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gegenwärtig Frankreich noch den fremden Handels-
marinen zur Beförderung seiner Waren nach und
von den Kolonien täglich nicht weniger als 800 000
Francs an Frachten zahlt, anderseits auf die außer-
ordentliche Bedeutung des Baues von Kolonlal=
eisenbahnen hinweisen.
Die Gliederung des Stoffes nach den erwähnten
Gesichtspunkten hat sich demgemäß in dem baulichen
Charakter der Ausstellung ausgeprägt. Das Haupt-
gebäude, das sogenannte Palais Central oder Palois
d'Exportation nimmt die Exportprodukte Frankreichs
nach seinen Kolonien auf. Es liegt im Mittelpunkte
der Veranstaltung.
Man betritt die Ausstellung von einem Kreuzungs-
punkte der beiden Prado-Avenuen, von denen eine
nach dem Zentrum der Stadt Marseille führt, die
andere die Vorstadt La Capelette mit der an land-
schaftlicher Schönheit dem Golf von Neapel eben-
bürtigen Bai de la Corniche verbindet. Zwei große
Gewächshäuser am Eingange nehmen die tropischen
Pflanzen auf. Allmonatlich sollen die schönsten und
erlesensten Produkte, welche die größten Blumenzüchter
des südlichen Frankreichs aus den Kolonien hierher
bringen, um die Ruhmespalme streiten. Im Palais
d'Exportation selbst haben die großen Handelshäuser
und Fabriken von Marseille ihre Erzeugnisse aus-
gestellt. Ein großer, rechteckiger Bau von 122 m
Breite und 80 m Tiefe vereinigte von den täglichen
Gebrauchs= bis zu den Luxusgegenständen herauf,
von der Nahrungs= und Genußmittel= und der Be-
kleidungsbranche bis zu den künstlerischen und wissen-
schaftlichen Industriezweigen alles, was für den Export
nach den Kolonien nur irgend in Frage kommen
kann. Die monumentale Fassade des Exportpalastes
stellt einen majestätischen Wafsersall dar. Hinter dem
Palaste, der von Alleen umgeben ist, befindet sich
die Maschinenhalle, deren Ausstellungsobjekte in voller
Tätigkeit dem Besucher vorgeführt werden. In anderen
Nebengebäuden hat man die landwirtschaftlichen Ma-
schinen untergebracht, die für die Kolonien von be-
sonderem Interesse sind.
Während die genannten Baulichkeiten gewisser-
maßen den Hintergrund der Ausstellung abgeben,
sind dem eigentlich kolonlalen Leben alle übrigen
Telle des Ausstellungsparks eingeräumt. Der Cha-
rakter der einzelnen Kolonien spricht sich in dem
Baustile der Einzelgebäude besonders glücklich aus.
war hier eine um so schwierigere architektonische
Aufgabe zu lösen, als man das populär-ethnologische
oment zugunsten der außerordentlichen Strenge
und Sachlichkelt der Ausstellungsobjekte selbst stark
a den Hintergrund drängen mußte. Hatte man
auch Eingeborene aus allen französischen Kolonten
auf die Ausstellung gebracht, so verzichtete man doch,
wohl mit Rücksicht auf frühere ungünstige Erfah-
rungen, wenigstens bei den Afrikanern darauf, die-
selben in ihren Lebensgewohnheiten dem Publikum
vorzuführen, wie dies meist auf Kolontalausstellungen
geschehen ist. Es lag aber in der bewußten Absihht,
das wirtschaftlich kulturelle Moment in den Vorder-
grund zu stellen. Das „mise en valeur“ der Ko-
lonien: Wie rüsten und wie nutzen wir unsere Kolo-
nien wirtschaftlich am besten aus und erhöhen damit
ihren Wert? war, wie erwähnt, das Leitmotiv, dem
sich alles unterordnete. So legte man regierungs-
seltig auch vor allem Wert darauf, alle der Koloni-
sation dienenden Einrichtungen, die wirtschaftlicher
und geistiger Förderung gewidmeten Kulturmittel im
Bilde vorzuführen. Man sparte nicht an Kosten, um
wertvolle Eehnologika, Skizzen, Karten und Photo-
graphien zusammenzutragen. Der Stempel wissen-
schaftlicher Forschung, als der Pfadfinderin für die
praktische Arbeit in den Kolonien, war dem Ganzen
aufgedrückt. Waren so den Architekten mangels der
Unterstützung durch das lebendige Bild des Einge-
borenenlebens außerordentliche Aufgaben gestellt, die
sie überaus glücklich lösten, so verdient auch die innere
Anordnung der Ausstellung besonders hervorgehoben
zu werden. Dem wahren wissenschaftlichen Geiste,
welcher die ganze Ausstellung durchdringt, ging ein
ebenso großes pädagogisches Geschick parallel, mit
dem man den Besucher gleichsam spielend in die
fremde Materie einführte. Die graphische Abbildung
in der Fläche, noch mehr aber die geschickte räumliche
Darstellung der einfachen so gut wie der schwierigen
wirtschaftsstatistischen Verhälinisse, das Anknüpfen der
Statistik an wenige, schnell übersehbare Momente
erzeugte in dem Besucher mit einem Schlage, kaum
nachdem er den einzelnen Saal betreten hatte, ein
lebendiges Bild, das ihm sofort ermöglichte, sich in
der großen Fülle des einzelnen zurecht zu finden.
Für denjenigen, der sich mit den allgemeinen Fragen
berelts befaßt hatte und tiefer in die Details einzu-
dringen wünschte, für den Kaufmann und Fabrikanten,
der auch am einzelnen praktische Belehrung schöpfen
wollte, boten die Erklärungstafeln bel den Einzel-
gegenständen außerordentlich wertvolle Fingerzeige.
Auf diesen waren außer den eingeborenen, franzö-
sischen und wissenschaftlichen Namen des Ausstellungs=
gegenstandes Herkunftsort, Zeitpunkt der Ernte und
des Vorkommens auf den Märkten, örtliche Verkaufs-
einheit, metrischer Wert derselben, Wert der örtlichen
Einheit in dortiger Währung und in Francs, Ver-
wendung des Produkts, Bedeutung der Produktton
und erläuternde Angaben aufgeführt.
Von den einzelnen Kolonien hat Algerien elnen
malerischen Palast in maurischem Stil, der an die
Moscheen des Landes erinnert, ausgebaut. In den
Sälen des Gebäudes sind die Bodenprodukte der
Kolonie, die Ergebnisse der staatlichen und privaten
Kolonisation in Vergangenhelt und Gegenwart dar-
gestellt. Die Kolonisationsmethoden, soweit sie sich
auf die intellektuelle und moralische Hebung der Ein-
geborenen erstrecken, die Schulen usw. sind Gegen-
stand einer besonderen Ausstellung; andere Räum-
lichkeiten sind ferner der Darstellung der militärischen,
künstlerischen und archäologischen Interessen des
Landes gewidmet. Außer dem Hauptgebäude dient