witterungsverhältnisse waren, wie in dieser 
Jahreszeit auch nicht anders zu erwarten, sehr un- 
beständig. Man sagte mir, daß im allgemeinen die 
Regenzeit, in der ich gerade marschierte, bis in den 
Mat hinein andauere. Jedenfalls traf ich alle Flüsse, 
Bäche, Sümpfe und Rinnsale in ihrer größten Aus- 
dehnung an. Das Gras war zu beiden Seiten der 
Wege mindestens mannshoch, meist höher, und die Pfade 
daher nicht oder nur stellenweise erkenntlich. Für den 
Marsch war dies jedenfalls nicht günstig. Ich habe 
täglich Regen gehabt, manchmal sehr schwere Gewitter, 
die mich stundenlang begleiteten. Die letzten 7 Tage 
meiner Reise waren eigentlich nichts als ein bestän- 
diger Marsch in strömendem Regen, begleitet von 
böigen und kalten Winden. Nichts ist so sehr ge- 
eignet, eine Safari zu erschweren und den Weiter- 
marsch zu gefährden, als anhaltender Regen und 
Kälte. Die Träger werden auf den aufgeweichten 
und schlüpfrigen Wegen, auf denen ihnen Wasser- 
bäche entgegenstürzen oder beim Abstieg sie über- 
holen, schnell übermäßig angestrengt und müde und 
verlieren die Sicherheit im Gehen. Dann aber konn 
der Neger überhaupt nichts weniger vertragen, als 
Regen und kalte Winde. Nässe an den Füßen bei 
stunden-, ja tagelangen Märschen in sumpfigem Ge- 
lände beeinflussen ihn wenig, aber Regen macht 
ihn in kürzester Zeit nicht allein unfähig zum Tragen 
und Marschieren, sondern gefährdet direkt sein Leben. 
Bei seiner angeborenen Energielofigkeit und Trägheit 
wird er im Regen sehr bald völlig stumpfsinnig und 
apathisch und ist weder mit Güte noch mit Gewalt zu 
irgend einer Willensäußerung zu bewegen. So blieben 
denn auch meine Leute massenwelse am Wege liegen. 
Weiter mußte ich, da ich erstens nicht genügende Nah- 
rung an einem Orte für mehr als einen Tag erhalten 
hätte, zweitens die Leute nicht einmal angehalten 
werden konnten, sich Hütten zu bauen, so daß sie 
einfach an Ort und Stelle gestorben wären. Ich 
habe mehrmals unterwegs mit großer Mühe mäch- 
tige Feuer anzünden lassen, die Leute an die Feuer 
herantragen lassen, um sie zu erwärmen und wieder 
rauf die Beine zu bringen. Auf diese Weise, und 
indem ich die Mittagsstunden, in denen meiner Er- 
fahrung nach der Regen etwas nachzulassen pflegte, zum 
Marschieren benutzte, ist es mir gelungen, sämtliche 
Leute bis nach Usumbura zu bringen. Diese Regen- 
tage sind die schlimmsten der ganzen Reise gewesen. 
Über die Terrainformen und die Wegeverhält- 
nisse der von mir durchreisten Landschaften gibt einer- 
seits die beigefügte Routenaufnahme genauen Auf- 
chluß, anderseits werde ich dieselben ausführlich in 
dem Berichte über die Viktortn—Tanganjika-Straße 
behandeln. Hier sei nur soviel gesagt, daß es un- 
aufhörlich bergauf, bergab ging, daß aber die Träger, 
an sich gewöhnt, in dem bergigen Gelände zu leben, 
diese Schwierigkeiten sehr bald und gut überwanden. 
Bequem war die Strecke Bukoba— Ussuwi;ich hatte 
nur der breiten und gut gepflegten Barra-Barra zu 
folgen. Die Strecke von Ussuwi bis an den zweiten 
UÜbergang über den Ruwuwu am 15. April bei der 
  
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Missionsstation Mugera bot außer den Flußüber- 
gängen und dem Papyrussumpf am 10. April keine 
zu großen Schwierigkelten; dagegen ist die Strecke 
von Mugera bis Usumbura entschieden die unange- 
nehmste und beschwerlichste. Dies erkläre ich daraus, 
daß der Weg von Mugera ab nicht mehr den Tälern 
folgt, sondern dieselben unaufhörlich durchschneidet. 
Man geht aus einem Tal über hohe Berge in das 
nächste Tal, steigt dort tief in die Schluchten hinab, 
um gleich darauf wieder auf der anderen Seite in 
die Höhe zu klimmen, und so fort. 
Am 16. April passierte ich die Missionsstation der 
weißen Väter Mugera. Die Wege waren hier in der 
Umgebung der Station so schlecht wie nirgends sonst auf 
meiner ganzen Expedition. Ich lagerte drei Stunden 
von der Mission entfernt, und hier war es eigentlich das 
letzte Mal, daß ich für die Karawane hinreichende 
Nahrung erhielt. Von da ab bis zum 22. April, dem 
Ankunftstage in Usumbura, war die Lebensmittel- 
zufuhr nicht mehr für die Ernährung der Karawane 
genügend, trotzdem mir Hauptmann v. Grawert in 
fürsorglicher Weise nach Mugera 15 Rinder ent- 
gegengesandt hatte. Nun kamen mir die von Bukoba 
mitgeführten 80 Relslasten und die unterwegs ein- 
gesammelten Bohnen und Erbsen gut zu statten. 
Wäre zu den mißlichen und sich täglich verschlech- 
ternden Wetterverhältnissen auch noch der Hunger 
getreten — und das stand sehr zu befürchten, da 
Urundi erst ganz kürzlich von Hungersnot heimgesucht 
worden war — so hätte ich wahrscheinlich noch in den 
letzten Tagen vor dem Reiseziele viele Verluste an 
Menschenleben zu beklagen gehabt. 
Ob ich nicht eine noch günstigere Route hätte 
einschlagen können, als die von mir gewählte, muß 
ich dahingestellt sein lassen. Fast will es mir so 
scheinen, denn nach Angaben des Herrn Hauptmann 
v. Grawert ist es möglich, die beiden Übergänge 
über die Kagera zu vermeiden und dafür nur einen 
Ülbergang etwas südlicher über den Luwironsa (nicht 
Luwirosa) zu bewerkstelligen. 
ch komme zu dem Schlusse, daß dem direkten 
Verkehr von Karawanen, zwischen dem Viktoria- 
Njansa= und dem Tanganjika-See zu keiner Jahres- 
zeit besondere Schwierigkeiten entgegenstehen. Viel- 
mehr ist dieser Weg wegen seiner Kürze wie auch 
wegen der geringeren Kosten dem liber Tabora vor- 
zuziehen. Durch die projektierte Viktoria—Tanga- 
njlka-Straße wird ja auch die Absicht kundgetan, 
den Verkehr auf diesen Weg zu leiten und es kann 
nur vortellhaft sein, die Aufmerksamkelt der inter- 
essierten Kreise schon jetzt auf denselben zu lenken. 
  
  
Aene Keekarten. 
Folgende deutsche Admiralitätskarte ist neu heraus- 
gegeben: 
Nr. 192. Afrika. Ostküste, Muansi-Bucht bis 
Cap Delgado. . 
Und folgende mit großen Berichtigungen versehen: 
Nr. 110. Hafen von Daressalam. 
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