Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

— 402 
Über die kriegsgefangenen Eingeborenen 
berichtet Gouverneur v. Lindequist unter dem 
17. April d. Is., wie folgt: 
Am 6. April besichtigte ich den Hererosammelplatz 
Otjihgenena, der unter dem Missionar Diehl jun. steht. 
Am Ploatz waren über 1200 Hereros, von denen 
immer noch Patrousllen sowohl ins Sandfeld als 
auch in die Onjati-Berge und weiter nördlich bis 
in die Gegend von Waterberg gehen. Der Zuzug 
dauert fort, doch ist es auch vorgekommen, daß 
solche Patrouillen von feindlichen Hereros überfallen 
und erschlagen worden sind. Ich sehe es neben der 
zahlreichen Gestellung von Hereros auch als einen 
Erfolg an, daß die Hereros bereits gegeneinander 
kämpfen, und lasse Patrouillen von Kriegsgefangenen 
auch gegen Viehräuber, dle in den Onjati-Bergen 
siben sollen, entsenden. Hierdurch wird viel deutsches 
Blut gespart. 
Die große Zahl der in Otilhaenena befindlichen 
Hereros erklärt sich daraus, daß oft einzelne Mit- 
glieder einer Familie krank sind, diese aber nicht 
voneinander getrennt werden sollen. Noch immer 
besteht eine gewisse Furcht vor dem Aufenthalt in 
Lüderitzbucht, doch bewirkte meine Versicherung, daß 
sie nunmehr nicht an der Küste, sondern weiter im 
Innern verwendet werden, warme Kleidung und bis 
zu 10 Mk. monatlich erhalten sollen, daß sich an 
einem Tage 20 Famillen frelwillig für die Eisenbahn- 
arbelt im Süden meldeten. 
Die meisten der kürzlich aus dem Felde ge- 
kommenen Hereromänner und Frauen waren so ab- 
gemagert und entkräftet, daß eine sofortige Ver- 
wendung zur Arbeit nicht möglich ist. Sie verbleiben 
daher in der Regel zunächst mehrere Wochen in dem 
Lager, bevor sie abgegeben werden. Die Kinder 
husteten sämtlich stark. 
Auch in Omburo stellen sich weitere Hereros, 
so daß es möglich war, am 12. April wiederum 
68 Männer, 70 Weiber und 62 Kinder für den 
Bahnbau nach Lüderitzbucht zu senden. 
Die Zahl der Hereros, die sich seit Beginn des 
Jahres allein in Omburo und Otjihaenena gestellt 
haben, beträgt nunmehr rund 6000 
Die Heranzlehung der Hereros zur Arbeit 
während der Krlegsgefangenschaft ist für dieselben 
sehr heilsam, ja es ist geradezu ein Glück für sie, 
daß sie, bevor ihnen die volle Freiheit zurückgegeben 
wlrd, arbeiten lernen, da sie sonst sich voraussichtlich 
weiter arbeitsschen im Lande herumtreiben und, 
nachdem sie ihren ganzen Rinderbestand verloren 
haben, ein elendes Leben fristen würden. Die Er- 
fahrung, die bisher mit ihrer Arbeit gemacht ist, 
ist fost durchweg eine gute. Es hat den Anschein, 
daß die überwiegende Mehrzahl dleselbe in kelner 
Weise als eine Qual empfindet, sondern sie dem 
bisherigen elenden Leben im Felde vorzieht. Da 
aufs strengste darauf gesehen wird, daß die Kriegs- 
gefangenen gerecht behandelt werden, sie außerdem 
  
reichliche Nahrung und hinreichende Kleidung er- 
halten, so ist es nicht zu verwundern, daß sie die 
Gefangenschaft dem bisherigen Leben im Felde vor- 
ziehen. Trotzdem ihnen eine ziemlich große Freiheit 
bei ihren Gängen zu und von der Arbeit und 
während derselben gelassen wird, sind die Fälle, in 
denen Kriegsgefangene entlaufen, sehr vereinzelt. 
Die Hereros erhalten jetzt, nachdem sie 6 Monate 
in der Gefangenschaft gewesen sind, einen Monats- 
lohn in barem Gelde, solche, die sich durch Fleiß 
und gutes Betragen auszeichnen, erhalten den Lohn 
schon vor dieser Zeit. Herr Missionsinspektor 
Spieker, der sich seit mehreren Monaten auf einer 
Inspektionsreise im Schutzgebiet aufhält, hat sich dahin 
ausgesprochen, daß für die Gefangenen alles nur 
mögliche getan würde. 
Auch die Hottentotten erweisen sich bisher als 
bessere Arbeiter, als man angenommen hatte. Die- 
selben sind bisher in der Weise verteilt, daß die 
Witbols in Windhruk stationiert sind, wo eine große 
Anzahl zu Wegearbelten und Legung der Wasser- 
leltung verwandt wird. Die Leute des Cornelius 
von Bethanien werden in Kariblb bel der Bahn 
beschäftigt, während die Feldschoendragers der neuen 
im Eatstehen begriffenen Kleinsiedlung in Osonna 
bei Okahandja zugeteilt sind. Uberall ist bei den 
Gefangenen das Prinzip gewahrt, vaß die Familien 
nicht getrennt werden. Zur Vorbereitung für die 
später in Aussicht genommene Paßverordnung der 
Eingeborenen werden die Kriegsgefangenen schon jetzt 
registriert. 
über einen versuch mit Rleinstedlungen bei Ozona 
(Okahandia) 
berichtet Gouverneur v. Lindequist, wie folgt: 
In den letzten Monaten habe ich das für Acker- 
und Gartenbau vorzüglich geeignete Gebiet um 
Ozona bei Okahandja in 30 Heimstätten von durch- 
schnitilich 10 ha aufmessen lassen, um dadurch auch 
wenig Bemittelten eine Gelegenheit zur Ansiedlung 
zu geben und einen Anfang damit zu machen, daß 
dle Bedürfnisse des Landes an Acker= und Garten- 
erzeugnissen in größerem Umfange als bisher im 
Lande selbst produzlert werden. 
Die Bedingungen für den Erwerb der Heim- 
stätten sind aus der Anlage ersichtlich. 
Von den 30 Heilmstätten sind 5 berelts von 
tüchtigen, zuversichtlichen Leuten Iin Bewirtschaftung 
genommen. Auf alle übrigen Heimstätten liegen 
Kaufanträge vor. Unter den schon ausässigen An- 
siedlern befinden sich 3 aus den deutschen Klein- 
siedlungen in der Kapkolonie, und es ist begründete 
Aussicht vorhanden, daß diese noch weitere Deutsche 
aus der Kapkolonie nach sich ziehen werden. 
Die Schwierigkeiten der Kleinsiedlung in Süd= 
afrika verkenne ich, insbesondere angesichts der Er- 
fahrungen der Engländer in den eroberten Buren-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.