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Am darauffolgenden Morgen, Freitag den 8. Juni,
gingen wir bel Tagesanbruch in der Bucht von
Namatanai vor Anker. Der Stationschef Wostrack
kam alsbald an Bord und meldete, daß neues in
seinem Bezirke nicht vorgefallen und der Friede seit
der letzten Anwesenheit des „Seestern“ nicht mehr
gestört worden sei. Ich begab mich dann sofort mit
Wostrack an Land und nahm zunächst eine Besichti-
gung der Station vor.
Der Gesundheitszustand ist anscheinend ein recht
zufriedenstellender. Frau und Kind des Stationschefs
befinden sich wie er selbst wohl, und auch die Pollzei=
mannschaft ist gesund. Nur wenige waren krank,
und zumeist litten sie an Beinwunden.
Bei dem Rundgange durch die von dem Stations-
chef angelegte kleine Pflanzung, hauptsächlich aus
Nahrungsmitteln für die Polizeisoldaten bestehend,
konnte ich erfreulicherweise feststellen, daß die Raupe,
die bei dem letzten Besuche die ganzen Süßkartoffel-
felder kahl gefressen hatte, wieder ebenso rätselhaft
verschwunden ist, wie sie gekommen war. Die Kar-
toffeln haben bereits wieder Blätter, und es steht zu
hoffen, daß sie auch bald wieder Früchte tragen
werden.
Für das neu zu errichtende Polizeimeisterhaus
wurde ein geeigneter Platz ausgesucht. Das Gebäude
kommt etwa 40 m nordwestlich von der Station
und zwar noch etwas höher zu liegen als das Haus
des Stationsleiters. Man genießt von dem Platze
ebenso wie vom Stationsgebäude aus eine herrliche
Rundsicht, und es steht zu hoffen, daß bei der freien
Lage das neue Gebäude gesundhelilich ebenso günstige
Bedingungen bieten wird wie das Haus des
Stationsleiters.
Die verschiedenen Versuchspflanzen kommen recht
gut fort.
Das Löschen der Ladung ging dank des großen
Ladungsbootes, das wir für die Station mitgebracht
haben und das lüczlich zu diesem Zwecke vom Nord-
deutschen Lloyd gekauft worden war, glatt vonstatten.
Doch war hierzu angesichts der großen Ladung noch
der ganze Sonnabend (9. Juni) nötig. Ich benutzte
deshalb diesen Tag zu einem Marsche nach der West-
küste. Der Statlonschef hat, teilweise einen Einge-
borenenpfad benutzend, einen Weg nach Ulaputur
an der Westküste von Neu-Mecklenburg angelegt.
Diesen Weg wollte ich kennen lernen und glelchzeitig
die an ihn stoßenden Eingeborenendörfer besuchen.
ir ließen uns morgens nach Sonnenaufgang im
Boote nach der Nabutobucht, die an die Landschaft
Bo grenzt, rudern. Die Fahrt nahm etwas mehr
als eine halbe Stunde in Anspruch. Dort erwarteten
uns die Polizeisoldaten, die über Land gekommen
waren. Der Weg, der durchgehends in einer Breite
von etwa 8 bis 10 m angelegt ist, steigt erst einen
etwas steilen Hang hinan. In wenigen Minuten ist
man jedoch oben, und es führt von da die Straße
fast mehr als eine Stunde lang durch nahezu ebenes
Lond, das meist mit niederem Alang-Alanggras be-
gescheitert und gänzlich verloren sei.
wachsen ist. Als wlr auf dieser Hochebene angelangt
waren, erwarteten uns Eingeborene der auf beiden
Seiten der Straße etwas abseits im Busche gelegenen
Dörfer. Der Statlonschef hatte sie bestellt, um uns
zu begleiten. Nach etwa ¾ stündigem Marsche er-
reichten wir das Dorf Radingerl. Wir wanderten
nach kurzer Begrüßung der uns entgegenkommenden
Dorfbewohner welter, denen wir erklärt hatten, daß
wir sie auf dem Rückwege besuchen wollten. Der
Weg ging dann erst noch eine Strecke weit ziemlich
eben. Nach einer halben Stunde etwa kamen wir
an eine tlefe Schlucht, in der unten ein kleiner Ge-
birgsbach fließt. Die Eingeborenen haben diesen
Bach auf Anordnung des Stationschefs überbrückt.
Es ist allerdings nur eine Brücke für Fußgänger,
allein sie erleichtert den Ubergang erheblich. Ahnliche
Schluchten folgten dann noch etwa vier, die ebenfalls
alle mit kleinen Holzübergängen versehen sind. Auf
dleser etwa elne Stunde langen Strecke bedarf der
Weg, um fahrbar zu werden, noch erheblich der
Ausarbeitung, doch glaubt der Stationschef, ihn ohne
große Mittel mit Hilfe der Eingeborenen fahrbar
machen zu können.
Nach etwa 2½ stündigem Marsche — vom Aus-
gangspunkte an der Ostküste gerechnet — erreichten
wir das an der Westküste gelegene Dorf Rassirik.
Wir machten hier kurze Rast. Der Häuptling Marik
kam uns entgegen und bot uns Kokosnüsse an, die
wir gern annahmen. Wir marschlerten sodann
weiter nach dem etwa noch 15 Minuten entfernt
gelegenen Dorfe Ulaputur und machten dort Mittags-
pause. Auch hier kamen uns die Eingeborenen
freundlich entgegen und leisteten uns während unserer
Mittagsrast Gesellschaft.
Gegen 1 Uhr brachen wir wieder auf. Sowohl
in Rassirik wie in Radingerl mußten wir Halt
machen, da uns die Häuptliage dort zum Essen
einluden.
Der Weg ist für den Verkehr mit der Station
Namatanai von großer Wichtigkeit, da er die Ent-
fernung nach Herbertshöhe um über 100 Seemellen
abkürzt.
In Namatanai hatten wir die Nachricht erhalten,
daß der der Firma Hernsheim & Co. gehörige
Schooner „Kambiu“ auf der Höhe von Lamassong
Der Kapitän.
Peters warte mit seinen Leuten auf ein Schiff, um
wegzukommen. Ich hielt es füc geboten, nach La-
massong zu fahren, um dort die etwa erforderllche
Hllfe zu bringen. Wir verkießen morgens gegen
2 Uhr die Bucht von Namatanai und kamen gegen
9½ Uhr vor Lamassong an. Von der „Kambin"“
war vom Schiffe aus nichts mehr zu sehen. Kapitän
Peters kam alsbald an Bord und bat mich, die
Mannschaft sowle dle geretteten Waren mitzunehmen.
Bei schwerem Seegange gelang es nach mehrstündiger
harter Arbeit, die Waren und dle Leute von der
„Kambiu“ an Bord zu nehmen. Nur einige große
Tanks mußten zurückgelassen werden, da ihre