Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Die Gipfel der Berge, die siber die große Masse 
der Bergketten sich erheben, überraschen wenig durch 
bezaubernd schöne oder gar gewaltige Formen. Es- 
zeigen sich weder Hörner noch Türme, noch Nadel- 
sormen. Kuppen und Kegel herrschen vor. 
Der Leser würde sich täuschen, wenn er glaubte, 
eine tropische Gebirgslandschaft gleiche in allem den 
Bergmassen der gemäßigten Zone. Abgesehen von 
der beträchtlichen Verschiedenheit der Höhen — die 
höchsten Spitzen Bainings gehen wohl kaum über 
1500 m — ist der geologische Aufbau sowie die 
äußere Erscheinung wesentlich verschieden. 
Die Vorberge bestehen im allgemeinen aus einer 
Humusschicht, der Mergel, Lehm und Kalkstein 
folgen. Die Dicke der Humusschicht ist sehr ver- 
schieden. Die stellen, bebauten Abhänge sind nur 
mit einer dünnen Krume bedeckt; oft erscheint sofort 
der Lehmboden. Das öftere Bebauen lockert den 
Boden und die wuchtigen Niederschläge schwemmen 
ihn zu Tal. Die Mergelschicht zeigt nicht selten 
eine Tiefe von einem Meter. Bei Erdabhebungen 
in der Nähe von St. Paul stieß man auf Stellen, 
wo in einer Tiefe von 3 m noch kein Stein zum 
Vorschein kam, doch kommt so tiefgründiger Boden 
nicht oft vor. , 
Kalksteine findet man nicht nur auf den Vor- 
bergen, sondern auch auf den höchsten Ketten, und 
zwar nicht nur unmittelbar an der Küste, sondern 
auch vereinzelt im Inneren der Insel, wie z. B. auf 
den Höhenzügen im Westen vom Weberhafen. Die 
zahlreichen weißen und rötlichen Flecken, die der 
Reisende auf der Fahrt von der Insel Watom gegen 
Urar zu aus dem Dunkelgrün der Berge hervor- 
schimmern sieht, sind keine Wasserfälle, wie oft be- 
hauptet wurde, sondern nackte Kalkfelsen, von denen 
infolge von Erdbeben oder durch Witterungseinflüsse 
Trümmer abgelöst wurden. Spuren von unver- 
witterten Bimssteinen findet man nur äAußerst selten 
in der Humusschicht, und dann auch nur kornweise. 
Andere Höhenzüge, sowohl Vorberge als Gebirgs- 
züge in welter Entfernung von der Küste, bestehen 
aus Tuff, Granit und Basalt. Nicht bloß im Erd- 
reich ist diese Steinart versteckt, sondern sie liegt 
auch frei und offen zutage. In Gavit und auf den 
Bergen Hru und Peichim z. B. stößt man auf zahl- 
reiche Felsblöcke, die zerstreut auf den Abhängen 
und Plateaus bis hinauf zu den höchsten Erhebungen 
vorkommen. Sie zeigen selten abgerundete Formen, 
meistens find sie länger als breit und platt wie ein 
Tis 
Die furchtbare Ode des nackten Gesteins, die 
wetterharten Felsenzinken, die starr ins Unendliche 
ragen, die ausgedehnten Steinfelder, die, jeder Vege- 
tation bar, in ewiger Todesruhe daliegen, die weder 
Strauch noch Grashalm belebt und die nur von 
spärlichen Flechten überzogen werden, kurz das Furcht- 
bare, das Trotzige und Erschütternde sehlt dem 
Baininger Gebirge. Hier entwickelt sich auch auf 
den steilsten Abhängen und schmalsten Gipfeln der 
  
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üppigste Pflanzenwuchs. Nur selten erspäht man 
einen nackten Felsen. Bäume, Strauchwerk, Lianen 
und Moose lassen kein Fleckchen Erde, keinen Fels- 
block unbedeckt, sie spenden freigebig strotzendes Leben 
allenthalben. 
Eine Gebirgslandschaft in den Tropen ist voll 
Anmut, voll Zauber und ewiger Jugendfrische. Ihr 
Anblick hat viel Liebliches, Freudiges und Sonniges, 
aber auch dabei wieder etwas Eintöniges und fast 
Melancholisches. Wer die Tropen nur aus poetischen 
Schilderungen kennt und sich dieselben wie ein 
Paradies vorstellt, in dem der Mensch nur zuzugrelfen 
braucht, um in den Besitz aller Schätze zu gelangen, 
ist natürlich auch der Meinung, die Berge und Flüsse 
müßten Gold enthalten. 
Die Nachricht, daß in Neuguinea Goldfunde ge- 
macht, wurde schon öfters verbreitet. Man hat auch 
schon an mehreren Punkten mit dem Schürfen be- 
gonnen, doch muß es mit der Ergiebigkeit desselben 
nicht viel auf sich haben, da das Goldfieber so 
plötzlich verschwunden ist und die widersprechendsten 
Gerüchte deswegen umgehen. Auch hier auf Neu- 
pommern fehlte es nicht an Versuchen dieser Art, 
aber auch hier endeten alle bisher gemachten Unter- 
suchungen, die meist von kundigen Australiern unter- 
nommen wurden, ohne den gewünschten Erfolg. 
Eisenerz dagegen kommt in den Flüssen in be- 
trächtlicher Menge vor. Der Mangel an Edel- 
metallen ist übrigens kein besonderes Unglück für die 
Kolonie. Die Auffindung von Gold würde, wie 
anderwärts, eine Menge Abenteurer herbeilocken, die 
nach Bereicherung ihrer Börse, ohne der sittlichen 
Verheltungen zu gedenken, das Land so unkultiviert 
zurückließen, wie sie es bei ihrem Einzug vorgefunden 
hatten. Die Kolonie braucht ruhigere Existenzen, 
die mit Geduld und Kraft die Axt führen und den 
fruchtbaren, jungfräulichen Boden der Sonne und 
dem Samen öffnen. Diese Umwandlung ist zwar 
mühevoll und geht nur langsam vor sich, doch es 
kommt auch die Zeit, wo der Kolonist sich der 
segensreichen Fülle der Fluren erfreuen und mit 
Staufacher im Tell sagen kann: „Wir haben diesen 
Boden uns erschaffen"“", und die durch bitteren 
Schweiß und mit großer Geduld veredelten Striche 
werden für das Land ein wertvollerer Schatz sein 
als das flimmernde Goldl : 
Zwischen dem Bergwald der Tropen und jenem 
der Alpen kann natürlich kein Vergleich angestellt 
werden. Sie zeigen geradezu die entschiedensten 
Gegensätze. Hier die größte Einförmigkeit; die 
rauhe Hand des Menschen zeigt jedem Baum den 
Platz an, wo er sich zu entwickeln hat — Einförmig- 
keit sogar in den unteren Regionen, wo Ahorn, 
Lärchen, Tannen und andere Baumarten noch in 
wilder Kraft strotzen. Kommt man gar in die 
höheren und höchsten Regionen, so hört jedes Leben 
auf, man wähnt sich auf einer Unglücksstätte, auf 
einem Totenfelde: Geröllhalden, Schnee und Eisl 
Nur Flechten und Moose umklammern einen Stein
	        
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