Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

— 396 — 
in das Innere der Kolonie und in deren Nachbarschaft 
entsandt. Nach einem kürzlich eingegangenen Berichte 
ist es dlesen Anwerbern gelungen, etwa 2000 Arbeiier 
zu beschaffen, von denen inzwischen 500 bereits auf 
den Arbeitsplätzen angelangt, während die übrigen 
1500 unterwegs sind. Sollten diese, was aller- 
dings zweifelhaft ist, der elngegangenen Verpflichtung 
alle treu bleiben, so würde die Zahl der Arbeiter, 
welche gegen Ende März d. Is. etwa 4200 bis 
4500 betrug, auf ungefähr 6500 anwachsen. Neuer- 
dings hat uns das Gouvernement auch die Be- 
schäftigung vordem Aufständischer aus dem Süden 
der Kolonie gestattet; jedoch find bisher noch keine 
Arbeiter von dort gekommen. Endlich ist für den 
Fall, daß durch die geschilderten Maßnahmen der 
Bedarf an Arbeitern noch nicht genügend gedeckt 
seln sollte, die Einführung asiatischer Arbeiter vor- 
gesehen. 
Tellweise gehemmt wurden die Arbeiten auch 
durch Hochwasser, die in der letzten Regenperiode 
außergewöhnlich zahlreich und mächtig auftraten und 
stellenweise die Verlegung der Linie oder die Er- 
neuerung bereits fertiggestellter Strecken notwendig 
machten. 
Dagegen sind, dank der großen Aufmerksamkeit, 
welche die Bauleitung der Gesundheitspflege der 
Beamten und Arbeiter angedeihen läßt, Störungen 
infolge Massenerkrankungen, wie dies beim Bau 
anderer afrikanischer Bahnen wiederholt der Fall 
gewesen ist, bei unserem Bahnbau nicht vorgekommen. 
Im allgemeinen war der Gesundheitszustand zu- 
friedenstellend. Der Gesundheitsdienst untersteht zwei 
ausschließlich für unser Unternehmen gewonnenen 
ürzten, die mit der Behandlung von Tropenkrank- 
heiten besonders vertraut sind, und von denen einer 
in Daressalam, der andere am Kingant stationiert 
sind. Daneben wurde seit August v. Is. zweimal 
wöchentlich ein Arztgehilfe nach den Arbeitsplätzen 
hinausgesandt, um in den ziemlich zahlreichen Fällen 
kleinerer Verletzungen Verbände anzulegen. Ferner 
wurde die Verwaltung der Krankenbaracken, auch die 
vollständige Versorgung und Verpflegung der Kranken 
und des Hilfspersonals vom Baubureau auf den 
Gesundheitsdienst übertragen und für diesen ein 
besonderes Haus gemietet, da zu befürchten war, daß 
bei dem großen Zuwachs an Europäern, wie er in 
letzter Zelt in Daressalam stattgefunden hat und 
noch immer stattfindet, die Räume des Gouvernements- 
krankenhauses in Zukunft nicht ausreichen würden, 
um auch die Kranken des Arbeitspersonals aufzu- 
nehmen. In diesem Hause befinden sich neben dem 
Bureau des Gesundheitsdienstes eine Station zur 
Behandlung und Verpflegung hospitalbedürftiger 
Kranker, eine Niederlage von guten, preiswerten 
Lebensmitteln sowie eine Einrichtung zur Herstellung 
keimfreien Wassers mit oder ohne Kohlensäure. 
Was den Fortgang des Baues im einzelnen 
anlangt, so sind die Vorarbeiten unter der Leitung 
von fünf Ingenieuren, die das von uns übernommene 
  
Material der Vorstudlenexpedition benutzten, so gut 
wie beendet. Die Pläne bis Kilometer 190 haben 
bereits unsere und die landespolizeiliche Genehmigung 
des Gouverneurs erhalten. 
Bei der endgültigen Feststellung der Linien- 
führung war insbesondere die Bestimmung des 
Ausgangspunktes der Bahn in Daressalam Gegen- 
stand eingehender Erwägungen. 
In dem Bestreben, die Bahnhofsanlagen in 
Daressalam möglichst zweckmäßig zu gestalten, wurden 
verschiedene Entwürfe aufgestellt, bei denen auf 
die künftige Entwicklung des Güterverkehrs und tun- 
lichstes Erleichtern des Überschlagsverkehrs vom See- 
schif auf den Eisenbahnwagen durch vermehrte 
Gleisanlagen in nächster Nähe des Hafens Rücksicht 
genommen werden sollte. Schließlich wurde der 
von uns erwogene Plan, einstwellen die gesamten 
Bahnhofsanlagen am Hafen herzustellen, hauptsäch- 
lich aus gesundheitlichen Bedenken fallen gelassen; 
die Hauptstation wird nunmehr auf dem 10 m über 
dem Hafen liegenden Gelände des früheren Exerzier= 
platzes zwischen der Kaiser= und Araberstraße an- 
gelegt. Eine Verbindungsbahn führt vom Haupt- 
bahnhofe zu dem am Hafen im Bau befindlichen 
neuen Zollschuppen und Lagerhause. 
Vom Bahnhofe aus wendet sich die Bahnlinie 
alsbald nordwestlich, kreuzt die Pugustraße sowie die 
im Bau befindliche Bagamoyostraße und hält sich 
dann parallel der Pugustraße. Von Kilometer 17 ab 
wird die von der Studienkommission festgestellte 
Linienführung im Tale des Simbasi innegehalten, 
bei welcher die Wasserschelde des Mpiil in der Höhe 
von 157 m überwunden wird, während die von den 
früheren Expeditionen aufgestellten Entwürfe die 
Überschreltung der Wasserscheide in der Höhe von 
250 m vorgesehen hatten. Nach üÜberschreitung zahl- 
reicher von den Pugubergen kommender Flüsse und 
Bäche wird bel Kilometer 39 das etwa 3 km breite 
Uberschwemmungsgeblet des Kingani erreicht. Von 
hier ab wird die Bahn in ziemlich genau westlicher 
Richtung bis zum Agerengereflusse verlaufen, diesen 
bei Kilometer 157 überschreiten und sich schließlich am 
Fuße des Uluguru-Gebirges im Tale des reißenden 
Kwasi-Lukonde-Flusses nach Morogoro hinziehen. 
Der für die Bahnstrecke erforderliche Grund- 
erwerb ist in der Hauptsache abgeschlossen. Er 
ging überall glatt vonstatten; für die Grundstücke 
im Stadtbezirk Daressalam wurden die Preise mit den 
Besitzern vereinbart, für das Land im Innern wurden 
von den Behörden Einheitspreise festgesetzt, welche 
von den Eingeborenen ohne weiteres anerkannt wurden. 
Die Eigentumsgrenzen wurden hier unter Zuzlehung 
der Jumben (Gemeindevorsteher) festgesetzt und die 
durchweg sehr bescheidenen Kaufgelder an die Ein- 
geborenen ausgezahlt. 
Die Erdarbeiten sind bis Kilometer 190 ver- 
geben und im vollen Gange. Ab und zu mußte der 
  
Boden mit der Hadcee gelöst, an anderen Stellen durch 
Sprengung des Kalksandstelnes vorbereitet werden.