Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 10.) 431 
handen sind, daß die Regierung des Prinzen Ernst August in Braun- 
schweig mit dem von der Reichsverfassung garantierten Friedensstande 
unter den Bundesgliedern in jeder Beziehung vereinbar sei, dann, m. H., 
hatte Braunschweig ein Recht darauf, daß der Prinz Ernst August den 
Thron seiner Väter bestieg. Von diesem Rechte Braunschweigs ist in 
der ganzen Polemik des vorigen Sommers mit keinem Worte die Rede 
gewesen. M. H.! Allerdings hatte Braunschweig, ein kerndeutsches Land, 
das immer treu zu seinem Kaiser und Reich gestanden hat, das den Ein- 
bruch dieser welfischen Aspirationen in Braunschweig in der Vergangen- 
heit nicht gewollt hat und einen solchen Einbruch in der Gegenwart und 
in der Zukunft nicht will, einen Anspruch auf seinen rechtmäßigen Thron- 
erben, sobald es feststand, daß dieser Erbe ebenso treu zu Kaiser und Reich 
steht und daß die welfischen Aspirationen bei ihm keine Unterstützung finden. 
   Nur ganz wenige Worte über die hannoverschen Welfen. Freiherr 
v. Gamp hat gesagt, die Sache würde ja im preußischen Landtag noch aus- 
führlich besprochen werden, und aus dem Nicken des Abg. v. Heydebrand 
ersehe ich, daß dies der Fall sein wird. Ich nehme also an, daß dies ge- 
schieht, und ich werde ja da noch ausführlich über die Frage sprechen. Aber 
ein paar Bemerkungen muß ich doch schon heute machen. Freiherr v. Gamp 
hat gemeint, durch diese Regelung der braunschweigischen Frage hätten wir 
die welsische Aktion gestärkt. Aber, m. H., da möchte ich doch einmal die 
Gegenfrage stellen, ob wir nicht die welfische Bewegung in Hannover in 
verhängnisvoller Weise gestärkt hätten, wenn wir um des, wie ich nach- 
gewiesen habe, bedeutungslosen Verzichts willen die Welfenfrage verewigt 
und den Prinzen Ernst August zum Märtyrer des Welfentums gemacht 
hätten. M. H.! Indem wir das Gegenteil getan haben, haben wir der 
welfischen Bewegung in Hannover für die Zukunft ihren stärksten Stütz- 
punkt genommen. Gewiß, m. H., hier ist gesagt worden, es gebe in Han- 
nover Welfen, die da sagten: Der Prinz Ernst August hat so viel erreicht, 
die Hand der Kaisertochter, den Braunschweigischen Thron, jetzt wird es 
ihm auch noch gelingen, ein selbständiges Hannover herzustellen. M. H., 
wenn es richtig ist, daß es solche Leute gibt, so sind das, wenn ich mich 
höflich ausdrücken will, jedenfalls keine politischen Köpfe. Die Vertreter 
des Welfentums sollten einsehen, daß sich diejenigen Welfen, welche sich mit 
solchen utopischen Forderungen tragen, für eine ganz aussichtslose Idee 
einsetzen, und sie sollten selbst dafür wirken, daß diese Irreführungen im 
Volke aufhören. Hannover ist und bleibt eine preußische Provinz. Kein 
preußischer König, keine preußische Landesvertretung wird sich je dazu 
bereit finden, rückgängig zu machen, was in der Erstarkung Preußens, die 
#um Deutschen Reich geführt hat, Geschichte geworden ist, und einer solchen 
ersündigung am eigenen Leibe ist kein Preuße fähig. Nun meine ich, 
m. H., man hat wahrlich Preußen eine ängstliche und kleinmütige Politik 
zugetraut, wenn man von Preußen verlangte, daß es aus Furcht vor einer 
zum Aussterben verurteilten Bewegung, die von einer kleinen Gruppe Un- 
versöhnlicher gelehrt wird, daß es aus Furcht davor seine Haltung im 
Bundesrat und Braunschweig gegenüber revidieren sollte. Ich habe eine 
solche Politik abgelehnt, und indem ich es tat, habe ich nichts von den 
alten Traditionen preisgegeben, sondern ich habe geglaubt, nach der Her- 
stellung eines Zustandes gestrebt zu haben, der mit der Beseitigung alten 
Haders Nützliches schafft. 
    Zum Schluß noch wenige Worte mit bezug auf die Interpellations- 
debatte über Zabern. Im Gegensatz zu dem Abg. Scheidemann haben sich 
die Führer des Zentrums und der Nationalliberalen in der Frage der 
politischen Bedeutung eines Mißtrauensvotums auf den verfassungsmäßigen.
	        
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