Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

zeitigt. Im Anfang des Jahres stattete der Emir 
von Kano einen Besuch in Zunguru ab, um hier- 
durch seine Ergebenheit und friedliche Gefinmung zu 
bezeugen. Auch erschien eine Gesandtschaft von 
Sokoto, dessen Sultan noch vor Jahresfrist be- 
waffneten Widerstand geleistet hatte. 
Am 8. April wurde ein Vertrag mit Frankrelch 
unterzeichnet, der die Nordgrenze Nigerias zu 
ankreichs Gunsten abändert. 
Im Laufe des Jahres herrschte große Hungers- 
not in vielen Teilen der Kolonie. Besonders waren 
Hola und Banchi in Mitleidenschaft gezogen. Der 
rund war außergewöhnliche Trockenheit und Brand 
des Getreides. Brand hat man erst in letzter Zeit 
Nigeria kennen gelernt, und gewöhnlich wird er 
burch zeitigen heftgen Regen entfernt. In Höhen- 
lagen mit starken Niederschlägen ist er unbekannt. 
Obgleich der Handel unter der Hungersnot litt, hat 
Bornu viel Getreide nach den Gongoladistrikten 
ausgeführt. Hierbel haben die Produzenten große 
Verdienste gehabt, da sie mit Schafen bezahlt wur- 
en, die in dieser Gegend sehr zahlreich sind und 
die die Bevälkerung nicht selbst essen mag. Die 
ussichten für die Zukunft sind nicht günstig, da 
große Teile der Bevölkerung kein Saatkorn besitzen 
und zu schwach sind, die Felder zu bestellen. 
Der Bericht führt aus, daß, da die Kolonie nicht 
an das Meer grenzt, es unmöglich ist, ohne direkie 
teuern auszukommen. Bei ihrer Einführung hat 
man sich möglichst an die bestehenden Bräuche ge- 
halten und nur solche Neuerungen eingeführt, die die 
Einziehung einfacher und billiger gestaltete. 
Uber die Wirkung dieser Maßnahme, die sich 
bewährt hat, heißt es: Eine mäßige Steuer regt 
zur Tätigkeit an, und Anregung ist in einer Gegend 
nötig, in der eln Druck der Überbevölkerung nicht 
besteht, da weite Flächen infolge der früheren Miß- 
wirtschaft entvölkert sind, und in der die Fruchtbar- 
eit des Bodens und die Frauenarbeit den Männern 
reiche Muße gewährt. 
.Die Hungersnot, die die Bevölkerung zum Ver- 
kauf ihrer Kinder bewog, hat den Sklavenhandel 
stark anwachsen lassen. 564 Sklaven sind befreit 
worden. Im Heim für freigelassene Farbige in 
Zunguru befanden sich am 1. Januar 1904 194 
Inwohner. Im Lause des Jahres wurden 217 
neu ausgenommen und 228 schieden aus, darunter 
92 durch Tod. Diese hohe Sterblichkeitsziffer ist 
darauf zurückzuführen, daß die Kinder häufig in 
hoffnungslosem Zustande ankamen. 
Im Februar 1904 wurde ein zweltes Heim in 
Bornu eröffnet. Von den 142 Inwohnern, die bei 
Eröffnung vorhanden waren, waren 112 unter 
11 Jahren, 19 waren Mäbchen von 12 bis 20 
hren und 5 erwachsene Frauen. Im Laufe des 
res wurden noch 25 Personen ausgenommen. 
Bon diesen 167 starben 42. 
Die Einrichtung von Eingeborenengerichten bat 
Fortschritte gemacht. Ende 1904 bestanden deren 
  
447 — 
80. Das vorzügliche Verhalten der Gerichte in 
Sokoto und Kano ermöglichten es, ihnen das Recht 
zu geben Todesurteile zu fällen. Zu ihrer Voll- 
streckung bedarf es jedoch der Bestätigung des 
Residenten. 
Die Gesamtbevölkerung der Kolonie wird auf 
über 9 Millionen Seelen geschätzt. » 
Erwähnt wird das Anwachsen des Handels. 
Die Gummiausfuhr hotte im Jahre 1902 einen 
Wert von 22 000 &, im Jahre 1904 einen Wert 
von 94 000 E. Der Bericht spricht jedoch die Be- 
fürchtung aus, daß arger Raubbau getrieben wird. 
Die „Britich Cotton Growing Association“ 
hat im Anfang des Jahres einen Sachverständigen 
herausgesandt, der aber gleich nach seiner Ankunft 
wieder abberufen wurde. Er hat sich sehr aner- 
kennend über die von ihm durchreisten Gegenden 
ausgesprochen und die Baumwollkultur in Nord- 
nigeria für aussichtsreicher als in jeder anderen 
westafrikanischen Kolonie erklärt. Ein anderer Sach- 
verständiger ist Anfang 1905 eingetroffen; Proben 
von Baumwolle find aus jeder Provinz an die 
Assoziation gesandt worden, über die ihr Sachver- 
ständiger folgendes Urteil gefällt hat: „Ich kann 
sagen, daß die Baumwolle von vorzüglicher Qualität 
mit gutem langem Stapel zu sein scheint und gerade 
eine Klasse aufwelst, die wir hier nötig haben. 
besteht kein Zweifel, daß Nordnigeria einer großen 
Zukunft entgegengeht, wenn wir den Handel mit 
solcher Baumwolle zur Entwicklung bringen.“ 
An der deutschen und französischen Grenze sind 
ZBollstationen errichtet worden, auch ist jeder Resident 
Zollbeamter. Während das Jahr 1902/08 keine 
Einkünfte aus Zöllen aufzuweisen hatte, belaufen sie 
sich für 1908/04 auf 6463 K. 
Während im Jahre 1908 von 309 in der 
Kolonie lebenden Europäern 18 starben, sind 1904 
von 322 nur 13 gestorben. Die Sterblichkeit unter 
den nichtbeamteten Weißen ist sehr viel größer als 
unter den beamteten. Dies ist, wie der Bericht 
sagt, teils darauf zurückzuführen, daß bei der Aus- 
wahl der Beamten mehr Sorgfalt verwendet wird, 
teils daß ihre Dienstzeit eine kürzere ist und sie 
bessere Wohnungen haben. 
Die Versuche mit Eingeborenenimpfungen gegen 
Pocken sind, wenn auch mit geringem Erfolg, fort- 
gesetzt worden. Die Bevölkerung verhält sich hier- 
gegen gleichgültig, da die Mohammedaner in einigen 
Gegenden den Eingeborenen erklären, das Impfen 
sei gegen den Willen Gottes und ein Zeichen der 
Skloverei. « - 
Die Church Missionary Society unterhält in 
den Provinzen Kabba und Nupu je zwei, in Bassa 
8 Stationen mit 3 Europäern und 7 eingeborenen 
Helfern. Ferner befindet sich in Ghirku eine Nieder- 
lassung mit 2 Doktoren und 3 Geistlichen, die 
Haussamission trelben. Die Kanadische Mission hat 
ihre Niederlassungen in Patyi in der Provinz
	        
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