Bei gewöhnlichem Wetter vermögen sie der Wasser-
gewalt zu trotzen, aber wenn ein Orkan losbricht,
und die Seen besonders hohl laufen, werden viel
zentnerschwere Blöcke losgerlssen und aufs Riff hin-
aufgeworfen. Dicht beim Landeshauptmanngebäude
liegt z. B. ein solch besonders großer von 7 m
Länge und 2½ m Höhe, ein Zeuge eines früheren
Orkans.
vermag auf der Riffkante nur ein spärliches Korallen-
wachstum sich zu entfalten. Wenigstens pflegt man
ein solches an den Stellen, die zum Vorschein kommen,
nicht zu entdecken, und nur an den Abflußkanälen
gewahrt man am Rande in deren. Bett einige ge-
drungene Formen. Von einem. solchen Abftußkanäl,
deren Vorhandensein bislang fast allen Riffbeobachtern
entging, gebe ich hier eine Abbildung.
Alle 50 bis 100 m sieht man einen solchen bei
Niedrigwasser 10 bis 20 m weit aufs Riff hinauf-
laufen und dort blind enden wie ein Sack. Sie
sind meist ungefähr 1 m breit und ebenso tief und
dienen dazu, das Wasser, das jede Sturzwelle auf
das Riff hinaufwirft, wieder abfließen zu lassen.
Bel jeder sich brechenden See vollständig über-
schwemmt, kommen sie nur einige Sekunden völlig
frei zu liegen, wenn eine neueinkommende See alles
Wasser an sich gesaugt hat. Diesen Augenblick mußte
ich benutzen, um den Kanal photographieren zu
können. Unmittelbar darauf war er, nachdem sich
die neue See gebrochen hatte, wieder von Wasser
bedeckt. In diesen Kanälen kann man, wie erwähnt,
kleinere Korallenstücke finden und auch sonstige
Meerestiere, wie z. B. von Seeigeln den Hetero-
centrotus mit seinen kinderfingerdicken Stacheln,
von denen das Bild ein Exemplar in situ zeigt.
Im übrigen ist der tote Kalkfels hier an der Rilff-
kante von einer Kalkalge, einer roten Korallinenalge
überzogen, welche den Fels nicht allein schützt, son-
dern ihm sogar noch Kalk zuzuführen vermag, als
ob man die Riffkante mit Mindue angestrichen hätte.
Das ist das Bild der Riffkante und dessen, was
meerwärts von ihr vorhanden ist.
Landwärts nun folgt die sogenannte Riffplatte.
Auf Djalut bflegt sie 50 bis 100 m breit zu sein
und sanft anzusteigen, im ganzen ungefähr 2 bis
3 m. Gerade bei der Niederlassung zeigt sie sich
so glatt und eben, daß man mit elnem Phaeton
darauf spazierenfahren könnte. Wie eine zementierte
Promenade sieht sie aus, beinahe dem Zwinger in
Dresden vergleichbar. Dies natürlich nur bei Niedrig-
wasser, wenn die Seen nur bis zur Niffkante reichen.
Sechs Stunden später ist die Riffplatte vollständig
mit Wasser bedeckt, und statt auf dem Rifffuße,
rollen sich die Seen nun auf der Riffplatte ab. Bei
gewöhnlichem Wetter erreichen aber die Brandungs-
seen die landseitige Grenze der Riffplatte auch nicht
annähernd, und nur wenig Wasser bespült den Fuß
des Schuttwalles, wie wenn man an dem sanft ge-
neigten Strande unserer Nordseeinseln, deren Bade-
strand man füglich mit der Riffplatte vergleichen
750
Der unaufhörlichen Brandungsseen halber
kann, wandert. Wie sich hier bei uns landwärts
vom Strande die Düne hebt, so steigt mit gleich
starker Böschung der Schuttwall der Koralleninseln
empor, freilich nicht so hoch, dafür aber kräftiger
und gedrungener, aus Felsplatten und Korallen-
trümmern bestehend. Dieser Schuttwall ist meist
nur 2 bis 3 m hoch, aber stell wie ein Dach ab-
fallend. Unmittelbar hinter ihm senkt sich das Land
wieder um 1 bis 2 m, das eigentliche Land der
Koralleninseln.
Wenn man zur Zeit eines Sturmes draußen
am Strande sich behauptet, hat man Gelegenheit zu
sehen, welch ein Unterschled zwischen Frieden und
Krieg auch hier in der Natur ist. Mächtig rollen
die Seen über die Riffplatte daher in kurzen Ab-
ständen, oft mehr als fünf hintereinander; dröhnend
klingen die Korallenplatten des Schutthügels unter
der andrängenden Wassermasse, und unaufhörlich
spritzt der Gischt bei auflandigem Wind über den
Wallkamm. Ja, wenn der Orkan seine Höhe er-
reicht und es ist zugleich höchster Wasserstand, so
fliegen auch Korallentrümmer inlands, und man tut
dann gut, sich in sicheres Gewahrsam zurückzuzlehen.
Diese Korallentrümmer sind meist Schirme oder
Aste der schon erwähnten Madreporen und sind vom
Riffuße losgerissen. So kommt es, daß man oft
noch weit inlands auf den Korallenriffen solche
Trümmer findet. Ja auf Samoga fand ich einmal
Madreporenstücke von 1 Fuß Größe zahlreich jen-
seits des Grates der Insel Fanuatapus), deren
Böschung schroff nahezu 50 m aus dem Wasser an-
steigt. Eine andere Deutung als die durch den
Transport von Sturmseen konnte ich daselbst nicht
finden, und auch die Eingeborenen bestätigten meine
Mutmaßung. Kann man sich so leicht erklären, wie
eine 200 bis 300 m breite Koralleninsel völig mit
Kalktrümmern übersät ist, obwohl ein Schutzwall das
Land vom Meere trennt, so kommen hier doch noch
andere Faktoren für die Inselbildung in Betracht.
Wandert man nämlich vom Schuttwall aus lagunen-
wärts über das Land, so findet man dasselbe durch-
aus nicht immer gleichmäßig abfallend, sondern häufig
wellig. Ja man findet sogar nicht selten kleine
Tümpel und Teiche, welche bel Ebbe trocken fallen
und bei Flut sich wieder füllen, ein Zeichen, daß
das ganze Korallenriff keine kompakte Masse bildet,
sondern von zahlreichen Höhlen und Rissen durch-
zogen ist. Ich hatte dies noch später auf Nauru
zu sehen Gelegenheit, welche Insel ein gehobencs
Korallenatoll ist. ,
Auf Dialut liegt ein solcher Teich von recht
ansehnlicher Größe in der Nähe der Einfahrt, und
ein Tümpel zwischen der Landeshauptmannschaft
und dem Außenriff. Diese Einsenkungen und die
Landwellen, die parallel dem Schuttwall zu laufen
pflegen. deuten auf das Wachstum des Landes von
* Siehe Näheres in: Die angeblichen Hebungen und
Senkungen in Samoa. Peterm. Geogr. Mitteil. 1900. Heft 1.