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gehen müssen, wenn sie nicht degenerieren und
Staatspensionäre werden. In unseren deutschen
Kolonien sind wir erfreulicherweise mit diesen Ele-
menten nicht zu stark belastet. Aber die Geschichte
der Kolonisation der Vereinigten Staaten, doch des
größten Kolonisationsunternehmens, das die Welt
jemals gesehen hat, hatte als ersten Akt, die nahezu
vollständige Vernichtung der Ureinwohner. Dem-
gegenüber ist es eine Freude, zu konstatieren, daß
mit dem kulturellen Fortschritt in der Welt auch die
Kolonisationsmethoden eine große Wandlung haben
durchmachen können. Hat man früher mit
Zerstörungsmitteln kolonisiert, so
kannman heute mit Erhaltungsmit-
teln kolonisieren, und dazu gehören
ebenso der Missionar, wie der Arzt,
die Eisenbahn, wiedie Maschine,also
die fortgeschrittenetheoretische und
angewandte Wissenschaft auf allen
Gebieten.
Wir haben erfreuliche Zeugnisse des Wirkens
der Missionen in unseren Schutzgebieten, und ich
brauche als Bürger eines Staates mit christlicher
Kultur mich über die Wichtigkeit dieser Seite nicht
weiter auszulassen. Wir haben glänzende Reful.
tate des Arztes. Dem deutschen Arzt ist es gelungen,
den gefährlichsten Feind der Weißen, die Malaria,
zu bändigen. Nach den neuesten Nachrichten ist es
ihm gelungen, einem der gefährlichsten Feinde der
Schwarzen, der im letzten Jahre über 300 000 Opfer
gekostet hat, der Schlafkrankheit, energisch entgegen-
zutreten. Er hat ein Mittel entdeckt, um die Rinder-
pest durch Impfung zu bekämpfen, eine Krankheit,
die noch in unserem südwestafrikanischen Schutzge-
biete innerhalb 20 Jahren Hunderte von Millionen
gekostet hat. Dazu kommt die Bekämpfung der
Pflanzenkrankheiten und -Schädlinge, lauter Feinde
unserer wirtschaftlichen Kultur. Wir haben als
wichtigstes Kolonisationsmittel die Eisenbahn. Sie
nimmt von den Schultern und dem Rücken von
Hunderttausenden von Trägern die Last, macht sie
für andere Tätigkeit frei, verstattet ihre Bewegung
nach den Orten, wo die Arbeit gefragt ist, sichert die
Gesetzmäßigkeit und die Rechtspflege. Die Eisen-
bahn macht den Eingeborenen konsumsähig. Denn
wenn von unseren deutschen Kolonien nur gegen-
wärtig ein minimaler Prozentsatz, selbst der okku-
patorisch zu gewinnenden Güter, seinen Weg nach
der Küste findet, der Rest aber verdirbt, so ändert
dies die Eisenbahn mit einem Schlage, und Hundert-
tausende, ja Millionen von Eingeborenen werden
verdienstfähig und beginnen ihren Verdienst anzu-
legen in Kulturgütern, die, wenn auch zunächst noch
keinen sehr hohen Wert haben, doch einen gewissen
besitzen, und die wieder andere Eingeborene dazu
anreizen, sich auf dieselbe friedliche Weise in deren
Besitz zu setzen.
In den „Mitteilungen der ostschweizerischen
geographisch-kommerziellen Gesellschaft“ berichtete
ein Forschungsreisender vor kurzem über den Ein-
fluß der Uganda-Bahn in dem Deutsch-Ostafrika be-
nachbarten Gebiete auf die Eingeborenen dortselbst.
Der Reisende war vor 10 Jahren vor dem Bau der
Eisenbahn schon in jener Gegend und konnte nun
Vergleiche anstellen. Er schreibt, daß er hoch er-
staunt war über die gewaltigen Veränderungen,
welche die Eisenbahn besonders unter den Bergpöl-
kern im Innern hervorgerufen hat. In friedlichen
Kraalen wohnend, seien die wilden Stämme jetzt
vollständig für die Arbeit gewonnen, und viele
beginnen bereits, Englisch zu sprechen. Die vor
10 Jahren zu jeder Arbeit notwendigen indischen
Kulis, welche 28 Francs pro Monat kosteten, sind
durch einheimische Neger ersetzt, welche für 7 bis
10 Francs monatlich arbeiten. Das zeigte sich
übrigens schon bei dem Bau des Endstückes der
Eisenbahn, denn von 5115 Arbeitern, welche die
Bahnverwaltung im Jahre 1904 beschäftigte, waren
schon 2342 Afrikaner und von 4286 Arbeitern im
letzten Baujahre 1905 sogar schon 3175 afrikanische
Eingeborene. Raubzige, die früher in dem Gebiete
der Eisenbahn an der Tagesordnung waren, sind
jetzt infolge des neuen Verkehrsmittels geradezu
unmöglich geworden. Dagegen haben der Ackerbau
der Eingeborenen und der Export von Körnerfrüch-
ten, Kartoffeln und Bohnen aus dem Innern von
Uganda seit 1903 sich verdoppelt und verdreifacht.
Die Technik ist vielleicht die wichtigste Hilfs-
wissenschaft des Kolonisators. Wir haben den
Bohrtechniker und den Windmotor, von dem wir mit
Sicherheit erwarten können, daß sie das große, jetzt
als wasserlos geltende südwestafrikanische Schutzge-
biet in denselben blühenden Zustand versetzen wer-
den, in dem sich zur Zeit die englische Kapkolonie
befindet, die unter ganz gleichen Verhältnissen
emporgewachsen ist, aber mangels dieser
Hilfsmittel auch hundert Jahre dafür ge-
braucht hat. Wir haben den Elektrotechniker, der
große ausbenlungsfähige Wasserkräfte in den Dienst
der Kultur spannen wird. Ja sogar die direkie
Sonnenwärme zu motorischen Zwecken nutzbar zu
machen, ist gelungen, und die Versuche haben sich
besonders in Kalifornien unter klimatischen Ver-
hältnissen, die denen von Südwestafrika ähnlich sind,
angeblich nutzbar gezeigt. Wir haben den Geologen,
der heute noch unbekannte, aber jedenfalls sehr große
mineralische Schätze finden und dadurch einer großen
Anzahl von Menschen eine lohnende Beschäftigung
geben wird.
Unsere Juristen helsen uns, einheimisches Recht
und fremden Gebrauch nützlich zusammenzuschmic-
den; die vergleichende Rechtswissenschaft, findet auch
in Afrika ein ähnlich reiches Feld ihrer Betätigung,
wie die vergleichende Völkerkunde und Anthropolo-