Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

schaute. Ich getraute mich nicht, den Übergang auf 
dem Baume zu versuchen, und ging deshalb etwas 
weiter flußaufwärks in der Hoffnung, eine ruhigere 
Stelle zu finden. Dort schickte ich zuerst einen starken 
Mann voraus ins Wasser. Allein er rückte nicht 
weit voran, strauchelte und wurde fortgerissen. 
Glücklicherweise konnte er schwimmen und so erreichte 
er nach einigen unliebsamen Berührungen mit den 
Steinen im Wasser wieder glücklich das sichere Ufer. 
Währenddessen hatten meine übrigen Begleiter eine 
armdicke Liane den Baum entlang über den Fluß 
gespannt und so konnte der Ubergang ohne Gefahr 
unternommen werden. 
Nach mir kam. als letzte, eine junge, schwer be- 
ladene Frau mit ihrem kleinem Kinde. Sie sollte 
auf Befehl der Männer allein und nur mit ihrem 
Einer meiner Leute aus 
St. Paul begab sich dann nochmals aus jenseitige 
Ufer, packte das schreiende Kind beim Arm und 
setzte es sich auf die Schulter. Dann nahm er in 
jede Hand einen schweren Rucksack und schritt so 
sicher und rasch hinüber, als ob er auf festem Boden 
wandelte. Die gefährlichste Stelle war da, wo der 
im Wasser aufhörende Baum durch ein Stück Holz 
mit dem Ufer verbunden war. Er mußte wegen 
des emporstehenden Astes frei, ohne sich anhalten zu 
kännen, die Kehrtwendung machen und stieg dann 
rücklings glücklich ans User. Mein Begleiter, ein 
mit den Verhältnissen des Landes noch unbekannter 
junger Missionar, hielt bei diesem schwindelerregenden 
Schauspiel den Atem an und erwartete jede Sekunde 
den Sturz des Helden in das gurgelnde Element. 
Die schlechtesten Pfade sind gerade diejenigen, 
welche am öftesten begangen werden, d. h. die Ver- 
bindungswege zwischen den Gehöften und Pflanzungen. 
Sie sind, da sie meistens durch alte Pflanzungen 
führen, mit langem Gras, wildem Mais und ver- 
schiedenartigem Gestrüpp besäumt, das in den Weg 
hängt, ihn dem Auge verbirgt und das Gehen be- 
deutend erschwert. Zudem liegen Trümmer von 
alten Zäunen, Grenzzeichen der Pflanzungen, stehen 
gebliebene Stöcke, über, in oder neben dem Pfade 
und erheischen ein beftändig waches Auge des Fuß- 
gängers. An Abhängen und Stellen, wo der Lehm- 
boden offen liegt, ist das Gehen, besonders bel 
Regenwetter, mit großen Schwierigkeiten verbunden. 
Die Pfade werden natürlich auch häufig aufgegeben, 
1. B. wenn eine neue Pflanzung angelegt wird oder 
er —W— seinen Wohnplatz ändert. 
Pfode d bequemsten sind verhältnismäßig noch die 
A#ge zuurchden hohen Wald. Sie gestatten, das 
1. 6 r da vom Wege ab auf die Umgebung 
gleiten zu lafsen. Freilich ist das Gehen auf den- 
selben auch kein Lustwandeln; denn die quer liegenden 
Bäume, die zahllosen Schlingpflanzen und Baum- 
* bringen einen bei Unachtsamkeit auch leicht 
Der Leser fieht aus dem Gesagten, mit welchen 
Schwierigkeiten eine von usan gemachte # 
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pedition durch den Urwald in unbekannten Gebirgs- 
gegenden verbunden ist. GElücklich kann er sich noch 
schätzen, wenn ihm ein wegekundiger Eingeborener 
zu Diensten ist oder wenn er Spuren eines Pfades 
solgen kann. Muß aber jeder Schritt im Dickicht 
erst mit dem Buschmesser erobert werden, so ist 
leicht begrelflich, daß die Karawane nur sehr lang- 
sam vorankommt und die Träger mit ihren 
Lasten sich nur mühsam durch alle Hindemiisse 
hindurchwinden können. Man vergesse ferner nicht, 
daß ein Marsch mit Kompaß als Führer und Axt 
als Bahnbrecher in ganz unbekannter Gegend auf 
die abergläubischen und unbeständigen Schwarzen 
leicht niederdrücckend und entmutigend wirkt. Ihr 
trauriger Blick, ihr düsteres Schweigen find die besten 
Beweise davon. Eine Kleinigkeit, ein Geräusch, 
irgend ein Zeichen am Pfade, das plötzliche Er- 
scheinen von Eingeborenen, kurz alles ihnen Unbekannte, 
ihn Überraschende genügt, um die kaffeebraune Schar 
in Verwirrung zu bringen. Doch, wenn nur der 
Europäer den Mut nicht verliert und im kritischen 
Augenblick ruhig und sicher vorangeht, seine Leute 
gut behandelt und vor allem, wenn er ihre Sprache 
gut versteht, so haben sie wieder Zutrauen und 
teilen willig Strapazen und Entbehrungen mit ihm. 
VII. 
Die Fauna Bainings. 
Der jüngste Kontinent der Erde, Australien, mit 
seiner Inselwelt Ozeanien ist bekanntlich arm an 
höher organisierten Tierformen, besonders an pla- 
zentalen Säugetieren. Es ist das um so merk- 
würdiger, als der angrenzende indisch-malayische 
Archipel ein reiches Tierleben aufweist. Wir treffen 
hier bloß Hunde, Kängurus, Ratten, Mäuse und 
Fledermäuse, fliegende Hunde und Baumbären. 
Nicht einmal das Schwein soll nach der Behauptung 
einiger Geographen überall einheimisch gewesen, 
sondern erst im Laufe der Zeit von Seefahrern ein- 
geführt und verbreitet worden sein. Daß dies z. B. 
auf Neuseeland und anderwärts wirklich der Fall 
war, erfahren wir aus Cooks Reiseberichten. 
Das in Baining vorkommende Schwein ist von 
derselben Art wie das, welches auch sonst auf den 
Inseln der Südsee verbreltet ist. Es lebt sowohl 
gezähmt als Haustier als auch wild. Sein Körper 
ist verhältnismäßig kurz, der Rüssel lang, der Rücken 
schmal. Jede Balninger Familie hält eine gewisse 
Anzahl dieser Borstentröger, die sie frei umherlaufen 
läßt. Tagsüber durchstreifen sie die Umgebung der 
Gehöfte oder liegen unter dem Vorsprung der Däher. 
Die kleinen haben auch Zutritt zu den Hütten, wo# 
sie frledlich neben Hunden und Kindern in der 
warmen Asche schlafen. Junge Wildschweine, die 
man gefangen hat, werden mit Schnüren aus Baum- 
bast an der Hütte oder in der Nähe derselben fest- 
gebunden, damit sie sich allmählich an den Menschen 
gewöhnen und zahm werden. Das Baininger 
Schwein wächst trotz der reichen Nahrung nur lang- 
 
	        
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