Die Gipfel der Berge, die siber die große Masse
der Bergketten sich erheben, überraschen wenig durch
bezaubernd schöne oder gar gewaltige Formen. Es-
zeigen sich weder Hörner noch Türme, noch Nadel-
sormen. Kuppen und Kegel herrschen vor.
Der Leser würde sich täuschen, wenn er glaubte,
eine tropische Gebirgslandschaft gleiche in allem den
Bergmassen der gemäßigten Zone. Abgesehen von
der beträchtlichen Verschiedenheit der Höhen — die
höchsten Spitzen Bainings gehen wohl kaum über
1500 m — ist der geologische Aufbau sowie die
äußere Erscheinung wesentlich verschieden.
Die Vorberge bestehen im allgemeinen aus einer
Humusschicht, der Mergel, Lehm und Kalkstein
folgen. Die Dicke der Humusschicht ist sehr ver-
schieden. Die stellen, bebauten Abhänge sind nur
mit einer dünnen Krume bedeckt; oft erscheint sofort
der Lehmboden. Das öftere Bebauen lockert den
Boden und die wuchtigen Niederschläge schwemmen
ihn zu Tal. Die Mergelschicht zeigt nicht selten
eine Tiefe von einem Meter. Bei Erdabhebungen
in der Nähe von St. Paul stieß man auf Stellen,
wo in einer Tiefe von 3 m noch kein Stein zum
Vorschein kam, doch kommt so tiefgründiger Boden
nicht oft vor. ,
Kalksteine findet man nicht nur auf den Vor-
bergen, sondern auch auf den höchsten Ketten, und
zwar nicht nur unmittelbar an der Küste, sondern
auch vereinzelt im Inneren der Insel, wie z. B. auf
den Höhenzügen im Westen vom Weberhafen. Die
zahlreichen weißen und rötlichen Flecken, die der
Reisende auf der Fahrt von der Insel Watom gegen
Urar zu aus dem Dunkelgrün der Berge hervor-
schimmern sieht, sind keine Wasserfälle, wie oft be-
hauptet wurde, sondern nackte Kalkfelsen, von denen
infolge von Erdbeben oder durch Witterungseinflüsse
Trümmer abgelöst wurden. Spuren von unver-
witterten Bimssteinen findet man nur äAußerst selten
in der Humusschicht, und dann auch nur kornweise.
Andere Höhenzüge, sowohl Vorberge als Gebirgs-
züge in welter Entfernung von der Küste, bestehen
aus Tuff, Granit und Basalt. Nicht bloß im Erd-
reich ist diese Steinart versteckt, sondern sie liegt
auch frei und offen zutage. In Gavit und auf den
Bergen Hru und Peichim z. B. stößt man auf zahl-
reiche Felsblöcke, die zerstreut auf den Abhängen
und Plateaus bis hinauf zu den höchsten Erhebungen
vorkommen. Sie zeigen selten abgerundete Formen,
meistens find sie länger als breit und platt wie ein
Tis
Die furchtbare Ode des nackten Gesteins, die
wetterharten Felsenzinken, die starr ins Unendliche
ragen, die ausgedehnten Steinfelder, die, jeder Vege-
tation bar, in ewiger Todesruhe daliegen, die weder
Strauch noch Grashalm belebt und die nur von
spärlichen Flechten überzogen werden, kurz das Furcht-
bare, das Trotzige und Erschütternde sehlt dem
Baininger Gebirge. Hier entwickelt sich auch auf
den steilsten Abhängen und schmalsten Gipfeln der
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üppigste Pflanzenwuchs. Nur selten erspäht man
einen nackten Felsen. Bäume, Strauchwerk, Lianen
und Moose lassen kein Fleckchen Erde, keinen Fels-
block unbedeckt, sie spenden freigebig strotzendes Leben
allenthalben.
Eine Gebirgslandschaft in den Tropen ist voll
Anmut, voll Zauber und ewiger Jugendfrische. Ihr
Anblick hat viel Liebliches, Freudiges und Sonniges,
aber auch dabei wieder etwas Eintöniges und fast
Melancholisches. Wer die Tropen nur aus poetischen
Schilderungen kennt und sich dieselben wie ein
Paradies vorstellt, in dem der Mensch nur zuzugrelfen
braucht, um in den Besitz aller Schätze zu gelangen,
ist natürlich auch der Meinung, die Berge und Flüsse
müßten Gold enthalten.
Die Nachricht, daß in Neuguinea Goldfunde ge-
macht, wurde schon öfters verbreitet. Man hat auch
schon an mehreren Punkten mit dem Schürfen be-
gonnen, doch muß es mit der Ergiebigkeit desselben
nicht viel auf sich haben, da das Goldfieber so
plötzlich verschwunden ist und die widersprechendsten
Gerüchte deswegen umgehen. Auch hier auf Neu-
pommern fehlte es nicht an Versuchen dieser Art,
aber auch hier endeten alle bisher gemachten Unter-
suchungen, die meist von kundigen Australiern unter-
nommen wurden, ohne den gewünschten Erfolg.
Eisenerz dagegen kommt in den Flüssen in be-
trächtlicher Menge vor. Der Mangel an Edel-
metallen ist übrigens kein besonderes Unglück für die
Kolonie. Die Auffindung von Gold würde, wie
anderwärts, eine Menge Abenteurer herbeilocken, die
nach Bereicherung ihrer Börse, ohne der sittlichen
Verheltungen zu gedenken, das Land so unkultiviert
zurückließen, wie sie es bei ihrem Einzug vorgefunden
hatten. Die Kolonie braucht ruhigere Existenzen,
die mit Geduld und Kraft die Axt führen und den
fruchtbaren, jungfräulichen Boden der Sonne und
dem Samen öffnen. Diese Umwandlung ist zwar
mühevoll und geht nur langsam vor sich, doch es
kommt auch die Zeit, wo der Kolonist sich der
segensreichen Fülle der Fluren erfreuen und mit
Staufacher im Tell sagen kann: „Wir haben diesen
Boden uns erschaffen"“", und die durch bitteren
Schweiß und mit großer Geduld veredelten Striche
werden für das Land ein wertvollerer Schatz sein
als das flimmernde Goldl :
Zwischen dem Bergwald der Tropen und jenem
der Alpen kann natürlich kein Vergleich angestellt
werden. Sie zeigen geradezu die entschiedensten
Gegensätze. Hier die größte Einförmigkeit; die
rauhe Hand des Menschen zeigt jedem Baum den
Platz an, wo er sich zu entwickeln hat — Einförmig-
keit sogar in den unteren Regionen, wo Ahorn,
Lärchen, Tannen und andere Baumarten noch in
wilder Kraft strotzen. Kommt man gar in die
höheren und höchsten Regionen, so hört jedes Leben
auf, man wähnt sich auf einer Unglücksstätte, auf
einem Totenfelde: Geröllhalden, Schnee und Eisl
Nur Flechten und Moose umklammern einen Stein