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immer wieder betont worden, daß die Einführung
des Baumwollbaues aussichtsvoll ist, aber jahre-
langer zäher und ernster Arbeit bedarf. Das
Komitee hat stets vor Optimismus, aber auch vor
Pessimismus gewarnt. Bedanerlich aber ist es,
daß eine Veröffentlichung in einer vielgelesenen
Zeitung das aussichtsvolle und für unsere heimische
Volkswirtschaft bedeutungsvolle Kulturwerk stört.
Aus fremden Kolonien und Drodutionsgebieten.
Das russische Baumwollgeschäft im Jahre 1906.
Baumwollanbauin Rußland und Baum-
wolleinfuhr. Die Aussaatfläche der Baum-
wolle in Zentralasien ist im Jahre 1906 nicht
Unerheblich größer gewesen als im Jahre 1905.
Allein in der Fergana betrug die Zunahme etwa
7000 Deßjätinen. Im ganzen waren in Russisch-
Zentralasien etwa 217.000 Deßjätinen mit Baum-
wolle angepflanzt, und zwar etwa 93 v. H. mit
amerikanischen Samen, der Rest mit einheimischen.
Der Rohertrag wurde auf 18,9 Millionen Pud
berechnet, das Ergebnis an Flocke auf 7 bis
8 Millionen Pud geschätzt. Die Qualität der
zentralasiatischen Baumwolle dagegen scheint
wieder zurückgegangen zu sein. Die Gründe da-
für lagen jedenfalls nicht in den Witterungs-
verhältnissen, die sehr günstig gewesen sind, viel-
mehr ist unverkennbar und wird auch von vielen
Sachkundigen anerkannt, daß, wie auch in den
Vereinigten Staaten, das Bestreben, möglichst
viel zu produzieren, zur Vernachlässigung der
Kultur der Pflanze verleitet, was zu ihrer all-
mählichen Entartung führen muß. Namentlich
leidet hierunter der Stapel der Baumwolle, der
ebenso wie die Reinheit der Ware von Jahr zu
Jahr mehr zu wünschen übrig läßt. Unter diesen
Umständen wird Rußland, auch wenn es quan-
titativ das vielen Russen vorschwebende Ziel,
d. h. eine dem gesamten russischen Baumwoll-
bedarf entsprechende einheimische Baumwoll=
produktion, einmal erreichen sollte, doch auch in
Zukunft die langstapelige Baumwolle aus dem
Auslande beziehen müssen, es sei denn, daß man
den erwähnten bedenklichen Anzeichen größere
Aufmerksamkeit als bisher zuwendet. Dies wäre
umsomehr am Platz, als der Bedarf an höheren
Garnnummern (fine spinning) in Rußland be-
trächtlich zunimmt: Vorläufig sind aber die Be-
strebungen hauptsächlich auf eine Steigerung der
Produktion gerichtet, wie die erneute Erweiterung
der Anbaufläche deutlich zeigt. Auch die Tätigkeit
des neu errichteten Baumwollkomitees, das aus
Vertretern der Regierung, des Baumwollhandels
und der Großindustrie besteht, scheint sich zunächst
auf die Erweiterung und Verbesserung der Be-
wässerungsanlagen, also ebenfalls nur auf die
Erweiterung des Baumwollanbaus, zu richten.
Die Geschäfte in zentralasiatischer Baumwolle
gehen seit einigen Jahr mehr und mehr in die
Hände von kapitalkräftigen Vermittlern über; die
Produzenten verkaufen ihnen das Rohprodukt
gegen bar. Die Aufkäufer, in der Regel unter-
stüßt durch bedentende Kredite interessierter
Banken, reinigen, pressen, packen und sortieren
die Baumwolle und verkaufen sie in den Industrie-
bezirken, meist unter Gewährung großer Kredite.
Über den Erfolg dieser Art geschäftlicher Ope-
rationen ist ein Urteil schwierig. Auscheinend
haben die beteiligten Firmen stark mit Konjunk-
turen und Zufälligkeiten zu rechnen, welche die
Geschäftslage beeinflussen. Die Transportschwierig-
keiten, die auf der neuen Strecke Taschkent —
Orenburg—Moskau hauptsächlich wegen Loko-
motiven= und Waggonmangels bisher geherrscht
haben, dauern anscheinend auch noch 1907 fort
und können schwere Verluste zur Folge haben.
Nach der russischen Zollstatistik sind an Baum-
wolle im Jahre 1906 nach Rußland eingeführt
worden: 1. aus Amerika, Ostindien, Agypten und
sonstigen Ursprungsländern über die europäische
Grenze Rußlands 8811.000 Pud; 2. aus Persien,
Afghanistan, Chiwa und Buchara über die asia-
tische Grenze Rußlands 1 156 000 Pud, somit
insgesamt: 9 967 000 Pud gegen 10,4 Millionen
im Jahre 1905 und 12 Millionen Pud im Jahre
1904. Dieser bemerkenswerte Rückgang der Ein-
fuhr trotz kaum verminderter Nachfrage ist eine
Folge der Vermehrung der russischen Baumwoll-
produktion. Im Jahre 1906 waren in ganz
Rußland etwa 7½ Millionen Spindeln im Be-
trieb. Rechnet man für jede Spindel durch-
schnittlich einen Baumwollkonsum von 2½ Pud
pro Jahr, so würde sich ein russischer Gesamt-
verbrauch von etwa 18 bis 19 Millionen Pud
Baumwolle ergeben. Daraus geht hervor, daß
die einheimische Produktion, die für Zentral-
asien auf etwa 8 Millionen Pud, für Trans-
kaukasien auf etwa 800 000 Pud zu veranschlagen
war, im Jahr mindestes 45 v. H. des Gesamt-
bedarfs Rußlands an Baumwolle gedeckt hat,
ein Erfolg der russischen Baumwollpolitik, der
unbeschadet der obigen Vorbehalte hinsichtlich der
Qualität volle Anerkennung verdient.
Baumwollsamen-Verarbeitung. Nicht