um mich von den Zuständen im Lande und von den
gemachten Fortschritten durch den Augenschein zu
überzeugen. Ich habe zuerst das Geblet der 8. Feld-
kompagnie besucht, um hierbei gleichzeitig die Ver-
bindung mit Wiedhafen herzustellen, dort für Ssongea
lagernde Lasten abzuholen und mit Oberleutnant
Albinus Rücksprache zu nehmen, da der von diesem
verwaltete Bezirk Neu-Langenburg am meisten durch
den Aufstand berührt schien. Ich habe meine Auf-
gabe aber nicht nur in der Niederwerfung des
Wangonl-Aufstandes erblickt, sondern auch in der
Verhinderung der Ausbreitung der Unruhen auf jetzt
noch ruhige Gebiete. Ein Ubergreifen des Aufstandes
nach dem Langenburg-Bezirk mit seinen vielfachen
europäischen Interessen mußte nach meinem Ermessen
besonders folgenschwer sein.
Am 8. Dezember marschierte ich mit meinem
Stabe von Ssongea ab, besuchte die Missionsstation
Peramiho, den Araber Raschid in Kikole, den Liganga-
posten, dle Missionsstation Kigonsera, den inzwischen
am Njumassi errichteten Ruandaposten und traf am
18. Dez. in Wiedhafen mit Oberleutnant Albinus
zusammen.
Schon in den ersten Tagen des Dezember in
Ssongea und auch bald nach Eintreffen der Truppe
auf den Posten, stellten sich zahlreiche Wangont zur
Unterwerfung. Bis Mitte Dezember waren die
Sultane Ssongen, Pembalioto, Mpuetire, Chabruma
Mpitlmbi, Kapungu und Magaguru dingfest gemacht.
Die Missionsstatonen Peramiho und Kigonsera
sind von Grund auf zerstört. Einem Antrag des
Paters Johannes Häfliger, nach Kigonsera eine Be-
satzung zu legen und so den Missionaren die Rückkehr
dorthin zu ermöglichen, konnte ich lelder vorläufig
nicht nachkommen. Pater Franziskus Leutner ist
ermordet worden, nachdem er sich der allgemeinen
Flucht aus Peramiho nicht anschließen wollte. Er
hat zu spät bemerkt, daß die Aufständischen ihn nicht
schonen wollten, ist dann auf der Flucht nach Kigon-
sera ergriffen, zu Mputa gebracht und dort von
Küstenleuten erstochen worden.
Oberleutnant Albinus bat mich, ihm möglichst
alle im Ssongea-Bezirk befindlichen Askaris der
Polizeiabtellung Neu-Langenburg zurückzusenden, da
er sonst die Verantwortung für Leben und Besitz der
in seinem Bezirk zahlrelch angesiedelten Europäer
nicht übernehmen könnte. Ich willfahrte ihm, und
wir einigten uns darauf, daß die Polizeiabteilung
Langenburg nur Wiedhafen und den Ruandaposten
besetzte. Oberleutnant Albinus war dadurch so stark,
daß er neben Besetzung des Bezirksamts und der
Nebenstellen noch über eine Expeditionsabtellung von
mindestens 50 Askaris verfügte. Mit dieser Ab-
teilung wollte er zunächst den Schutz seines Bezirks
übernehmen, in der zweiten Hälfte Januar aber im
Verein mit der 8. Feldkompagnie gegen die Land-
schuften Upangwa und Ukinga vorgehen.
Am 20. Dezember marschierte ich von Wiedhufen
ab, um über die Posten Ruanda und Liganga und
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das Lager der 8. Feldkompagnie am Luhereha (6 km
nordwestlich Mkwera, Pambaliotos Gebiet) nach
Ssongea zurückzukehren. Von Wiedhafen aus be-
gleiteten mich Pater Häfliger und drei Missionare,
die das ungesundere Wiedhafen mit Ssongea ver-
tauschen wollten, und der Ansiedler Pfüller. Letzterer
war von Ssongea über Ubena nach Wiedhafen ge-
kommen und hatte von dort aus das Gouvernement
telegraphisch gebeten, ihm mit Rücksicht auf seinen
Gesundheitszustand die Mittel zur Küstenreise via
Chinde zu gewähren. Da er noch keine Antwort
erhalten hatte und ihm weitere Existenzmittel fehlten,
bat er mich um Geleit zur Küste, ein Wunsch, dem
ich gern willfahrte. Die Besatzung des Ruanda-
postens, die durch die mit mir von Wiedhafen kom-
menden Askaris der Polizelabteilung Neu-Langenburg
abgelöst wurde, wollte ich auf meinem Marsche zur
8. Feldkompagnie dorthin mitnehmen. Sie sollte das
Lager der Kompagnie besetzen, um dlese dadurch zum
Vorgehen nach Norden in das eigentliche Gebiet des
Großsultans Chabruma-Hanga und nach Upangwa
hinein, freimachen zu können, sobald die Unterwerfung
Süd-Ungonis weit genug vorgeschritten war.
Am 22. Dezember traf ich auf dem Militärposten
Ruanda ein und fand dort Küstenpost vor, die erste
seit meinem Abmarsch von Liwale. Sie enthielt einen
Befehl des Kaiserlichen Gouverneurs vom 16. No-
vember: eine Kompagnie sofort nach Mahenge zu
senden. Gleichzeitig erhielt ich mehrere Schreiben
des Bezirksamtmanns von Ssongea des Inhalts,
daß ein Abmarsch einer der Kompagnien des Expe-
ditionskorps auf Mahenge für den ganzen Süden
des Schutzgebietes die unheilvollsten Folgen haben
würde. Hauptmann Richter schrieb weiter, daß die
Wangoni sich wohl teilweise unterwerfen, aber die
Waffenablieferung verweigerten. Diese Unterwerfung
sei eine scheinbare und geschehe auf Befehl der
Sultane, um Zeit zur Feldbestellung zu gewinnen.
Im Frühjahr sollte dann mit frischen Kräften los-
geschlagen werden.
Wenn ich jetzt den sieben Wochen verspätet ein-
getroffenen Befehl des Gouverneurs sofort ausführte,
so war tatsächlich das Gelingen sämtlicher Unter-
nehmungen in Frage gestellt. Es mehrten sich die
Meldungen von einer neuen Ansammlung der Wan-
goni unter Chabruma und Omari Kingalla in der
Landschaft Kitanda, der natürlichen Verbindungslinle
der Aufständischen mit Mahenge und Donde und
nach Bezirksamtmann Richter der Wetterwinkel seines
Bezirks. Schlimmere Folgen als in militärischer
mußten aber in moralischer Beziehung durch den
Abmarsch einer Kompagnie entstehen. Die Geschichte
der früheren Unternehmungen der Truppe gegen die
Wangoni lehrt, daß diese stets zu schlau waren, sich
der Truppe in offenen Gefechten zu stellen, daß sie
sich vielmehr während der Anwesenheit größerer
Askariabtellungen in ihrem Lande versteckten, bis die
Truppe anderweitig nötig wurde, die Regierung sich