Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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gehen müssen, wenn sie nicht degenerieren und 
Staatspensionäre werden. In unseren deutschen 
Kolonien sind wir erfreulicherweise mit diesen Ele- 
menten nicht zu stark belastet. Aber die Geschichte 
der Kolonisation der Vereinigten Staaten, doch des 
größten Kolonisationsunternehmens, das die Welt 
jemals gesehen hat, hatte als ersten Akt, die nahezu 
vollständige Vernichtung der Ureinwohner. Dem- 
gegenüber ist es eine Freude, zu konstatieren, daß 
mit dem kulturellen Fortschritt in der Welt auch die 
Kolonisationsmethoden eine große Wandlung haben 
durchmachen können. Hat man früher mit 
Zerstörungsmitteln kolonisiert, so 
kannman heute mit Erhaltungsmit- 
teln kolonisieren, und dazu gehören 
ebenso der Missionar, wie der Arzt, 
die Eisenbahn, wiedie Maschine,also 
die fortgeschrittenetheoretische und 
angewandte Wissenschaft auf allen 
Gebieten. 
Wir haben erfreuliche Zeugnisse des Wirkens 
der Missionen in unseren Schutzgebieten, und ich 
brauche als Bürger eines Staates mit christlicher 
Kultur mich über die Wichtigkeit dieser Seite nicht 
weiter auszulassen. Wir haben glänzende Reful. 
tate des Arztes. Dem deutschen Arzt ist es gelungen, 
den gefährlichsten Feind der Weißen, die Malaria, 
zu bändigen. Nach den neuesten Nachrichten ist es 
ihm gelungen, einem der gefährlichsten Feinde der 
Schwarzen, der im letzten Jahre über 300 000 Opfer 
gekostet hat, der Schlafkrankheit, energisch entgegen- 
zutreten. Er hat ein Mittel entdeckt, um die Rinder- 
pest durch Impfung zu bekämpfen, eine Krankheit, 
die noch in unserem südwestafrikanischen Schutzge- 
biete innerhalb 20 Jahren Hunderte von Millionen 
gekostet hat. Dazu kommt die Bekämpfung der 
Pflanzenkrankheiten und -Schädlinge, lauter Feinde 
unserer wirtschaftlichen Kultur. Wir haben als 
wichtigstes Kolonisationsmittel die Eisenbahn. Sie 
nimmt von den Schultern und dem Rücken von 
Hunderttausenden von Trägern die Last, macht sie 
für andere Tätigkeit frei, verstattet ihre Bewegung 
nach den Orten, wo die Arbeit gefragt ist, sichert die 
Gesetzmäßigkeit und die Rechtspflege. Die Eisen- 
bahn macht den Eingeborenen konsumsähig. Denn 
wenn von unseren deutschen Kolonien nur gegen- 
wärtig ein minimaler Prozentsatz, selbst der okku- 
patorisch zu gewinnenden Güter, seinen Weg nach 
der Küste findet, der Rest aber verdirbt, so ändert 
dies die Eisenbahn mit einem Schlage, und Hundert- 
tausende, ja Millionen von Eingeborenen werden 
verdienstfähig und beginnen ihren Verdienst anzu- 
legen in Kulturgütern, die, wenn auch zunächst noch 
keinen sehr hohen Wert haben, doch einen gewissen 
besitzen, und die wieder andere Eingeborene dazu 
anreizen, sich auf dieselbe friedliche Weise in deren 
Besitz zu setzen. 
  
In den „Mitteilungen der ostschweizerischen 
geographisch-kommerziellen Gesellschaft“ berichtete 
ein Forschungsreisender vor kurzem über den Ein- 
fluß der Uganda-Bahn in dem Deutsch-Ostafrika be- 
nachbarten Gebiete auf die Eingeborenen dortselbst. 
Der Reisende war vor 10 Jahren vor dem Bau der 
Eisenbahn schon in jener Gegend und konnte nun 
Vergleiche anstellen. Er schreibt, daß er hoch er- 
staunt war über die gewaltigen Veränderungen, 
welche die Eisenbahn besonders unter den Bergpöl- 
kern im Innern hervorgerufen hat. In friedlichen 
Kraalen wohnend, seien die wilden Stämme jetzt 
vollständig für die Arbeit gewonnen, und viele 
beginnen bereits, Englisch zu sprechen. Die vor 
10 Jahren zu jeder Arbeit notwendigen indischen 
Kulis, welche 28 Francs pro Monat kosteten, sind 
durch einheimische Neger ersetzt, welche für 7 bis 
10 Francs monatlich arbeiten. Das zeigte sich 
übrigens schon bei dem Bau des Endstückes der 
Eisenbahn, denn von 5115 Arbeitern, welche die 
Bahnverwaltung im Jahre 1904 beschäftigte, waren 
schon 2342 Afrikaner und von 4286 Arbeitern im 
letzten Baujahre 1905 sogar schon 3175 afrikanische 
Eingeborene. Raubzige, die früher in dem Gebiete 
der Eisenbahn an der Tagesordnung waren, sind 
jetzt infolge des neuen Verkehrsmittels geradezu 
unmöglich geworden. Dagegen haben der Ackerbau 
der Eingeborenen und der Export von Körnerfrüch- 
ten, Kartoffeln und Bohnen aus dem Innern von 
Uganda seit 1903 sich verdoppelt und verdreifacht. 
Die Technik ist vielleicht die wichtigste Hilfs- 
wissenschaft des Kolonisators. Wir haben den 
Bohrtechniker und den Windmotor, von dem wir mit 
Sicherheit erwarten können, daß sie das große, jetzt 
als wasserlos geltende südwestafrikanische Schutzge- 
biet in denselben blühenden Zustand versetzen wer- 
den, in dem sich zur Zeit die englische Kapkolonie 
befindet, die unter ganz gleichen Verhältnissen 
emporgewachsen ist, aber mangels dieser 
Hilfsmittel auch hundert Jahre dafür ge- 
braucht hat. Wir haben den Elektrotechniker, der 
große ausbenlungsfähige Wasserkräfte in den Dienst 
der Kultur spannen wird. Ja sogar die direkie 
Sonnenwärme zu motorischen Zwecken nutzbar zu 
machen, ist gelungen, und die Versuche haben sich 
besonders in Kalifornien unter klimatischen Ver- 
hältnissen, die denen von Südwestafrika ähnlich sind, 
angeblich nutzbar gezeigt. Wir haben den Geologen, 
der heute noch unbekannte, aber jedenfalls sehr große 
mineralische Schätze finden und dadurch einer großen 
Anzahl von Menschen eine lohnende Beschäftigung 
geben wird. 
Unsere Juristen helsen uns, einheimisches Recht 
und fremden Gebrauch nützlich zusammenzuschmic- 
den; die vergleichende Rechtswissenschaft, findet auch 
in Afrika ein ähnlich reiches Feld ihrer Betätigung, 
wie die vergleichende Völkerkunde und Anthropolo-
	        
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