Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Unter-Guinea mit Dahomey. Überall erhob sich 
zunächst die Frage, welche Baumwollsorte als die 
geeignetste betrachtet werden müsse, ob amerikanische 
oder ägyptische einzuführen oder eine der vorhan- 
denen einheimischen zu veredeln sei. Weiter war 
Gegenstand eingehender Erwägung, wie die Kultur 
am besten bewerkstelligt werden könne, ob sie selb- 
ständig den Eingeborenen zu überlassen und nur 
unter Aufsicht und Anleitung besonderer Agenten 
zu stellen oder ob die Anlage von Plantagen vor- 
zuziehen sei. Man entschied sich in beiden Fragen 
dahin, möglichst alles zu erproben. 
Die Anpflanzung guter amerikanischer Sorten 
stellte sich überall als unbedingt notwendig heraus. 
Die Veredelung der einheimischen würde zu um- 
ständlich und schwierig gewesen sein. Ebenso ergab 
sich zumeist die Notwendigkeit, die besseren amerlka- 
nischen Sorten nur von Europäern in Kultur 
nehmen zu lassen, da, wie sich herausstellte, die 
Eingeborenen zumeift aus Mangel an dem nötigen 
Handwerkszeug, Bewässerungselnrichtungen u. dol. 
nicht in der Lage waren, den Boden genügend 
intensiv zu bearbeiten. 
Im einzelnen mußte für jedes Versuchsgebiet 
besonders der geeignetste Samen, die beste und 
zweckmäßigste Anlage der Felder, die richtige Zeit 
für Aussaat und Ernte unter Berücksichtigung der 
besonderen klimatischen Verhältnisse, die Art, Dauer 
und Häufigkeit der Bewässerung usw., kurz alles, 
was eng mit der eigentlichen Kultur der Baum- 
wolle zusammenhängt, ausprobiert werden. Über 
diese Einzelheiten der Versuche finden sich in der 
Abhandlung ganz genaue Angaben. Man gewinnt 
aus ihnen den Eindruck, daß bei den Versuchen ein 
erstaunliches Maß zielbewußter, nach vorher genau 
erwogenen Plänen verfahrender Arbeit geleistet ist, 
die einheitlich von einer Zentrale aus geleitet wurde. 
Ülber die Ergebnisse ist im einzelnen folgendes 
zu bemerken. 
Im Senegalbecken wurden auf zwel Versuchs- 
seldern von 34,462 Acres in zwei Ernten etwa 
9500 ks Baumwolle geerntet. Die hierbei ge- 
sammelten Erfahrungen gestatten den Schluß, daß 
neben der Kultur durch Europäer auch eine solche 
der Eingeborenen möglich sein wird. Der Schwarze 
des Senegaltales ist an sich ein guter Landwirt, 
wie seine Pflanzungen von Tabak, Mais usw. be- 
weisen, und die von ihm durchschnittlich ausgewandte 
Sorgfalt genügt, eine Baumwolle von der Güte 
einer mittleren amerikanlschen Art zu erzeugen. 
Dneen muß eine möglichst intensive Europäer= 
4. tur betrieben werden mit dem Leitsatz: pro- 
uetion intensive du type cultural de cotonnier 
fourniesant par hectare le plus fort rendement 
en argent. Und zwar sind hierbel zwei Kultur- 
arten zu unterscheiden; die Kultur in der Regenzeit 
und die Kultur in der trockenen Jahreszeit. 
Namentlich bei letzterer, zum Teil aber auch schon 
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bei ersterer Art hüngt alles von der Bewässerung 
ab. Auf sie ist also das Hauptaugenmerk zu richten. 
Im Nigerbecken wurden die Versuche zugleich 
mit denen der Verwaltungsbehörden vorgenommen. 
Deshalb erstreckten sich die Versuche der Association 
besonders darauf, den Eingeborenen zur Produktion 
amerikanischer Baumwolle zu bringen. Die von 
den Eingeborenen berelts hervorgebrachte Baumwolle 
genügt zwar nach dem Gutachten der Sachverstän- 
digen für einen Teil der französischen Bedürfnisse, 
aber es war erwünscht, ein möglichst vollkommenes 
Material zu schaffen. Nach den Versuchen der Re- 
gierung kann es auch nur als eine Frage der Zeit 
angesehen werden, daß es in den am meisten be- 
günstigten Landesteilen gelingen wird, durch Ein- 
geborenenkulturen Baumwolle zu produzieren, die 
der amerikanischen gleichwertig ist. Als besonders 
bemerkenswert bei diesen Versuchen ist noch hervor- 
zuheben, daß 67 ha — im ganzen wurden etwa 
100 ha bepflanzt — einem Eingeborenenhäuptling, 
der sich dafür besonders zu eignen schien, unterstellt 
wurden unter der Oberaufsicht des Chefs des ger- 
vice de P’agriculture du Haut-Senegal et Niger. 
Leider war das Gesamtergebnis der Versuche 
infolge der ausnahmsweise ungünstigen klimatischen 
Verhältnisse des Jahres 1904 sehr gering. Dabei 
litten die Kuliuren der Eingeborenen mit einhel- 
mischer Baumwolle im allgemeinen mehr unter der 
Trockenhelt, da die einheimische Baumwolle eine 
längere Zeit zum Wachstum nötig hat als die 
amerikanische. Vom kolonialwirtschaftlichen Stand- 
punkt aus war man überemstimmend der Über- 
zeugung, daß die Grundlage der Baumwollkultur 
eine ausgedehnte Eingeborenenkultur sein müsse; und 
zwar müsse der Schwarze des Nigerbeckens zunächst 
dazu gebracht werden, die besseren amerikanischen 
Sorten, deren Samen zu verteilen seien, anzu- 
bflanzen, und dann, wenn dies geschehen, müssen 
ihm bessere, intensivere Wirtschaftsmethoden beige- 
bracht werden. Schon jetzt war die Nachfrage 
unter den Schwarzen nach amerikanischer Baum- 
wolle sehr groß, da sie gemerkt hatten, daß diese 
unter der Trockenhelt infolge ihres schnellen Wachs- 
tums weniger gelitten hatte als ihre Sorten. Als 
Gesamtergebnis kommt der Verfasser zu dem Schluß, 
daß die Baumwollkultur in Senegambien und im 
Nigerbecken lebensfählg ist und sich auch in guter 
Entwicklung befindet, namentlich nachdem sich auf 
Grund der bisherigen Versuche einige der größten 
Handelshäuser zur tätigen Beihilfe haben bestimmen 
lassen. 
Zu dem entgegengesetzten Ergebnis haben die 
Versuche in Guinea geführt. Nach ihnen hat es 
den Anschein, als ob in Guinea eine wirklich nutz- 
bringende Kultur nicht möglich sei, und zwar vor 
allem deshalb, weil die Eingeborenen so gut wie 
völlig versagt haben. Abgesehen davon, daß es 
ihnen an den nötigen Werkzeugen fehlt, um in dem 
richtigen Umfange die nötige intensive Wirtschaft
	        
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