Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

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gegenwärtig Frankreich noch den fremden Handels- 
marinen zur Beförderung seiner Waren nach und 
von den Kolonien täglich nicht weniger als 800 000 
Francs an Frachten zahlt, anderseits auf die außer- 
ordentliche Bedeutung des Baues von Kolonlal= 
eisenbahnen hinweisen. 
Die Gliederung des Stoffes nach den erwähnten 
Gesichtspunkten hat sich demgemäß in dem baulichen 
Charakter der Ausstellung ausgeprägt. Das Haupt- 
gebäude, das sogenannte Palais Central oder Palois 
d'Exportation nimmt die Exportprodukte Frankreichs 
nach seinen Kolonien auf. Es liegt im Mittelpunkte 
der Veranstaltung. 
Man betritt die Ausstellung von einem Kreuzungs- 
punkte der beiden Prado-Avenuen, von denen eine 
nach dem Zentrum der Stadt Marseille führt, die 
andere die Vorstadt La Capelette mit der an land- 
schaftlicher Schönheit dem Golf von Neapel eben- 
bürtigen Bai de la Corniche verbindet. Zwei große 
Gewächshäuser am Eingange nehmen die tropischen 
Pflanzen auf. Allmonatlich sollen die schönsten und 
erlesensten Produkte, welche die größten Blumenzüchter 
des südlichen Frankreichs aus den Kolonien hierher 
bringen, um die Ruhmespalme streiten. Im Palais 
d'Exportation selbst haben die großen Handelshäuser 
und Fabriken von Marseille ihre Erzeugnisse aus- 
gestellt. Ein großer, rechteckiger Bau von 122 m 
Breite und 80 m Tiefe vereinigte von den täglichen 
Gebrauchs= bis zu den Luxusgegenständen herauf, 
von der Nahrungs= und Genußmittel= und der Be- 
kleidungsbranche bis zu den künstlerischen und wissen- 
schaftlichen Industriezweigen alles, was für den Export 
nach den Kolonien nur irgend in Frage kommen 
kann. Die monumentale Fassade des Exportpalastes 
stellt einen majestätischen Wafsersall dar. Hinter dem 
Palaste, der von Alleen umgeben ist, befindet sich 
die Maschinenhalle, deren Ausstellungsobjekte in voller 
Tätigkeit dem Besucher vorgeführt werden. In anderen 
Nebengebäuden hat man die landwirtschaftlichen Ma- 
schinen untergebracht, die für die Kolonien von be- 
sonderem Interesse sind. 
Während die genannten Baulichkeiten gewisser- 
maßen den Hintergrund der Ausstellung abgeben, 
sind dem eigentlich kolonlalen Leben alle übrigen 
Telle des Ausstellungsparks eingeräumt. Der Cha- 
rakter der einzelnen Kolonien spricht sich in dem 
Baustile der Einzelgebäude besonders glücklich aus. 
war hier eine um so schwierigere architektonische 
Aufgabe zu lösen, als man das populär-ethnologische 
oment zugunsten der außerordentlichen Strenge 
und Sachlichkelt der Ausstellungsobjekte selbst stark 
a den Hintergrund drängen mußte. Hatte man 
auch Eingeborene aus allen französischen Kolonten 
auf die Ausstellung gebracht, so verzichtete man doch, 
wohl mit Rücksicht auf frühere ungünstige Erfah- 
rungen, wenigstens bei den Afrikanern darauf, die- 
selben in ihren Lebensgewohnheiten dem Publikum 
vorzuführen, wie dies meist auf Kolontalausstellungen 
geschehen ist. Es lag aber in der bewußten Absihht, 
  
das wirtschaftlich kulturelle Moment in den Vorder- 
grund zu stellen. Das „mise en valeur“ der Ko- 
lonien: Wie rüsten und wie nutzen wir unsere Kolo- 
nien wirtschaftlich am besten aus und erhöhen damit 
ihren Wert? war, wie erwähnt, das Leitmotiv, dem 
sich alles unterordnete. So legte man regierungs- 
seltig auch vor allem Wert darauf, alle der Koloni- 
sation dienenden Einrichtungen, die wirtschaftlicher 
und geistiger Förderung gewidmeten Kulturmittel im 
Bilde vorzuführen. Man sparte nicht an Kosten, um 
wertvolle Eehnologika, Skizzen, Karten und Photo- 
graphien zusammenzutragen. Der Stempel wissen- 
schaftlicher Forschung, als der Pfadfinderin für die 
praktische Arbeit in den Kolonien, war dem Ganzen 
aufgedrückt. Waren so den Architekten mangels der 
Unterstützung durch das lebendige Bild des Einge- 
borenenlebens außerordentliche Aufgaben gestellt, die 
sie überaus glücklich lösten, so verdient auch die innere 
Anordnung der Ausstellung besonders hervorgehoben 
zu werden. Dem wahren wissenschaftlichen Geiste, 
welcher die ganze Ausstellung durchdringt, ging ein 
ebenso großes pädagogisches Geschick parallel, mit 
dem man den Besucher gleichsam spielend in die 
fremde Materie einführte. Die graphische Abbildung 
in der Fläche, noch mehr aber die geschickte räumliche 
Darstellung der einfachen so gut wie der schwierigen 
wirtschaftsstatistischen Verhälinisse, das Anknüpfen der 
Statistik an wenige, schnell übersehbare Momente 
erzeugte in dem Besucher mit einem Schlage, kaum 
nachdem er den einzelnen Saal betreten hatte, ein 
lebendiges Bild, das ihm sofort ermöglichte, sich in 
der großen Fülle des einzelnen zurecht zu finden. 
Für denjenigen, der sich mit den allgemeinen Fragen 
berelts befaßt hatte und tiefer in die Details einzu- 
dringen wünschte, für den Kaufmann und Fabrikanten, 
der auch am einzelnen praktische Belehrung schöpfen 
wollte, boten die Erklärungstafeln bel den Einzel- 
gegenständen außerordentlich wertvolle Fingerzeige. 
Auf diesen waren außer den eingeborenen, franzö- 
sischen und wissenschaftlichen Namen des Ausstellungs= 
gegenstandes Herkunftsort, Zeitpunkt der Ernte und 
des Vorkommens auf den Märkten, örtliche Verkaufs- 
einheit, metrischer Wert derselben, Wert der örtlichen 
Einheit in dortiger Währung und in Francs, Ver- 
wendung des Produkts, Bedeutung der Produktton 
und erläuternde Angaben aufgeführt. 
Von den einzelnen Kolonien hat Algerien elnen 
malerischen Palast in maurischem Stil, der an die 
Moscheen des Landes erinnert, ausgebaut. In den 
Sälen des Gebäudes sind die Bodenprodukte der 
Kolonie, die Ergebnisse der staatlichen und privaten 
Kolonisation in Vergangenhelt und Gegenwart dar- 
gestellt. Die Kolonisationsmethoden, soweit sie sich 
auf die intellektuelle und moralische Hebung der Ein- 
geborenen erstrecken, die Schulen usw. sind Gegen- 
stand einer besonderen Ausstellung; andere Räum- 
lichkeiten sind ferner der Darstellung der militärischen, 
künstlerischen und archäologischen Interessen des 
Landes gewidmet. Außer dem Hauptgebäude dient
	        
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