Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

· — 166 
„Criminal Code of the Protectorate“. Dieser Code 
dürfte als das neueste koloniale Strafgesetzbuch, in 
welchem die in anderen englischen Kolonien in Afrika 
gemachten Erfahrungen verwertet find (sowohl der 
High Commissioner wie der Oberrichter des Pro- 
tektorats waren früher lange Jahre in anderen afri- 
kanischen Kolonien tätig), besonderes Interesse bieten. 
Zur Ergänzung dieses Criminal Code dient eine 
Strafbestimmungen betr. Sklavenhandel usw. ent- 
haltende „Slavery Proclamation, 1904“ und die 
*: „Native Courts Proclamation, 1900“, welche über 
die Anwendung des Gewohnheitsrechts der Ein- 
geborenen, soweit sie der Criminal Code noch zuläßt, 
Bestimmungen trifft. Der Rechtszustand ist nach 
diesen Verordnungen in Nord-Nigeria folgender: 
Die Gerichte des Protektorats, mit Ausnahme 
der Eingeborenengerichte, d. h. der aus Eingeborenen 
neu für Eingeborene gebildeten Gerichte, können 
Strafen gegen Europäer wie Eingeborene nur auf 
Grund der Bestimmungen des Criminal Code oder 
der sonstigen im Protektorat gültigen Gesetze (Pro- 
klamationen des High Commissioner, Königlicher 
Verordnungen, Parlamentsakte) verhängen. 
Die Eingeborenengerichte hahen Gerichtsbarkeit 
über die Eingeborenen außer in Fällen, in denen 
die Krone Partei ist, über die im Gouvernements= 
dienst stehenden Eingeborenen jedoch nur dann, wenn 
der Resident zustimmt. Die Eingeborenengerichte 
haben, soweit nicht eine Proklamation des Protektorats 
anders bestimmt, das in dem Jurisdiktionsbezirk 
vorherrschende Eingeborenenrecht und Gewohnheit 
anzuwenden mit der Maßgabe jedoch, daß keine 
Strafe verhängt werden darf, welche mit Verstümme- 
lung, Folter öder schwerer Köperverletzung oder Ge- 
sundheltsbeschädigung verbunden ist oder der natür- 
lichen Gerechtigkeit und Humanität widerstreitet. 
In der Goldküsten-Kolonie ist im Jahre 
1892 ein Criminal Code erlassen worden. Dieser 
Code weist mit dem Strafgesetzbuch von Nord- 
Nigeria in vielen Punkten Abnlichkelt auf und dürfte 
bei der Abfassung des letzteren wohl mit als Vor- 
bild gedient haben. Eine Besonderheit des Gold= 
küsten-Codes ist, daß er nach jeder Gesetzesbestimmung 
konkrete Beispiele für die Anwendung des Gesetzes 
gibt. über die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit 
durch die Eingeborenenhäuptlinge trifft die „Native 
Jurisdiction Ordinance, 1883“ Bestimmung. Da- 
nach sollen die von den Häuptlingen erlassenen Vor- 
schriften gültig sein, soweit sie der natürlichen Ge- 
rechtigkeit, Billigkeit oder dem guten Gewissen nicht 
wiberstreiten und mit kolontalen Verordnungen nicht 
im Widerspruch stehen. Die Eingeborenenhäuptlinge 
und andere Eingeborenenstrafen verhängen, soweit 
solche nicht der natürlichen Gerechtigkeit oder den 
Prinzipien des englischen Rechts widerstreiten. Die 
Strasen sollen nicht übermäßig hoch sein und immer 
im Verhältnis zu der Natur und den Umständen 
  
der strafbaren Handlung stehen. Die zulässige Höhe 
der Geld= und Freiheitsstrafe soll von Zeit zu Zeit 
durch Verfügung (Rules) des Gouverneurs festgesetzt 
werden. Größere Vergehen sollen die Eingeborenen- 
häuptlinge nicht aburteilen, sondern dem europälschen 
Beamten (Commissioner) überweisen. Bestimmungen 
über die Eingeborenen enthält ferner die „Native 
Customs Ordinance, 1892“, welche Eingeborenenfeste, 
Fetischverehrung, Versammlungen von Eingeborenen 
u. dgl. betrifft und Zuwiderhandlungen gegen ihre 
Vorschriften mit Strafe bedroht. 
Ostafrika. 
In den ostafrikanischen Protektoraten gelten die 
indischen Strafgesetze, insbesondere der „Penal Code“, 
für Weiße wie für Eingeborene, soweit nicht für 
letztere im einzelnen besondere Vorschriften erlassen 
sind. Es folge ein Überblick über den Zustand des 
Eingeborenenstrafrechts in Britisch-Ostafrika: 
Für die Eingeborenen gelten nach der „The 
Application to Natives of Indian Acts Ordinance, 
1903“ die Vorschriften der indischen Gesetze, welche 
bereits im Protektorat angewandt wurden (darunter 
der „Penal Code“, Akt 44 von 1860, mit späteren 
Abndeungsgesete sowie einiger welterer in dieser 
Verordnung ausgeführter indischer Gesetze strafrecht- 
lichen Inhalts (Prevention of Cruelty to animals 
act 1890, Explosive act 1861), die ersteren jedoch 
nur insoweit, als sie sich auf folgende Materien be- 
zlehen: Schutz von Leben und Eigentum, Aufrecht- 
erhaltung von Ordnung, Einsammeln und Zahlen 
von öffentlichen Abgaben und Gebühren, Post, Tele- 
graphen, Eisenbahnen. Die Gerichtshöfe für die 
Eingeborenen — z. T. europätscher Besetzung bzw. 
mit eingeborenen Beisitzern mit beratender Stimme, 
z. T. nur aus Eingeborenen gebildet — sollen soweit 
als tunlich (as far as practicable) burch die indischen 
Penal und Criminal Proeedure Code geleitet werden, 
aber in der mohammedanischen Küstenzone und Mo- 
hammedanern gegenüber sollen sie auch durch die 
allgemelnen Grundsätze des mohammedanischen Rechts 
(the general principles of the Law of Islam) ge- 
leltet werden und auf dieselben Rücksicht nehmen, 
desgleichen innerhalb des Protektorats durch Ein- 
geborenenrecht und Gewohnheit, soweit dieselben nicht 
mit der natürlichen Moral und Humanität im Wider- 
spruch stehen (not opposed to natural morality and. 
humanity)). Die reinen Eingeborenengerichte sollen 
mit den erwähnten Maßgaben nur nach Eingeborenen- 
recht urteilen. 
Was die Ausübung der Strafgerichtsbarkeit durch 
die eingeborenen Stammeshäupter anbetrifft, so sollen 
die europäischen Beamten eine vernünftige Aufsicht 
darüber ausüben, aber sich nur dann einmischen, 
wenn die Strafen wesentlich inhuman oder ungerecht 
sind, wie z. B. wenn Eingeborene durch Zauberkraft 
oder Folter überführt werden, oder wenn barbarische 
Strafen, wie Verstümmelung, grausame körperliche 
Bestrafung, Versetzung des Verurteilten oder seiner
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.