Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

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Ist ober die erste Überraschung vorbei, und der Be- 
sucher setzt sich zum Betelkauen nieder, so gewinnt 
der Ton an Wärme. Die Augen erglänzen, der 
Mund räuspert sich jeden Augenblick; die gewonnene 
Betelsauce wird anscheinend nur immer ausgespuckt, 
um wieder neuen Quantitäten Pfefferblättern, in 
denen ein mit Kalkstaub bedecktes Stück Areka ent- 
halten ist, Platz zu machen. Die Nachricht von der 
Ankunft eines Besuchers dringt bald in die Pflanzung 
und in die nächsten Gehöste. Männer und Kinder, 
zuwellen auch Frauen, erscheinen aus Neugierde. 
Die Ankommenden grüßen nicht, sondern kauern sich 
sofort auf den Boden in der Nähe des Besuchers 
und halten sich eng aneinander. Der Hausherr be- 
schenkt auch sie mit Areka und Pfefferblättern. Der 
Besucher führt das Gespräch mit dem Hausherrn 
allein. Erst später, wenn durch Zeichen und nach 
langem, geheimnisvollem Hin= und Herflüstern und 
nicht zum geringsten, wenn der Betel seine Wirkung 
getan hat, richtet der eine oder andere das Wort 
an den Besucher, der natürlich beim Anblick der 
vielen Anwesenden nicht wenig stolz ist. Die Kinder 
öffnen den Mund nicht, sie hocken auf den Fersen 
und sind nur Auge und Ohr, damit ihnen kein Wort 
entgehe. Bald kommen auf Befehl des Hausherrn 
die Weiber aus den Hütten mit Netzen und Trag- 
bändern. Sie gehen, gefolgt von den Kindern, in 
die Pflanzung, um Taros, Gemüse und Holz zu 
holen. Mittlerweile schleppen einige junge Burschen 
Bananentrauben in den Hofraum, zu deren Zube- 
reitung jeder mithilft. Ist das Festmahl, das meistens 
beim Dunkelwerden eingenommen wird, vorüber, so 
setzen sich nicht selten die Leute zusammen, um zu 
singen und zu tanzen bis tief in die Nacht hinein. 
Am nächsten Morgen kann man dann häufig die 
Leute in wirrem Knäuel am Boden um das Feuer 
ausgestreckt sehen. 
Begegnen sich zwel Baininger oder tritt jemand 
in ein fremdes Gehöft oder Haus, so beginnt gleich, 
ohne vorherige Begrüßung, ein kleines Gespräch, in 
welchem sie sich gegenseitig nach ihrem Woher und 
Wohin ausforschen. Stummes Vorbeigehen oder 
unerwidertes Anrufen würden als Unhöflichkeit oder 
Feindschaft aufgefaßt. Beim Abschied dagegen ist 
es Gebrauch, daß der Fortgehende ohne irgend welche 
Verneigung oder Handdruck sagt: 2Sa#goa tit“ (ich 
gehe), worauf ihm die Zurückbleibenden antworten: 
„Sai gie tit!“ (du gehstl) 
Belleidung. 
Man wäre versucht zu glauben, daß der Bai- 
ninger auf seinen Bergen, wo es nachts und an 
regnerischen Tagen recht empfindlich kühl werden 
kann, eine Art Bekleidung ausfindig gemacht hätte, 
um sich gegen Kälte und Unwetter zu schützen. Und 
dies läge um so mehr in seiner Macht, da er ja in 
der Tapaanfertigung zu seinen grotesken Tanzgegen- 
ständen eine große Fertigkelt an den Tag legt. Doch 
ist ihm dieses, wenigstens dem Eingeborenen im nord- 
  
östlichen Teile Bainings, sonderbarerweise noch nicht 
in den Sinn gekommen. Die West-Baininger dagegen 
tragen schmale Lendengurte aus einer Art Rindenstoff, 
die sie mit hübschen Zeichnungen versehen, und deren 
beide Enden rückwärts herabhängen. Hierin gleichen 
sie der Küstenbevölkerung im Osten und Süden 
Neu-Pommerns und der von andern Inseln der 
Südsee. Freilich gegen Kälte schützt auch diese Be- 
kleidung nicht. Das welbliche Geschlecht trägt in 
West-Baining dieselbe Bekleidung, wie im Osten und 
Norden der Gazelle, nur besteht hier die eigentüm- 
liche Gewohnhelt, daß die Frauen vorn über der 
Brust ein netzartiges Körbchen tragen, das bis auf 
die Oberschenkel herabfällt. Wie man mir sagte, 
und wie ich selbst ersehen konnte, dient ihnen das- 
selbe auch zugleich zum Aufbewahren von Eßwaren 
und Kaumaterial. 6 
Die männlichen Baininger, welche vom Weber- 
hafen bis unterhalb Kap Lambert (Tongilus) auf 
den Bergen wohnen, sind völlig unbekleidet. Erst 
in neuerer Zeit fangen die Leute an, ein Lendentuch 
aus europälschen Stoffen zu tragen, die sie von 
Eingeborenen am Ufer oder von Weißen für Taros 
erhandeln. Doch treibt sie dazu weder das Bedürfnis, 
sich gegen Kälte zu schützen, noch das Schamgefühl. 
Es ist eben so Mode und lenkt die Blicke anderer, 
die nicht so glücklich find, mit einem bunten Fetzen 
zu prunken, auf sich. Bei Festlichkelten oder 
sonstigem Zulauf von Eingeborenen ist es gar keine 
Seltenheit zu sehen, wie besonders die älteren Leute 
eln neues Lendentuch wie Kellner ihre Serviette auf 
dem Arme oder der Schulter tragen oder wie einen 
Turban um den Kopf gewickelt haben. Selbstredend 
tragen auch die kleinen Kinder nicht mehr Kleldung 
als die Alten. 
Die Frauen sind stets, wenn auch nur notdürftig 
bekleldet, doch besteht die ganze Bekleldung nur aus 
einer Unzahl geflochtener kleiner Schnüre, die als 
Gürtel die Hüften umschlingen, und woran vorn ein 
Büschel Farren, hinten ein Bündel zersplissener 
Drozänenblätter herabhbängen. Im Süden von 
Mandres und auf den Bergen im Patongogebiet 
sowie in Gawit trägt das weibliche Geschlecht anstatt 
der Farren und Drazänenblätter ein Kissen aus ver- 
schiedenen Gräsern, das sie jedesmal, bevor sie sich 
setzen, immer erst zurechtlegen. Anstatt der gefloch- 
tenen Schnüre gebrauchen sie rot und weiß gefärbten 
gesplissenen Rotang. Die Baininger Frauen halten 
starr an ihrem primitiven Grasschurz und vertauschen 
ihn nur ungern mit einem Lendentuch. 
An Regentagen und auch während des Kochens 
trifft man häufig die Weiber bei der Anferiigung 
ihrer Grasröcke an. Die Herstellung der Schnüre 
verlangt die meiste Zeit. Sie benutzen dazu den 
Bast des uvuga, eines sehr rasch wachsenden weichen 
Baumes, der in den Taropflanzungen massenweise 
emporschießt. Man nimmt bloß den Bast von ganz 
jungen Bäumchen, die eine Höhe von 1 bis 2m 
erreicht haben. Zuerst wird die rauhe Rindenmasse
	        
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