Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Der Inhalt des ersten Topfes besteht aus 
Erde und Knochenfragmenten; von diesen sind ein- 
zelne größere Stücke noch gut erkennbar: einzelne 
Wirbelkörper, einzelne Rippenstückchen, ein Stückchen 
vom Kreuzbein, Stückchen vom Scheitelbein, untere 
Enden des rechten und linken Femur, obere Enden 
beider Schienbeine. 
Da diese Stücke sehr morsch sind und bei etwas 
unvorsichtigem Anfassen sofort in Staub zerfallen, 
wurden einzelne Messungen vorgenommen. Linker 
Femur: Epicond. lat. verschwunden. Linea 
intercondylea gut erkennbar, direkt über dieser 
Stelle gemessen, beträgt der Umfang 16 cm, 5 cm 
oberhalb dieser Linie 11 /2 cm. Rechter Femur: 
Epikondylen ziemlich gut erhalten. Dieselben 
Maße betragen hier 17 und 11 1½ em, der Abstand 
der Kondylenh 2 cm. Rechtes Schienbein: 
2 cmm unter alb der Margo inkraglenoidalis 
beträgt der Umfang 14 ½ cm, 12 em unterhalb 
dieser Linie 10¾ cm. Linkes Schienbein ist 
inzwischen so zerfallen, daß Messungen nicht mehr 
möglich sind. 
In dem zweiten Topf wurden verschiedene 
Zahnstücke, Reste von Perlen und ein kelchförmiges 
Tongefäß, das früher anscheinend einen Henkel 
hatte, gefunden. Von Knochen waren nur ganz 
lleine, absolut nicht mehr festzustellende Stückchen 
vorhanden. 
Wenn diese Töpfe mit Inhalt wirklich aus 
der Riesenzeit stammen, so muß aus den Knochen 
der Schluß gezogen werden, daß die damals hier 
begrabenen „Riesen“ keineswegs übernatürlich große 
Knochen gehabt haben, denn es ist wohl sicher, 
daß die Knochen von erwachsenen Menschen her- 
rühren. 
* * 
* 
Der derzeitige Resident in Kusseri, Oberleutnant 
Schipper, bemerkt hierzu: Die Sage von den 
Ssau-Riesen wurzelt hier tief im Volksglauben, 
der Fund eines Gräberseldes in Kusseri dürfte daher 
nicht ganz uninteressant sein. Die in dem auf- 
gedeckten Gräberfeld beobachtete Art der Toten- 
bestattung erregte das Erstaunen der hiesigen Be- 
völkerung, ist also zweifellos seit langer Zeit nicht 
mehr üblich. Da die vorgefundenen Urnen starke 
Ahnlichkeit mit den der Riesenzeit zugeschriebenen 
Kolossaltöpfen in Ngala, Ndufu usw. haben, so 
dürften beide dem gleichen Zeitalter angehört haben. 
Damit wäre aber auch der ganzen Sage von 
übermenschlich großen Wesen in grauer Vorzeit 
der Todesstoß versetzt, denn die aufgefundenen 
Knochenreste haben zweifellos zu ganz normalen 
Menschen gehört. Melnes Erachtens ist die ganze 
Sage dadurch entstanden, daß die jetzige Bevölkerung 
in ihrer Phantasie zu den hier vieelfach sich noch 
vorfindenden, unverwüstlich starken und mächiigen 
Töpfen auch ebenso mächtige Menschen konstrutert 
hat, die spielend ein halbes Dutzend jener schweren 
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Riesentöpfe zum Wasser tragen konnten, während 
diese Töpse höchstwahrscheinlich nichts weiter als 
Wassersammelbecken darstellen, die zum Auffangen 
des Regens dienten oder mit Hilfe kleiner Töpfe 
gefüllt wurden. Nicht so einfach zu erklären sind 
aber die hier vielfach vorkommenden Lehmhügel 
(Mabate, Ssau b. Afade, Schug= und Kanuri-Orte 
bei Kala, Belgl usw.), die anscheinend die Reste 
mächtiger Bauten der Vorzelt darstellen und von 
der jetzigen Bevölkerung ganz besonders als Beweis 
für die Richtigkeit der Ssau-Sage gezeigt werden; 
auch kupferne Beinspangen von anormal großen 
Dimensionen werden ab und zu gebracht als an- 
gebliche Beinschmuckgegenstände der alten „Riesen“- 
damen. Während der Ursprung jener Hügel sich 
wohl schwerlich noch mit Sicherheit feststellen lassen 
wird, dürfte derjenige der Beinspangen wohl in 
einer englischen Fabrik zu suchen, bzw. ein Produkt 
der jetzigen Eingeborenenindustrie sein. Jedenfalls 
sind auch sie keine untrüglichen Beweise dafür, daß 
hier in früherer Zeit Wesen anormaler Größe 
exlstiert haben. Sosern ich mich recht erinnere, hat 
der zur Erforschung der Ssau-Sage vor etwa drei 
Jahren hier in unserem Geblet tätig gewesene 
französische Forscher Dr. Decorse sich ebenfalls in 
diesem Sinne ausgesprochen. 
Druckfehler-Berichtigung. 
Die am 1. November erschienene Nr. 21 dieses 
Blattes enthält auf Seite 712 einen Fehler. Unter 
„Zusammen Einfuhr“ muß in der ersten Kolonne 
als Wert 38087 Mk. statt 87987 Mk. angegeben sein. 
Togo. 
Eine westafrikanische Ausstellung. 
Im Hinblick auf die bevorstehende Ausstellung 
unseres Schutzgebietes Togo in Palime, über 
die wir unten einige nähere Angaben bringen, geben 
die Mitteilungen der Deutschen Kolonialgesellschaft 
einen Rückblick auf die vor Jahresfrist veranstaltete 
südnigerische Ausstellung in dem am Niger 
gelegenen wichtigen Orte Onitsha. Sie umfaßte 
Industrie, Landwirtschaft und Handel und hatte, 
um das vorauszunehmen, einen durchschlagenden Er- 
folg zu verzeichnen, und die gehegten Erwartungen 
der Beteillgten wurden weit übertroffen. 
Das Schwierigste war, den verschiedenen 
Stämmen in diesen ausgedehnten Distrikten das 
Vorteilhafte einer solchen Ausstellung klar zu machen. 
Denn mit unendlicher Geduld mußten die kleinsten 
Einzelheiten auseinandergesetzt werden, und zwar 
Leuten, die nicht nur ihren Dialekten, sondern ihren 
gesamten Gebräuchen und Vorurtellen nach außer- 
ordentlich verschieden waren und im ganzen auf 
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