auch kleinere Diebstähle kommen nur selten vor.
Mutige Frauen können jetzt von einer Station zur
anderen drei Tage lang allein reisen. Diese Ruhe
und Sicherheit der Karawanenrelsen ersparen der
Mission viele Mühe und Sorge; sie verschaffen ihr
eine Postbeförderung alle 2 Wochen, während man
früher 2 Monate warten mußte.
Die groben Auswüchse heidnischer Barbarei sind
zwar noch nicht verschwunden, aber man sieht sie
deutlich zurückgehen. Vor 10 Jahren waren Kriege
mit den Nachbarstämmen und das Wiederauflodern
alter Fehden an der Tagesordnung. Einen Nachbar
zu beschuldigen, war in der Regel nicht die letzte
Zuflucht, sondern die erste. Der Starke lebte auf
Kosten des Schwachen. Jeder trug Gewehr, Speer
und Messer bei sich; niemand wagte, sein Dorf zu
verlassen und an die Küste oder weiter ins Innere
zu gehen. Ein Stamm war gegen den anderen,
Streit und Kampf hörten nicht auf. Heute ist es
ganz anders. Messer, Speer und Gewehr, wenn
sie nicht buchstäblich in Pflugschar oder Sichel ver-
wandelt sind, rosten in den Hütten oder werden doch
nur noch zur Jogd gebraucht. Alte Feinde leben,äußer-
lich wenigstens, als Freunde. Sie kaufen und ver-
kaufen, sie heiraten untereinander, während fie doch
früher wie Jude und Samartter zueinander standen.
Es soll nicht behauptet werden, daß diese Ver-
wandlung vollen Bestand hätte, wenn der Druck der
Regierung aufhörte, und die Beamten sich nicht mehr
um die Beschwerden kümmerten und auf ihre Ab-
stellung bedacht wären. Die Stämme sind ohne
Zweifel nicht fähig, sich selbst zu regieren; sie würden
wahrscheinlich wieder zu den Waffen zurückkehren.
Aber Dutzende, ja Hunderte sind jetzt gegen dieses
Verfahren und ziehen es vor, mit Abraham zu
sprechen: „Lieber, laß nicht Zank sein zwischen mir
und dir!“ Ein brüderlicher Sinn ist in viele Herzen
eingezogen und übt einen bedeutenden Elnfluß auf
das Zusammenleben der Leute aus.
Das Gewerbe der Zauberdoktoren und
Quacksalber geht sichtlich zurück. Ihr schädliches
Treiben ist noch nicht abgetan, aber es ist nur noch
eine Frage der Zeit, wann das der Fall sein wird.
Hunderte benutzen den Ngi (Medizinmann) nicht
mehr. Sie verabscheuen jene Behandlung, bei der
ein Mensch krank werden mußte, wenn er es nicht
vorher schon war. Statt dessen sagte eine ein-
geborene kranke Frau vot einigen Tagen zu mir:
„Ich möchte, daß du für mich betest. Gott ist der
Höchste, er vermag mehr als Medizin.“ Die Leute
sind sehr für die auf den Missionsstationen geübte
ärztliche Behandlung eingenommen; sie kommen von
weit her und füllen das Krankenhaus. Die Be-
reitung und Anwendung der alten Zaubermittel
wird nicht nur als nutzlos erkannt, sondern geradezu
als Sünde angesehen. Die Künste des Zauberdoktors,
elnst abergläubisch verehrt und gefürchtet, werden
allmählich zum Gespött. ·
Auch die Sitte der Vielweiberei kommt in
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Abnahme. Früher wurden die Frauen und Mädchen
allgemein gekauft und verkauft; sie standen in einem
menschenunwürdigen Sklavenverhältnis zum Manne.
Von einem Famtlienleben war keine Rede, ihre soziale
Lage ein unbeschreibliches Elend. Die Grundlagen
dieser verkehrten Einrichtung werden jetzt erschüttert.
Es wird Tag auch auf diesem dunkelen Gebiet.
Die Vielweiberei wird von Obrigkeits wegen er-
schwert. In Unterricht und Predigt wird den Leuten
der Segen der Monogamie vorgehalten, und das
häusliche Leben der Missionare wirkt wie ein An-
schauungsunterricht. Wenn ein Mann kommt und
Christ werden will, so wird ihm von Anfang an zu
verstehen gegeben, daß ihm das nur als Mann einer
einzigen Frau gelingt.
In der christlichen Gemelnde wird kein Bigamist
geduldet. Wem es zu schwer wird, auf die mit der
Vielweiberei verbundene größere Bequemlichkeit zu
verzichten, tritt eben nicht ein. Andere aber bringen
das Opfer, das mit dem Christwerden verbunden
ist. Erst letzten Sonntag kam ein Mann, der zwei
Frauen hatte — er war etwa 30 Jahre alt — und
sagte: „Mich verlangt nach den göttlichen Dingen."
Er hat eins von den beiden Welbern aufgegeben,
auch sonst manches überwunden und folgt demütig
und freudig seinem neuen Herrn. Wir haben schon
viele junge Männer, die sich seit Jahren zu Kirche
und Schule halten und in diesem Punkte den Wandel
ihrer Väter verließen; sie haben christliche Ehen ge-
schlossen, und ihre Kinder wachsen in Liebe, Treue
und Reinheit auf. Sie erfreuen sich der Vorzüge
eines monogamischen Elternhauses. Man erkennt
hier deutlich, wie das Christentum das Volksleben
von altem Unrat reinigt.
Auch die auf Erziehung der eingeboren Jugend
hinzielenden Bemühungen der Mission haben Fort-
schritte gemacht. In Elat, wo vor 10. Jahren die
benachbarten Dörfer nur 30 Jungen zur Schule
schickten, die auch noch Bezahlung für ihr Kommen
verlangten, stellen sich jetzt täglich über 400 ein, und
diese bezahlen bereitwillig etwas; manche von ihnen
kommen mehrere Stunden weit. Hatten wir erst nur
20 Kostschüler, so jetzt 150; und wir könnten viel
mehr haben, wenn wir nicht im Platz u. dgl. beschränkt
wären. Die günstige Situatlon erklärt sich dadurch,
daß die Angehörigen verschiedener Stämme ohne
Gefahr miteinander verkehren; auch empfiehlt sich
die Schule von selbst durch die Fortschritte, welche
ihre Zöglinge machen, namentlich auch im deutschen
Sprachunterricht. Es gilt schon als Schande für
einen Knaben, nicht lesen und schreiben zu können.
Auf jeder der Stationen im Innern besteht auch
eine Mädchenkostschule. Diese Institute haben
die Aufgabe, die künftigen Frauen und Mütter
heranzuzlehen. Da sie hier verhältnismäßig leicht
vor den schädlichen Einflüssen ihrer früheren Um-
gebung bewahrt werden, so darf man sich hinsichtlich
der Zukunft des bisher so tief stehenden weiblichen
Geschlechts gewiß guten Hoffnungen hingeben.