her zu gehen und lassen sich durch kelne breite Straße
von diesem Brauche abbringen.
In Deutschland hat sich mancherorts die schöne
Sitte erhalten, Kruzifixe und Helligenbilder an den
Wegen aufzustellen. Auch bei den Schwarzen besteht
ein ähnlicher Brauch. Sie wählen zu diesem Zwecke
niedrige Bäume aus, in deren Gezweig sie lleine
Muscheln (die hier als Münze dienen) sowie
Kleldungsstücke aufhängen. Der Boden unter dem
Geisterbaum ist mit feinem Grase gepolstert.
Der Pater, welcher einige Tage zuvor eine kleine
Forschungsreise nach Ihangiro unternommen hatte,
hatte mir eine geeignete Stelle zur Gründung einer
Statlon bezeichnet, nahe bei einem großen Baum in
der Nähe des Dorses Rubian, etwa 2½ Stunden
landeinwärts. Zur Wahl dieser Stelle hatten ihn
folgende Umstände veranlaßt: Dichte Bevölkerung,
fruchtbarer Boden, reichliches, gutes Trinkwasser in
der Nähe, ein Fluß, an dessen Ufer höchst wahr-
scheinlich brauchbarer Lehm für Backsteine und Ziegel
zu finden war, und nicht zuletzt eine gesunde, schöne
Lage.
An der uns angewiesenen Stelle angekommen,
schlagen wir im Grase unsere Zelte auf. Kein
lebendes Wesen läßt sich blicken. Wir gehen zum
Dorfe — alles ausgeflogen; höchstens hier und da
eine alte Negerin, die an dem Ausfluge eben nicht
teilnehmen konnte. Um 6 Uhr geht die Sonne
unter, und jetzt kommt Leben in die Grasfläche. Es
ist, als hätte die Hölle alle Moskito-Regimenter des
Erdballes aufgeboten, um uns aus dem Land hinaus-
zustechen. Zum Glück sind wir auf diesen Besuch
gefaßt und können unter dem sicheren Moskitonetz
hohnlächelnd dieser Armee von Plagegeistern zuhören,
wie sie mit unheimlicher Kriegsmusik eine Attacke
nach der anderen gegen uns ausführt. Tagsliber
lassen sich diese Tierchen kaum blicken. Aber in den
stillen Tropennächten, wenn die müden Glieder nach
erquickendem Schlaf sich sehnen, vollführen die Stech-
mückenschwärme ihr widerliches Konzert und über-
fallen den Armen, der sich ruhelos auf seinem Lager
wälzt. " «-
Der folgende Tag brachte uns gerade so wenig
Besuch als der erste. So ging es weiter, bis
Leutnant Godovins von der Militärstation Bukoba
eintraf. Dieser Herr ließ den Sultan Nyambamba
zu sich kommen. Nyambamba hätte sich nur unsert-
wegen, die wir weder Gewehre noch Soldaten zur
Versügung hatten, nicht gerührt, jetzt aber war er
schon am Tage darauf mit großem Gefolge zur Stelle.
Es wurde vereinbart, wir sollten ein Grundstück er-
halten, die Leute aus den umliegenden Dörfern
würden dann gegen Bezahlung bel uns arbeiten,
und der Katiliro (erste Beamte) des Sultans sollte
noch einige Tage dablelben, um die Arbeiten in
Gang zu bringen. Nun wurde der Vertrag zu
Papier gebracht und das Grundstück abgesteckt,
worauf die Herren den Heimweg antraten. Der
Katiktro entledigte sich seines Auftrages aufs beste.
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Mit einem Schlage änderte sich jetzt die Sachlage.
In den Dörfern, die eben noch verlassen und wie
ausgestorben schienen, herrschte frisches Leben, und
vom frühen Morgen an waren die Schwarzen auf
den Beinen, um uns ihre Dienste anzubieten.
Wir drei Missionäre leben jeder in selner eigenen
Hütte, die aus zwei Näumen besteht; eine weitere
Strohhütte dient als Kapelle, eine andere als Speise-
saal, als Magazin usw., an Häusern ist also kein
Mangel! Die ganze Station ist von elner lebenden,
dicht verflochtenen Dornhecke umfriedigt. Eine
unserer ersten Aufgaben war es, nützliche Baumarten
anzupflanzen. So wurden einige tausend Eukalyptus
(australischer Fieberbaum) und noch mehr Nsambla-
bäume gesetzt. Das nahgelegene Marienberg hat
uns einige hundert Kaffeesträucher und achtzig Obst-
bäume (Zlitronen= und Orangenbäume) zur Ver-
fügung gestellt, so daß in ein paar Jahren, so Gott
will, für reiche Erträge an Kassee und Obst ge-
sorgt ist.
So war für den materiellen Bestand der Missions-
station gesorgt. Unterdes haben wir auch eline Schule
eröffnet. Damit hatte es wieder selnen Haken, denn
als die Schule stand, waren keine Schüler zu finden.
Die Kinder wären wohl gekommen, aber die Eltern
hielten sie zurück, aus lauter Furcht vor dem Könige.
Nur, um bei uns zu arbeiten, durften sie kommen.
Das Ideal der Negerburschen, die sich bel uns Arbeit
suchen, besteht in einer — Hose. Einige haben sich
diesen Luxusartikel schon mit Sandtragen, Wasser-
holen usw. verdient. Haben sie ein Stück Kattun
ausbezahlt erhalten, so geht's gleich zu einem schwarzen
„Schneider“, der es zu den gewünschten „Unaus-
sprechlichen“ zusammennäht. Es ist köstlich anzusehen,
wie sie dann, stolz wie ein Pfau, in dem genannten
Kleidungsstück daherstolzieren. Ein deutsches Bauern-
mädchen, das am Ostertage zum ersten Male mit
dem krausen, weißen Häubchen zur Kirche gehen darf,
kann nicht glücklicher sein. Natürlich wird das sauer
erworbene Gewand mit gebührender Sorgfalt be-
wahrt. Sie tragen ihre Hose nur, wenn sie auf
Reisen gehen oder Besuche machen, nie bei der Arbeit.
Ausnahmsweise sah ich kürzlich einen, der zur Arbeit
in seiner neuen Hose erschienen war. Zur Ehre der
Wahrheit aber sei bemerkt, daß unser Schwarzer bei
seiner Ankunft sofort das kostbare Prachtgewand
auszog und es vorsichtlg in ein Stück Baumrinde
wickelte. Sein Arbeitsanzug war ein Gurt aus
Bast, und erst als Feierabend gemacht wurde, zog
er seine Hose aus dem Versteck hervor und stolzlerte
wieder darin einher.
Um diese großen Kinder zu unterhalten, führt
ihnen der Missionär eine Spieldose, Bilder usw.
vor. Elnmal zeigte ich ihnen meine eigene Photo-
graphie. Es war ein Brustbild. Die Schwarzen
fragten erstaunt, warum keine Beine daoran wären.
Daß das Bild dunkel war, wo der Weiße doch eine
helle (hier heißt es „rote"“) Hautfarbe hat, legen sie
so aus, als habe er eben seine Farbe verändert.