Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

W 973 20 
kommen sein muß und daß, wenn irgend jemand 
unter den Lebenden, G. A. Krause, der wohl ein 
Menschenalter in ihrem Bereiche geweilt und ge- 
forscht hat, der berufene Mann sein würde, jenes 
Gesamtgebäude aufzuführen. Doch der Gedanke 
an das MWünschenswerte darf die Freude am Ge- 
leisteten nicht schmälern. Mit patriotischer Genug- 
tuung ist zu betonen, daß Mischlichs Buch ein 
gewaltiger Baustein ist, die bisherigen beträchtlich 
überragend nicht nur an Ausdehnung, sondern 
auch an innerem Wert. 
Seine Uberlegenheit prägt sich schon darin 
aus, daß es die dialektische Herkunft der einzelnen 
Wörter zu bestimmen sucht, also lexikalisch einen 
Weg fortsetzt, den das 1902 erschienene Lehrbuch 
des Verfassers bereits grammatikalisch mit Glück 
eingeschlagen hatte. Der verdiente Begründer 
der Haussaforschung Schön hatte sich im weiteren 
Verlauf seiner Arbeiten auf die Mundart von 
Daura beschränken müssen, und während geschäftige 
Federn in Ermangelung anderer gleichwertiger 
Sammlungen ihn unermüdlich ausschrieben, bildete 
sich die fable convenue, hier habe man das echte, 
wahre Haussa, und alles, was davon abwiche, 
verdiene keine Beachtung. Auch Robinson, der 
englischerseits ausgesandt wurde, um das Lebens- 
werk Schöns fortzuführen, brachte die Spaltung 
der Sprache in Dialekte, obwohl er sie wahr- 
nehmen mußte, nicht zur Darstellung. Erst 
Mischlich führt die Mundarten als gleichberechtigte 
Glieder des Ganzen vor Augen und gibt damit 
der weiteren Arbeit Stoff und Richtung. Das 
Vorwort bringt wichtige neue Beobachtungen 
sowohl auf dem Gebiet der Gesamtsprache als 
ihrer einzelnen Zweige. Zu letzterer Kategorie 
möchte ich die Verstärkung des Verbalstammes 
durch ke und ne zählen, da sie nach meinen 
Erkundigungen dem Kano-Dialekt fehlt. Für 
den ganzen Bereich des Haussa gilt die Einsetzung 
des bestimmten Artikels in die ihm bisher be- 
strittenen Rechte; man hatte ihn lange für eine 
Bezeichnung des Genitiv gehalten. Haussamärchen, 
die ich demnächst veröffentliche, weisen weitere 
Belege für ihn auf. 
VLas das Vorwort im einzelnen erstrebt, die 
Lösung grammatikalischer Fragen, gewährt das 
Wörterbuch in erfreulichem Umfange namentlich 
nach der Seite der Wortbildung. Mit peinlicher 
Genauigkeit werden die der gleichen Wurzel ent- 
wachsenen Wortstämme verbaler wie nominaler 
Natur aufsgeführt und charakterisiert. Schade nur, 
daß hier nicht häufigere Verweise dem Forscher 
die Ausgabe erleichtern! Jedenfalls darf das 
Werk den eigensten Vorzug eines Lexikons, die 
präzise Feststellung des Wortsinns, die bei Sprachen 
dieser Art oft so schwer zu erreichen ist, vollauf 
für sich in Anspruch nehmen. Wohl werden 
  
andere Sammler, wie z. B. auch der Referent, 
hier und da eine abweichende Bedeutung ver- 
zeichnet haben, die sich z. T. auf dialektische Ver- 
schiedenheit zurückführen mag; im ganzen aber 
scheint mir die in Rede stehende Leistung geradezu 
vorbildlich. Sehr zugute kommt einem sicheren 
Verständnis die Fülle von Beispielen, die der 
Verfasser vielen Wörtern anreiht und von denen 
ich nicht ein einziges missen möchte. Eine reiche 
Ausbente findet überdies noch der Folklorist in 
den eingestreuten Bonmots, Sprichwörtern und 
Erläuterungen, z. B. der Geschichte von gamo-n 
katar. 
Auch das Bestreben, die Quantität der Vokale 
und den Wortakzent sicher zu bestimmen, verdient 
alle Anerkennung. Allerdings werden hier die 
mundartlichen Verschiedenheiten besonders groß 
sein; aber um so notwendiger ist die genaueste 
Kennzeichnung. Man kann überhaupt in sorg- 
fältiger Wiedergabe der Aussprache kaum zu viel 
tun. Es ist das einzige Gebiet, auf dem ich dem 
Verfasser prinzipielle Einwürfe zu machen habe. 
Von Anfang an ist die Auffassung der Laute 
die schwächste Seite der Haussaforschung gewesen. 
Schön selber nahm Abweichung von den ge- 
läufigen westeuropäischen nicht wahr, abgesehen 
von dem eigentümlichen Zischlaut, den er zu- 
weilen durch t mit unterem Häkchen bezeichnet, 
und seine Anschauung blieb für die Späteren 
maßgebend. Immerhin war er mit Hilfe des 
Systems von Lepsius treulich bemüht, die Sprache 
genau so wiederzugeben, wice er sie hörte. Hätte 
auch Mischlich das Standard Alphabet ange- 
nommen, so würde dessen gesunde phonetische 
Grundlage ihn vor störenden Zugeständnissen an 
die arabische Transskription bewahrt haben. 
Wozu Schreibungen wie wata, gangadi, yasda, 
denen dann in Klammer oder Fußnote die wirk- 
liche Aussprache wota, gyan-gyadi, yFesda bei- 
gefügt wird? Folgerichtig müßte es dann auch 
heißen küre fortjagen (ausgesprochen köre), 
kulkuta Laus (ausgesprochen kolkota), kurz 
jedes o wäre zunächst u zu schreiben, um dann 
in Parenthese wiederhergestellt zu werden. Wer 
zu wissen wünscht, wie der Haussa seine Sprache 
schriftlich wiedergibt, für den ist ja mit Recht 
bei jedem Wort die arabische Schreibung ver- 
merkt; aber in erster Linie ist es dem Leser doch 
darum zu tun, das Wort so kennen zu lernen, 
wie es tatsächlich lautet. Demgemäß hätte auch 
die Einleitung sowohl des Lehr= als des Wörter- 
buchs mit einer Laut= und nicht mit einer Buch- 
stabenlehre beginnen sollen. Erst nach einge- 
hender Charakteristik des Lautbestandes wäre zu 
skizzieren gewesen, wie sich der gelehrte Schreiber 
mit ihm abfindet. Sehr richtig hat der Verfasser 
selber darauf hingewiesen, wie wenig die ara-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.