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ausbeuten zu können (Tagebucheintragung vom
13. Dezember 1652). Daß er zu diesem Zweck,
seinen Verdruß hinunterkämpfend, überall Nach-
sicht und Freundlichkeit an den Tag legt, wird
ihm von seiten der Hottentotten als Schwäche
gedeutet. Gleichzeitig wächst die Erbitterung auf
dieser Seite in dem Maße, als sich der Ein-
geborene durch die Fremdlinge von wertvollen
Strecken seiner alten Weidegründe verdrängt sieht.
So kommt es im dritten Stadium zum offenen
Ausbruch der Feindseligkeiten, kompliziert durch
Verräterei eines einzelnen einflußreichen Hotten-
totten, der mit den Holländern und mit seines-
gleichen doppeltes Spiel trieb. Viehraub und
Mord hüben und drüben schienen jedes Cin-
vernehmen für immer zu vereiteln; aber mit der
Zeit bahnen sich friedliche Beziehungen neu an,
und der Tauschhandel blüht wieder. Dieser un-
berechenbare Wandel von Freundschaft und Feind-
schaft kennzeichnet den Verkehr der Weißen mit
den Hottentotten von Anfang an, kennzeichnet ihn
bis in unsere Tage, in denen die Beziehungen
der beiden Rassen über gelegentliche Reibereien
hinaus immer ernster in das Stadium bewußt
tiefgreifender Interessenkollisionen eintraten.
Wir wollen hier keine Geschichte der Hotten-
tottenkämpfe geben; wer sie schreiben will, müßte
im einzelnen verfolgen, wie aus der kleinen Feste
und dem Gemüsegarten der holländischen Indien-
gesellschaft die Kapkolonie des britischen Weltreichs
wurde. Uns kommt es nur darauf an, die
Typen kennen zu lernen, die in den Kämpfen
der folgenden Jahrhunderte auf weißer Seite aus-
schlaggebend waren. Wir haben hier an van
Riebeecks Gründung anzuknüpfen. Sie erhielt in
erster Linie aus Holland, nach Aufhebung des
Edikts von Nantes auch aus Frankreich neuen
Nachschub, den Stamm der heutigen Buren-
bevölkerung.
Der Bur ist der Kulturpionier Südafrikas
geworden. Ein wetterharter Körper, im neuen
Klima ungeschwächte Fruchtbarkeit, Beharrlichkeit
und ein Minimalmaß körperlicher und geistiger
Bedürfnisse befähigten ihn, mit den wenigen
Kulturmitteln, die er aus der Heimat mitbrachte,
dauernde Ansiedelungen zu gründen und sich immer
tiefer ins Innere des Landes vorzuschieben. Die
Geschichte zeigt ihn uns hier als brutalen Egoisten.
Um zu verstehen, wie der Hottentott sich zu ihm
gestellt hat, muß man den Buren heute in den
entlegenen nördlichen Teilen der Kapkolonie auf-
suchen. Hier begegnet man noch einem starken
Rest jenes Selbstherrenwesens, das dem Buren
im 17. und 18. Jahrhundert auf seiner einsamen
Vorpostenlinie der Zivilisation zur zweiten Natur
geworden ist; das läßt ihn nur da sich heimisch
fühlen, wo im Umkreis vieler Meilen kein Weißer
in den Bereich seiner Hütte kommt, wo nur er
sich selbst, seiner Familie und vor allem den
Eingeborenen, die in seiner Gewalt sind, Recht
und Sitte vorschreibt. Nur mit Murren fügt er
sich heute dem Gesetz, vor dem der Eingeborene
ein Wesen mit Menschenrechten ist. Der Sinn
für Nächstenpflichten, wo sie zum Wohle des
Ganzen mit irgend einer ernsten Verzichtleistung
für den einzelnen verknüpft sind, ist diesem
Familieneinsiedler im nördlichen Klein-Namaland
noch kaum wieder aufgedämmert, weder auf
politischem, noch sozialem, noch religiösem Gebiet.
Selbst eine formale Eheschließung gilt ihnen viel-
fach für unnötig; daß sie ungetauft aufwachsen,
tut dem Ansehen der christlichen Familien unter
ihresgleichen keinen Abbruch. Ende der neun-
ziger Jahre deckte ein englischer Geistlicher solche
paradiesischen Zustände in dem Landstrich zwischen
der Oranjemündung und Port Nolloth auf. Da
wurden dann bärtige Männer getauft und Groß-
eltern getraut, um die Enkel ehrlich zu machen.
Der einzige soziale Instinkt, der in diesen Buren
noch lebendig ist, ist ihre Gastlichkeit.
Dieser Mangel eines politischen Zusammen-
schlusses degradiert den Buren des Namalandes
in den Augen der Hottentotten. Ihm ist die
erbliche Kapitänschaft der stolze Ausdruck seines
angestammten Landbesitzrechts sowohl als eines
(nach seinen Begriffen) geordneten Nationallebens.
Von diesem Standpunkt aus verachtet der Hotten-
tott, von seinem Haß gegen den Eindringling ab-
gesehen, noch heute den einsiedelnden Buren als
zugelaufen und herrenlos, weist zum Vergleich auf
die Deutschen, die doch, wie er selbst, einen Ober-
kapitän hätten und eine Nation seien, wie die
ihrige.
Weit stärker als solche nationalen Empfindungen
sind die rein menschlichen Gefühle, die dem
Hottentotten den Buren für immer entfremdet
haben. Der Bur ist dem Eingeborenen von
vornherein mit jener prinzipiell jeder Verständigung
unzugänglichen Verachtung der farbigen Rasse,
die auch dem Kankasier äuf der niederen Stufe
seines Rassen= und Nationalitätsbewußtseins eigen
ist, unverhohlen gegenübergetreten. Noch heute
bezeichnet der Bur den Hottentotten schlechtweg
als „schepsel“, d. h. als ein Geschöpf im Sinne
eines Wesens, das nun einmal neben ihm noch
existiert wie so manches andere Unverständliche
oder Überflüssige in der Welt. Oder er nennt
den Hottentotten geel goec, „gelbe Ware“,
die man wie Vieh einspannen oder verhandeln
kann. Die Gewohnheit, Hottentottenkinder auf-
zugreifen und aufzuziehen, groot maakc, ist heute
weniger lohnend als früher, da der Hausherr
noch über Leben und Tod seiner Leibeigenen frei
verfügte und Ungehorsam oder Entlaufen kurzer-