Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

heiten Hand in Hand, die „British South African 
Company“ verwaltet und deckt einen Tell ihrer 
Ausgaben durch Einnahme aus Post und Telegraphen= 
einrichtungen und Steuern; die „African Lakes 
Corporation“ transportiert, was hier zu Lande über- 
haupt transportiert werden muß. Die erstere Ge- 
sellschaft genießt bei der letzteren in allen geschäft- 
lichen Angelegenheiten, Transport ihrer Güter, Reisen 
ihrer Beamten, Vorzugspreise, dafür begibt sie sich 
jeglicher Konkurrenz im Transportwesen. Beide 
Gesellschaften zahlen den Trägern dieselben Löhne, 
dieselben Poschosätze und in derselben Weise, nie bar, 
stets nur in Kaniki oder in Amerlcano. Die Boys, 
Köche, Diener beider Gesellschaften erhalten dieselben 
nledrigen Lohnsätze; beide Gesellschaften haben ver- 
elnbart, so wenig wie nur irgend angängig Kupfer- 
münzen ins Land zu bringen. Daher kennt der 
Eingeborene nur Silbergeld und er weiß, daß er 
eine große Quantität Arbeit leisten muß, ehe er auch 
nur die kleinste Silbermünze verdient hat. Da an- 
dere Gesellschaften, kaufmännische Unternehmungen 
und eine Regierung sonst nicht vorhanden sind, 
so kennt der Neger Lohndifferenzen bei verschiedenen 
Herren gar nicht. Will er bei der einen Gesellschaft 
nicht arbeiten, die andere gibt ihm keinen Heller 
mehr und nimmt ihn gar nicht. Hunger tut aber 
weh, und da das Land an Bodenproduktion nicht 
sehr gesegnet ist und Hungersnot fast immer droht, 
o ist der Neger froh, wenn er bei einer der 
beiden Gesellschaften unterkommt. Daher die niedrigen 
Löhne im Gegensatz zu den in unserem Schutzgebiet 
gezahlten. Denn wenn hier ein Neger glaubt, nicht 
genug Lohn an einer Stelle zu erhalten, dann geht 
er an eine andere. Er bringt zu letzterer das mit, 
was er bel ersterer gelernt hat, und wird besser be- 
zahlt. Da in unserem Schutzgebiet zu verschiedene 
Elemente an zu verschiedenen Strängen ziehen, so 
überbietet einer den andern. Ein Beweis dafür war 
der von mir vor einigen Jahren gemochte Versuch, 
die Löhne der Bah#rias im Gouvernement um nur 
2 Rupien monatlich herunterzudrücken. Ich glaubte, 
alle — insbesondere die Kaufleute — würden 
diesem Beispiel freudig folgen; es war ein schmerz- 
licher Irrtum. Die Kaufleute gerade verdarben die 
Sache. Die Baharias entliesen dem Gouvernement, 
die Kaufleute engaglerten sie sofort für um mehrere 
Rupien höhere Löhne. 
Was nach diesen Ausführungen die Eingeborenen 
den Europäern gegenüber so vertrauensselig macht, 
das ist in der Hauptsache das einheitliche System, 
nach dem die beiden einzigen Besitzer des Landes 
und Handels und Verkehrs wirtschaften. Die Eng- 
länder in Rhodesia und Zentralafrika sagen auch 
stolz: „The African Lakes has the confidence 
#Of the natives. . 
Dieses Zutrauen der Neger macht das Relsen 
angenehm. Die Stevenson Road ist nicht einsam 
und das Land rings,entvölkert, weil die Eingeborenen 
ihre Dörfer welter ins Innere verlegt hätten. Die 
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Dörfer liegen vielmehr sehr häufig direkt an der 
Straße. Die vorüberziehende oder dort logernde 
Karawane findet immer am Wege die Eingeborenen 
dieser Dörfer mit Nahrungsmitteln, Hühnern, Eiern, 
Milch usw. handelnd. Der Träger kauft so im 
Vorbelgehen täglich seinen Bedarf an Lebensmitteln. 
Die Eingeborenen lassen sich ohne Scheu mit dem 
fremden weißen Manne in ein Gespräch ein, lassen 
sich und ihre Kleidungsstücke in Augenschein nehmen, 
lachen und sind fröhlich und gefällig. Selbst die 
kleinen Kinder laufen nicht fort oder schrelen, und 
niemals habe ich nötig gehabt, ihnen zuzurufen, was 
man bei uns häufig muß: susikimbie. 
Wie bereits gesagt, sind die Eingeborenen jener 
englischen Besitzungen zwischen dem Tanganjlka und 
Nyassa ebensowenig Berufsträger als es die Be- 
völkerung der Waheiasultanate oder der Provinzen 
Urindi und Ruanda ist. Ackerbau und Viehzucht 
ist ihre eigentliche Beschäfttgung. Um sie dem 
Trägerdienst aber willig zu machen, haben „British 
Souih African Company“ und „African Lakes 
Corporation“ gemeinsam eine äußerste Gewichts- 
grenze flir eine Trägerlast einschließlich der chakula 
des Trägers, 56 Pfund englisch festgesetzt. Damit 
waren die Eingeboren zufrieden. Charakteristisch für 
die Stellung beider Parteien — Arbeitgeber und 
Träger — zuelnander ist die Art, mit welcher die 
Anwerbung der Träger vor sich geht. Die Altesten 
verschiedener Dörfer werden durch Polizisten auf- 
gefordert, so und so vlele Träger zu stellen. Sie 
erscheinen mit ihnen vor dem Native Com- 
missioner. Dieser trägt Dorfschaft und Namen jedes 
Trägers in ein Buch ein, und dann erhält jeder 
Träger das Poscho für die Hinreise. In meinem 
Falle betrug dieses 2 Yard Kaniki. Das ist ge- 
wissermaßen das Handgeld, und mit seiner Annahme 
erklärt der Träger, daß er willens sei, die von ihm 
verlangte Trägerarbeit zu verrichten. Erscheint er 
dann nicht zur festgesetzten Zeit des Abmarsches oder 
entläuft er, so droht dem Dorfältesten seines Dorfes 
strenge Bestrafung, falls es letzterem nicht gelingt, 
den Entlaufenen zurückzubringen. Dieser erhält 
melstens 20 Hiebe und zweimonatliche Kettenarbett. 
Mit dem empfangenen Poscho kauft der Neger seine 
Nahrung ein; man ist zu weiteren Zugeständnissen 
hinsichtlich der Verpflegung der Träger nicht ver- 
pflichtet; doch wird es nicht ungern gesehen, wenn 
man durch Ankauf von Hammeln hin und wieder 
seine Großmut betätigt, oder durch Extrarationen 
den Hunger der Träger stillen hilft. Ich stand 
während meiner Reise unter dem Eindruck, als sei 
das Poscho von 2 Yards Kaniki pro Träger von 
Abercorn bis Karonga zu gering. Jedenfalls habe 
ich besonders in den letzten Marschtagen vor Karonga 
mehrmals durch Extroeinkäufe von Lebensmitteln die 
Leute direkt vor Hunger schützen müssen. Es ist 
aber möglich, daß es zu andern Jahreszeiten besser 
ist. Die Umstände waren meiner Reise ja nicht 
gerade günstig; denn erstens marschierte ich in der
	        
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