Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Bei gewöhnlichem Wetter vermögen sie der Wasser- 
gewalt zu trotzen, aber wenn ein Orkan losbricht, 
und die Seen besonders hohl laufen, werden viel 
zentnerschwere Blöcke losgerlssen und aufs Riff hin- 
aufgeworfen. Dicht beim Landeshauptmanngebäude 
liegt z. B. ein solch besonders großer von 7 m 
Länge und 2½ m Höhe, ein Zeuge eines früheren 
Orkans. 
vermag auf der Riffkante nur ein spärliches Korallen- 
wachstum sich zu entfalten. Wenigstens pflegt man 
ein solches an den Stellen, die zum Vorschein kommen, 
nicht zu entdecken, und nur an den Abflußkanälen 
gewahrt man am Rande in deren. Bett einige ge- 
drungene Formen. Von einem. solchen Abftußkanäl, 
deren Vorhandensein bislang fast allen Riffbeobachtern 
entging, gebe ich hier eine Abbildung. 
Alle 50 bis 100 m sieht man einen solchen bei 
Niedrigwasser 10 bis 20 m weit aufs Riff hinauf- 
laufen und dort blind enden wie ein Sack. Sie 
sind meist ungefähr 1 m breit und ebenso tief und 
dienen dazu, das Wasser, das jede Sturzwelle auf 
das Riff hinaufwirft, wieder abfließen zu lassen. 
Bel jeder sich brechenden See vollständig über- 
schwemmt, kommen sie nur einige Sekunden völlig 
frei zu liegen, wenn eine neueinkommende See alles 
Wasser an sich gesaugt hat. Diesen Augenblick mußte 
ich benutzen, um den Kanal photographieren zu 
können. Unmittelbar darauf war er, nachdem sich 
die neue See gebrochen hatte, wieder von Wasser 
bedeckt. In diesen Kanälen kann man, wie erwähnt, 
kleinere Korallenstücke finden und auch sonstige 
Meerestiere, wie z. B. von Seeigeln den Hetero- 
centrotus mit seinen kinderfingerdicken Stacheln, 
von denen das Bild ein Exemplar in situ zeigt. 
Im übrigen ist der tote Kalkfels hier an der Rilff- 
kante von einer Kalkalge, einer roten Korallinenalge 
überzogen, welche den Fels nicht allein schützt, son- 
dern ihm sogar noch Kalk zuzuführen vermag, als 
ob man die Riffkante mit Mindue angestrichen hätte. 
Das ist das Bild der Riffkante und dessen, was 
meerwärts von ihr vorhanden ist. 
Landwärts nun folgt die sogenannte Riffplatte. 
Auf Djalut bflegt sie 50 bis 100 m breit zu sein 
und sanft anzusteigen, im ganzen ungefähr 2 bis 
3 m. Gerade bei der Niederlassung zeigt sie sich 
so glatt und eben, daß man mit elnem Phaeton 
darauf spazierenfahren könnte. Wie eine zementierte 
Promenade sieht sie aus, beinahe dem Zwinger in 
Dresden vergleichbar. Dies natürlich nur bei Niedrig- 
wasser, wenn die Seen nur bis zur Niffkante reichen. 
Sechs Stunden später ist die Riffplatte vollständig 
mit Wasser bedeckt, und statt auf dem Rifffuße, 
rollen sich die Seen nun auf der Riffplatte ab. Bei 
gewöhnlichem Wetter erreichen aber die Brandungs- 
seen die landseitige Grenze der Riffplatte auch nicht 
annähernd, und nur wenig Wasser bespült den Fuß 
des Schuttwalles, wie wenn man an dem sanft ge- 
neigten Strande unserer Nordseeinseln, deren Bade- 
strand man füglich mit der Riffplatte vergleichen 
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Der unaufhörlichen Brandungsseen halber 
  
kann, wandert. Wie sich hier bei uns landwärts 
vom Strande die Düne hebt, so steigt mit gleich 
starker Böschung der Schuttwall der Koralleninseln 
empor, freilich nicht so hoch, dafür aber kräftiger 
und gedrungener, aus Felsplatten und Korallen- 
trümmern bestehend. Dieser Schuttwall ist meist 
nur 2 bis 3 m hoch, aber stell wie ein Dach ab- 
fallend. Unmittelbar hinter ihm senkt sich das Land 
wieder um 1 bis 2 m, das eigentliche Land der 
Koralleninseln. 
Wenn man zur Zeit eines Sturmes draußen 
am Strande sich behauptet, hat man Gelegenheit zu 
sehen, welch ein Unterschled zwischen Frieden und 
Krieg auch hier in der Natur ist. Mächtig rollen 
die Seen über die Riffplatte daher in kurzen Ab- 
ständen, oft mehr als fünf hintereinander; dröhnend 
klingen die Korallenplatten des Schutthügels unter 
der andrängenden Wassermasse, und unaufhörlich 
spritzt der Gischt bei auflandigem Wind über den 
Wallkamm. Ja, wenn der Orkan seine Höhe er- 
reicht und es ist zugleich höchster Wasserstand, so 
fliegen auch Korallentrümmer inlands, und man tut 
dann gut, sich in sicheres Gewahrsam zurückzuzlehen. 
Diese Korallentrümmer sind meist Schirme oder 
Aste der schon erwähnten Madreporen und sind vom 
Riffuße losgerissen. So kommt es, daß man oft 
noch weit inlands auf den Korallenriffen solche 
Trümmer findet. Ja auf Samoga fand ich einmal 
Madreporenstücke von 1 Fuß Größe zahlreich jen- 
seits des Grates der Insel Fanuatapus), deren 
Böschung schroff nahezu 50 m aus dem Wasser an- 
steigt. Eine andere Deutung als die durch den 
Transport von Sturmseen konnte ich daselbst nicht 
finden, und auch die Eingeborenen bestätigten meine 
Mutmaßung. Kann man sich so leicht erklären, wie 
eine 200 bis 300 m breite Koralleninsel völig mit 
Kalktrümmern übersät ist, obwohl ein Schutzwall das 
Land vom Meere trennt, so kommen hier doch noch 
andere Faktoren für die Inselbildung in Betracht. 
Wandert man nämlich vom Schuttwall aus lagunen- 
wärts über das Land, so findet man dasselbe durch- 
aus nicht immer gleichmäßig abfallend, sondern häufig 
wellig. Ja man findet sogar nicht selten kleine 
Tümpel und Teiche, welche bel Ebbe trocken fallen 
und bei Flut sich wieder füllen, ein Zeichen, daß 
das ganze Korallenriff keine kompakte Masse bildet, 
sondern von zahlreichen Höhlen und Rissen durch- 
zogen ist. Ich hatte dies noch später auf Nauru 
zu sehen Gelegenheit, welche Insel ein gehobencs 
Korallenatoll ist. , 
Auf Dialut liegt ein solcher Teich von recht 
ansehnlicher Größe in der Nähe der Einfahrt, und 
ein Tümpel zwischen der Landeshauptmannschaft 
und dem Außenriff. Diese Einsenkungen und die 
Landwellen, die parallel dem Schuttwall zu laufen 
pflegen. deuten auf das Wachstum des Landes von 
* Siehe Näheres in: Die angeblichen Hebungen und 
Senkungen in Samoa. Peterm. Geogr. Mitteil. 1900. Heft 1.
	        
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