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Über die kriegsgefangenen Eingeborenen
berichtet Gouverneur v. Lindequist unter dem
17. April d. Is., wie folgt:
Am 6. April besichtigte ich den Hererosammelplatz
Otjihgenena, der unter dem Missionar Diehl jun. steht.
Am Ploatz waren über 1200 Hereros, von denen
immer noch Patrousllen sowohl ins Sandfeld als
auch in die Onjati-Berge und weiter nördlich bis
in die Gegend von Waterberg gehen. Der Zuzug
dauert fort, doch ist es auch vorgekommen, daß
solche Patrouillen von feindlichen Hereros überfallen
und erschlagen worden sind. Ich sehe es neben der
zahlreichen Gestellung von Hereros auch als einen
Erfolg an, daß die Hereros bereits gegeneinander
kämpfen, und lasse Patrouillen von Kriegsgefangenen
auch gegen Viehräuber, dle in den Onjati-Bergen
siben sollen, entsenden. Hierdurch wird viel deutsches
Blut gespart.
Die große Zahl der in Otilhaenena befindlichen
Hereros erklärt sich daraus, daß oft einzelne Mit-
glieder einer Familie krank sind, diese aber nicht
voneinander getrennt werden sollen. Noch immer
besteht eine gewisse Furcht vor dem Aufenthalt in
Lüderitzbucht, doch bewirkte meine Versicherung, daß
sie nunmehr nicht an der Küste, sondern weiter im
Innern verwendet werden, warme Kleidung und bis
zu 10 Mk. monatlich erhalten sollen, daß sich an
einem Tage 20 Famillen frelwillig für die Eisenbahn-
arbelt im Süden meldeten.
Die meisten der kürzlich aus dem Felde ge-
kommenen Hereromänner und Frauen waren so ab-
gemagert und entkräftet, daß eine sofortige Ver-
wendung zur Arbeit nicht möglich ist. Sie verbleiben
daher in der Regel zunächst mehrere Wochen in dem
Lager, bevor sie abgegeben werden. Die Kinder
husteten sämtlich stark.
Auch in Omburo stellen sich weitere Hereros,
so daß es möglich war, am 12. April wiederum
68 Männer, 70 Weiber und 62 Kinder für den
Bahnbau nach Lüderitzbucht zu senden.
Die Zahl der Hereros, die sich seit Beginn des
Jahres allein in Omburo und Otjihaenena gestellt
haben, beträgt nunmehr rund 6000
Die Heranzlehung der Hereros zur Arbeit
während der Krlegsgefangenschaft ist für dieselben
sehr heilsam, ja es ist geradezu ein Glück für sie,
daß sie, bevor ihnen die volle Freiheit zurückgegeben
wlrd, arbeiten lernen, da sie sonst sich voraussichtlich
weiter arbeitsschen im Lande herumtreiben und,
nachdem sie ihren ganzen Rinderbestand verloren
haben, ein elendes Leben fristen würden. Die Er-
fahrung, die bisher mit ihrer Arbeit gemacht ist,
ist fost durchweg eine gute. Es hat den Anschein,
daß die überwiegende Mehrzahl dleselbe in kelner
Weise als eine Qual empfindet, sondern sie dem
bisherigen elenden Leben im Felde vorzieht. Da
aufs strengste darauf gesehen wird, daß die Kriegs-
gefangenen gerecht behandelt werden, sie außerdem
reichliche Nahrung und hinreichende Kleidung er-
halten, so ist es nicht zu verwundern, daß sie die
Gefangenschaft dem bisherigen Leben im Felde vor-
ziehen. Trotzdem ihnen eine ziemlich große Freiheit
bei ihren Gängen zu und von der Arbeit und
während derselben gelassen wird, sind die Fälle, in
denen Kriegsgefangene entlaufen, sehr vereinzelt.
Die Hereros erhalten jetzt, nachdem sie 6 Monate
in der Gefangenschaft gewesen sind, einen Monats-
lohn in barem Gelde, solche, die sich durch Fleiß
und gutes Betragen auszeichnen, erhalten den Lohn
schon vor dieser Zeit. Herr Missionsinspektor
Spieker, der sich seit mehreren Monaten auf einer
Inspektionsreise im Schutzgebiet aufhält, hat sich dahin
ausgesprochen, daß für die Gefangenen alles nur
mögliche getan würde.
Auch die Hottentotten erweisen sich bisher als
bessere Arbeiter, als man angenommen hatte. Die-
selben sind bisher in der Weise verteilt, daß die
Witbols in Windhruk stationiert sind, wo eine große
Anzahl zu Wegearbelten und Legung der Wasser-
leltung verwandt wird. Die Leute des Cornelius
von Bethanien werden in Kariblb bel der Bahn
beschäftigt, während die Feldschoendragers der neuen
im Eatstehen begriffenen Kleinsiedlung in Osonna
bei Okahandja zugeteilt sind. Uberall ist bei den
Gefangenen das Prinzip gewahrt, vaß die Familien
nicht getrennt werden. Zur Vorbereitung für die
später in Aussicht genommene Paßverordnung der
Eingeborenen werden die Kriegsgefangenen schon jetzt
registriert.
über einen versuch mit Rleinstedlungen bei Ozona
(Okahandia)
berichtet Gouverneur v. Lindequist, wie folgt:
In den letzten Monaten habe ich das für Acker-
und Gartenbau vorzüglich geeignete Gebiet um
Ozona bei Okahandja in 30 Heimstätten von durch-
schnitilich 10 ha aufmessen lassen, um dadurch auch
wenig Bemittelten eine Gelegenheit zur Ansiedlung
zu geben und einen Anfang damit zu machen, daß
dle Bedürfnisse des Landes an Acker= und Garten-
erzeugnissen in größerem Umfange als bisher im
Lande selbst produzlert werden.
Die Bedingungen für den Erwerb der Heim-
stätten sind aus der Anlage ersichtlich.
Von den 30 Heilmstätten sind 5 berelts von
tüchtigen, zuversichtlichen Leuten Iin Bewirtschaftung
genommen. Auf alle übrigen Heimstätten liegen
Kaufanträge vor. Unter den schon ausässigen An-
siedlern befinden sich 3 aus den deutschen Klein-
siedlungen in der Kapkolonie, und es ist begründete
Aussicht vorhanden, daß diese noch weitere Deutsche
aus der Kapkolonie nach sich ziehen werden.
Die Schwierigkeiten der Kleinsiedlung in Süd=
afrika verkenne ich, insbesondere angesichts der Er-
fahrungen der Engländer in den eroberten Buren-