der Lagune aus seewärts hin. Man ist zur An-
nahme gezwungen, daß sich zur Zeit, als das Korallen-
riff sich zur Meeresoberfläche hinaufgewachsen hatte,
erst eine kleine Schuttfläche bildete, und zwar an
der Stelle ungefähr, wo heute die Lagune beginnt.
Durch das stetige Wachsen des Riffes seewärts und
durch die Gezeitentätlgkeit wurde allmählich Sand-
und Korallengrus angeschwemmt, und die Stürme
warfen dann im Gefolge die großsteinigen Wälle
auf, welche einen natürlichen Schutz des gewonnenen
Landes bildeten. Je weiter der vorhandene Unter-
rund dem lebenden Riff eine Ausdehnung nach der
ripherie meerwärts gestattete, desto breiter mußte
die Riffplatte werden, desto mehr Raum wurde ge-
schaffen für einen neuen sekundären Schuttwall.
Ein dritter, ein vierter und fünfter schloß sich
im Laufe der Jahrtausende an. Auf diese Weise
ist das Land auf den Koralleninseln entstanden zu
denken, welches nahezu die Breite eines Kilometers
und darüber erreichen kann. Auf Djalut kann man
sich, abgesehen von den Teichen, von dem Vorhanden=
sein solch welligen Landes leicht überzeugen an einer
Stelle, die einen Überblick über die ganze Breite
der Insel gestattet. Dies ist ein von den Weißen
angelegter Weg, welcher vom Außenstrande aus an
den Krankenhäusern vorbel senkrecht auf die Lagune
zuführt. Die Tafel 8 enthebt mich jeder weiteren
Auseinandersetzung. Den Marshallanern ist diese
Erscheinung wohl bekannt, und eines ihrer Orna-
mente auf den Kleidmatten, eine sägenförmige Zick-
zocklinie nennt sich gobadöngedong und bedeutet —
das wellige Land der Inseln. Wir sind am Rande
der Lagune angekommen.
Statt der Korallentrümmer und des festen Kalk-
gesteins draußen am Außenriff findet man am La-
gunenstrande zumeist nur Sand, wie auf unseren
Nordseeinseln. Aber keine Seen rollen dort die
Strandböschung hinauf, lingsam hebt sich und senkt
sich das Wasser bei Flut und Ebbe, wie in einem
Hafen. Nur wenn starke Winde cuftreten, kommt
das Wasser der Logune in Bewegung, wie auf einem
großen Inlandsee. Die Lagune des Djalutatolls hat
in ihrer größten Länge einen Durchmesser von an-
nähernd 60 km. Die Tiefe ist nicht genau bekannt,
dürfte jedoch 50 m kaum wesentlich überschreiten.
Wenn man bedenkt, daß dieser so außerordentlich
große See innerhalb sechs Stunden seinen Wasser-
spiegel um 1 bis 2 m verändern muß, so kann man
sich vergegenwärtigen, welch ein starker Strom in
den Riffeinlässen vorhanden sein muß, durch welche
das Wasser aus= und einfließt. Mir sind nur deren
drei bekannt, und alle nicht breiter als höchstens
1000 m. Daß noch mehr vorhanden sind, wenn
auch teilweise recht klein und flach, liegt auf
der Hand, und so darf man sich den Ring
eines Atolls nicht geschlossen vorstellen, sondern aus
sehr zahlreichen, mehr oder weniger kleinen Inseln
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zusammengesetzt,.) wie eine unregelmäßige Perlen-
kette. Ein Atoll, wie es Dana in seinem
Coral and Coral Islands abbildet und wie
es in die Lehrbücher übergegangen ist, einen
großen See von einem ununterbrochenen,
dünnen Korallenring umgeben, gibt es
nicht. Mindestens ist es nicht typisch. Haben
wir auf der Djalutseite die Wetter-, also die Luv-
seite des Atolls kennen gelernt, so finden wir an
der Leeseite im wesentlichen ähnliche, aber doch
verschiedene Züge. Im allgemeinen hat die Lee-
seite der Atolle nicht so viele ausgebildete Inseln.
Ja, oft sind solche auf weite Strecken hin gar nicht
vorhanden, und nur eine schmierige Trümmer= oder
Sandfläche gibt bel Niedrigwasser kund, wo der
Riffkranz sich befindet. Findet man aber doch
irgendwo klelnere oder größere Inseln, so find sie
im wesentlichen ein Gebilde der Weststürme, welche
vornehmlich vom November bis März aufzutreten
pflegen.
Diese Stürme können so heftig auftreten, daß sie
Riffinseln in wenigen Tagen zu erzeugen vermögen.
So wurde mir von glaubwürdiger Seite erzählt,
daß auf der nahen Karolineninsel Kusale im März
1891 ein Weststurm eine Riffinsel von 3 Meilen
Länge und 3 bis 5m Höhe in wenigen Tagen
aufgeworfen habe, an einer Stelle, wo früher nur
flaches, von Hochwasser bedecktes Riff gewesen war.
Wird eine solche Riffinsel durch einen späteren
Sturm nicht wieder zerstört und begrünt sie sich
allmählich, so wird sie so fest, daß ihr Bestand ge-
sichert erscheint. Freilich auch hier kann eine Flutwelle
in wenigen Augenblicken vernichten, was in vielen
Jahrzehnten oder Johrhunderten langsam sich gebildet
hat. Diese Flutwellen pflegen aber meist nur auf
der Ostseite der Inseln, die mit der Wetterseite zu-
sammenfällt, Unhell zu stiften. Die Leeseite ist
solchen Gefahren weniger ausgesetzt. Hier pflegt
die meiste Zeit des Jahres Ruhe und Friede zu
herrschen, nicht allein auf der Lagunenseite, sondern
auch auf der Seite des offenen Ozeans. Oft habe
ich mich hier auf den Rand des Riffes, die Riff-
kante, zu stellen vermocht und habe auf die Korallen-
gärten hinabgesehen, welche steil abfallend sich bald
in dem schwarzblauen Wasser der Tiefe verlieren.
Nur eine sanfte Dünung hob und senkte die träge,
glatte Wassermasse um eine bis zwei Handbreiten,
langsam sloß mir das klare Wasser um die Knöchel,
um im nächsten Augenblick langsam wieder meer-
wärts abzufließen, ein stetes, ruhiges Atmen. Wenn
man sich vergegenwärtigt, daß um dieselbe Zeit an
der Luvseite mannshohe Brecher ohne Unterlaß sich
auf das Riff stürzen, wenn man die Seen sieht,
welche daselbst das Meer im frischen Passate heran-
wälzt, so ist es einem fast unbegreiflich, daß man
sich hier am offenen Meere befindet.
*) Hernsheim zah#n far das Ne 55; auf der
Ostseite 34 und auf der Westseile 2