Die Witterungsverhältnisse waren, wie in dieser
Jahreszeit auch nicht anders zu erwarten, sehr un-
beständig. Man sagte mir, daß im allgemeinen die
Regenzeit, in der ich gerade marschierte, bis in den
Mat hinein andauere. Jedenfalls traf ich alle Flüsse,
Bäche, Sümpfe und Rinnsale in ihrer größten Aus-
dehnung an. Das Gras war zu beiden Seiten der
Wege mindestens mannshoch, meist höher, und die Pfade
daher nicht oder nur stellenweise erkenntlich. Für den
Marsch war dies jedenfalls nicht günstig. Ich habe
täglich Regen gehabt, manchmal sehr schwere Gewitter,
die mich stundenlang begleiteten. Die letzten 7 Tage
meiner Reise waren eigentlich nichts als ein bestän-
diger Marsch in strömendem Regen, begleitet von
böigen und kalten Winden. Nichts ist so sehr ge-
eignet, eine Safari zu erschweren und den Weiter-
marsch zu gefährden, als anhaltender Regen und
Kälte. Die Träger werden auf den aufgeweichten
und schlüpfrigen Wegen, auf denen ihnen Wasser-
bäche entgegenstürzen oder beim Abstieg sie über-
holen, schnell übermäßig angestrengt und müde und
verlieren die Sicherheit im Gehen. Dann aber konn
der Neger überhaupt nichts weniger vertragen, als
Regen und kalte Winde. Nässe an den Füßen bei
stunden-, ja tagelangen Märschen in sumpfigem Ge-
lände beeinflussen ihn wenig, aber Regen macht
ihn in kürzester Zeit nicht allein unfähig zum Tragen
und Marschieren, sondern gefährdet direkt sein Leben.
Bei seiner angeborenen Energielofigkeit und Trägheit
wird er im Regen sehr bald völlig stumpfsinnig und
apathisch und ist weder mit Güte noch mit Gewalt zu
irgend einer Willensäußerung zu bewegen. So blieben
denn auch meine Leute massenwelse am Wege liegen.
Weiter mußte ich, da ich erstens nicht genügende Nah-
rung an einem Orte für mehr als einen Tag erhalten
hätte, zweitens die Leute nicht einmal angehalten
werden konnten, sich Hütten zu bauen, so daß sie
einfach an Ort und Stelle gestorben wären. Ich
habe mehrmals unterwegs mit großer Mühe mäch-
tige Feuer anzünden lassen, die Leute an die Feuer
herantragen lassen, um sie zu erwärmen und wieder
rauf die Beine zu bringen. Auf diese Weise, und
indem ich die Mittagsstunden, in denen meiner Er-
fahrung nach der Regen etwas nachzulassen pflegte, zum
Marschieren benutzte, ist es mir gelungen, sämtliche
Leute bis nach Usumbura zu bringen. Diese Regen-
tage sind die schlimmsten der ganzen Reise gewesen.
Über die Terrainformen und die Wegeverhält-
nisse der von mir durchreisten Landschaften gibt einer-
seits die beigefügte Routenaufnahme genauen Auf-
chluß, anderseits werde ich dieselben ausführlich in
dem Berichte über die Viktortn—Tanganjika-Straße
behandeln. Hier sei nur soviel gesagt, daß es un-
aufhörlich bergauf, bergab ging, daß aber die Träger,
an sich gewöhnt, in dem bergigen Gelände zu leben,
diese Schwierigkeiten sehr bald und gut überwanden.
Bequem war die Strecke Bukoba— Ussuwi;ich hatte
nur der breiten und gut gepflegten Barra-Barra zu
folgen. Die Strecke von Ussuwi bis an den zweiten
UÜbergang über den Ruwuwu am 15. April bei der
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Missionsstation Mugera bot außer den Flußüber-
gängen und dem Papyrussumpf am 10. April keine
zu großen Schwierigkelten; dagegen ist die Strecke
von Mugera bis Usumbura entschieden die unange-
nehmste und beschwerlichste. Dies erkläre ich daraus,
daß der Weg von Mugera ab nicht mehr den Tälern
folgt, sondern dieselben unaufhörlich durchschneidet.
Man geht aus einem Tal über hohe Berge in das
nächste Tal, steigt dort tief in die Schluchten hinab,
um gleich darauf wieder auf der anderen Seite in
die Höhe zu klimmen, und so fort.
Am 16. April passierte ich die Missionsstation der
weißen Väter Mugera. Die Wege waren hier in der
Umgebung der Station so schlecht wie nirgends sonst auf
meiner ganzen Expedition. Ich lagerte drei Stunden
von der Mission entfernt, und hier war es eigentlich das
letzte Mal, daß ich für die Karawane hinreichende
Nahrung erhielt. Von da ab bis zum 22. April, dem
Ankunftstage in Usumbura, war die Lebensmittel-
zufuhr nicht mehr für die Ernährung der Karawane
genügend, trotzdem mir Hauptmann v. Grawert in
fürsorglicher Weise nach Mugera 15 Rinder ent-
gegengesandt hatte. Nun kamen mir die von Bukoba
mitgeführten 80 Relslasten und die unterwegs ein-
gesammelten Bohnen und Erbsen gut zu statten.
Wäre zu den mißlichen und sich täglich verschlech-
ternden Wetterverhältnissen auch noch der Hunger
getreten — und das stand sehr zu befürchten, da
Urundi erst ganz kürzlich von Hungersnot heimgesucht
worden war — so hätte ich wahrscheinlich noch in den
letzten Tagen vor dem Reiseziele viele Verluste an
Menschenleben zu beklagen gehabt.
Ob ich nicht eine noch günstigere Route hätte
einschlagen können, als die von mir gewählte, muß
ich dahingestellt sein lassen. Fast will es mir so
scheinen, denn nach Angaben des Herrn Hauptmann
v. Grawert ist es möglich, die beiden Übergänge
über die Kagera zu vermeiden und dafür nur einen
Ülbergang etwas südlicher über den Luwironsa (nicht
Luwirosa) zu bewerkstelligen.
ch komme zu dem Schlusse, daß dem direkten
Verkehr von Karawanen, zwischen dem Viktoria-
Njansa= und dem Tanganjika-See zu keiner Jahres-
zeit besondere Schwierigkeiten entgegenstehen. Viel-
mehr ist dieser Weg wegen seiner Kürze wie auch
wegen der geringeren Kosten dem liber Tabora vor-
zuziehen. Durch die projektierte Viktoria—Tanga-
njlka-Straße wird ja auch die Absicht kundgetan,
den Verkehr auf diesen Weg zu leiten und es kann
nur vortellhaft sein, die Aufmerksamkelt der inter-
essierten Kreise schon jetzt auf denselben zu lenken.
Aene Keekarten.
Folgende deutsche Admiralitätskarte ist neu heraus-
gegeben:
Nr. 192. Afrika. Ostküste, Muansi-Bucht bis
Cap Delgado. .
Und folgende mit großen Berichtigungen versehen:
Nr. 110. Hafen von Daressalam.
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