Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

der Lagune aus seewärts hin. Man ist zur An- 
nahme gezwungen, daß sich zur Zeit, als das Korallen- 
riff sich zur Meeresoberfläche hinaufgewachsen hatte, 
erst eine kleine Schuttfläche bildete, und zwar an 
der Stelle ungefähr, wo heute die Lagune beginnt. 
Durch das stetige Wachsen des Riffes seewärts und 
durch die Gezeitentätlgkeit wurde allmählich Sand- 
und Korallengrus angeschwemmt, und die Stürme 
warfen dann im Gefolge die großsteinigen Wälle 
auf, welche einen natürlichen Schutz des gewonnenen 
Landes bildeten. Je weiter der vorhandene Unter- 
rund dem lebenden Riff eine Ausdehnung nach der 
ripherie meerwärts gestattete, desto breiter mußte 
die Riffplatte werden, desto mehr Raum wurde ge- 
schaffen für einen neuen sekundären Schuttwall. 
Ein dritter, ein vierter und fünfter schloß sich 
im Laufe der Jahrtausende an. Auf diese Weise 
ist das Land auf den Koralleninseln entstanden zu 
denken, welches nahezu die Breite eines Kilometers 
und darüber erreichen kann. Auf Djalut kann man 
sich, abgesehen von den Teichen, von dem Vorhanden= 
sein solch welligen Landes leicht überzeugen an einer 
Stelle, die einen Überblick über die ganze Breite 
der Insel gestattet. Dies ist ein von den Weißen 
angelegter Weg, welcher vom Außenstrande aus an 
den Krankenhäusern vorbel senkrecht auf die Lagune 
zuführt. Die Tafel 8 enthebt mich jeder weiteren 
Auseinandersetzung. Den Marshallanern ist diese 
Erscheinung wohl bekannt, und eines ihrer Orna- 
mente auf den Kleidmatten, eine sägenförmige Zick- 
zocklinie nennt sich gobadöngedong und bedeutet — 
das wellige Land der Inseln. Wir sind am Rande 
der Lagune angekommen. 
Statt der Korallentrümmer und des festen Kalk- 
gesteins draußen am Außenriff findet man am La- 
gunenstrande zumeist nur Sand, wie auf unseren 
Nordseeinseln. Aber keine Seen rollen dort die 
Strandböschung hinauf, lingsam hebt sich und senkt 
sich das Wasser bei Flut und Ebbe, wie in einem 
Hafen. Nur wenn starke Winde cuftreten, kommt 
das Wasser der Logune in Bewegung, wie auf einem 
großen Inlandsee. Die Lagune des Djalutatolls hat 
in ihrer größten Länge einen Durchmesser von an- 
nähernd 60 km. Die Tiefe ist nicht genau bekannt, 
dürfte jedoch 50 m kaum wesentlich überschreiten. 
Wenn man bedenkt, daß dieser so außerordentlich 
große See innerhalb sechs Stunden seinen Wasser- 
spiegel um 1 bis 2 m verändern muß, so kann man 
sich vergegenwärtigen, welch ein starker Strom in 
den Riffeinlässen vorhanden sein muß, durch welche 
das Wasser aus= und einfließt. Mir sind nur deren 
drei bekannt, und alle nicht breiter als höchstens 
1000 m. Daß noch mehr vorhanden sind, wenn 
auch teilweise recht klein und flach, liegt auf 
der Hand, und so darf man sich den Ring 
eines Atolls nicht geschlossen vorstellen, sondern aus 
sehr zahlreichen, mehr oder weniger kleinen Inseln 
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zusammengesetzt,.) wie eine unregelmäßige Perlen- 
kette. Ein Atoll, wie es Dana in seinem 
Coral and Coral Islands abbildet und wie 
es in die Lehrbücher übergegangen ist, einen 
großen See von einem ununterbrochenen, 
dünnen Korallenring umgeben, gibt es 
nicht. Mindestens ist es nicht typisch. Haben 
wir auf der Djalutseite die Wetter-, also die Luv- 
seite des Atolls kennen gelernt, so finden wir an 
der Leeseite im wesentlichen ähnliche, aber doch 
verschiedene Züge. Im allgemeinen hat die Lee- 
seite der Atolle nicht so viele ausgebildete Inseln. 
Ja, oft sind solche auf weite Strecken hin gar nicht 
vorhanden, und nur eine schmierige Trümmer= oder 
Sandfläche gibt bel Niedrigwasser kund, wo der 
Riffkranz sich befindet. Findet man aber doch 
irgendwo klelnere oder größere Inseln, so find sie 
im wesentlichen ein Gebilde der Weststürme, welche 
vornehmlich vom November bis März aufzutreten 
pflegen. 
Diese Stürme können so heftig auftreten, daß sie 
Riffinseln in wenigen Tagen zu erzeugen vermögen. 
So wurde mir von glaubwürdiger Seite erzählt, 
daß auf der nahen Karolineninsel Kusale im März 
1891 ein Weststurm eine Riffinsel von 3 Meilen 
Länge und 3 bis 5m Höhe in wenigen Tagen 
aufgeworfen habe, an einer Stelle, wo früher nur 
flaches, von Hochwasser bedecktes Riff gewesen war. 
Wird eine solche Riffinsel durch einen späteren 
Sturm nicht wieder zerstört und begrünt sie sich 
allmählich, so wird sie so fest, daß ihr Bestand ge- 
sichert erscheint. Freilich auch hier kann eine Flutwelle 
in wenigen Augenblicken vernichten, was in vielen 
Jahrzehnten oder Johrhunderten langsam sich gebildet 
hat. Diese Flutwellen pflegen aber meist nur auf 
der Ostseite der Inseln, die mit der Wetterseite zu- 
sammenfällt, Unhell zu stiften. Die Leeseite ist 
solchen Gefahren weniger ausgesetzt. Hier pflegt 
die meiste Zeit des Jahres Ruhe und Friede zu 
herrschen, nicht allein auf der Lagunenseite, sondern 
auch auf der Seite des offenen Ozeans. Oft habe 
ich mich hier auf den Rand des Riffes, die Riff- 
kante, zu stellen vermocht und habe auf die Korallen- 
gärten hinabgesehen, welche steil abfallend sich bald 
in dem schwarzblauen Wasser der Tiefe verlieren. 
Nur eine sanfte Dünung hob und senkte die träge, 
glatte Wassermasse um eine bis zwei Handbreiten, 
langsam sloß mir das klare Wasser um die Knöchel, 
um im nächsten Augenblick langsam wieder meer- 
wärts abzufließen, ein stetes, ruhiges Atmen. Wenn 
man sich vergegenwärtigt, daß um dieselbe Zeit an 
der Luvseite mannshohe Brecher ohne Unterlaß sich 
auf das Riff stürzen, wenn man die Seen sieht, 
welche daselbst das Meer im frischen Passate heran- 
wälzt, so ist es einem fast unbegreiflich, daß man 
sich hier am offenen Meere befindet. 
*) Hernsheim zah#n far das Ne 55; auf der 
Ostseite 34 und auf der Westseile 2
	        
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