Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Marsch, der heute noch 30 Tage in Anspruch 
nimmt. Mombassa liegt unter dem 4. Grad süd- 
licher Breite und der Endpunkt der englischen 
Bahn am Viktoria-Nyansa genan auf dem 
Agquator, Tabora liegt auf dem 5. Grad südlicher 
Breite. Das ganze Schutzgebiet ist nicht nur 
tropisch, sondern es liegt nahezu direkt unter dem 
Aquator, und das ist bei allen Erwägungen über 
die Zukunft nicht zu vergessen. Die englische 
Bahn ist 584 englische Meilen gleich 940 km 
lang, d. h. ungefähr die Distanz von Oldenburg 
nach Wien. Sie ist auf 1 m Spur gebaut und 
hat in runder Summe 110 Millionen Mk. ge- 
kostet. Die Bahn ist zunächst entstanden aus 
Gründen der Sicherheit, um England die Mög- 
lichkeit zu geben, den Besitz des ostafrikanischen 
Protektorats östlich des Nyansa, des Uganda- 
Protektorats westlich des Nyansa und der oberen 
Nilländer nördlich des Nyansa ohne zu großen 
Aufwand zu halten. Das Land selbst, durch das 
die Bahn fährt, ist zum großen Teil nahezu un- 
produktiv. Wenn man den herrlichen Palmen- 
bestand und den in aller tropischen Uppigkeit 
glänzenden Küstengürtel überwunden hat, folgen 
mindestens 400 km, aus denen die Bahn nahezu 
keinerlei Frachten ziehen kann, unendliche Ebenen, 
durchaus menschenleer, weil sehr wasserarm. Hier 
nun hat sich die Gelegenheit gegeben, in einer 
geistreichen Ausnutzung der natürlichen Umstände, 
dem Reisenden Bilder zu bieten, wie sie schöner 
und romantischer nicht ausgedacht werden können. 
Die ganze Strecke nämlich ist zu einem Wild- 
reservat erklärt worden, und auf ihr tummeln sich 
in Herden von Tausenden Zebras und Guus, 
große und kleine Antilopen, Gazellen und Strauße. 
Hier und da kann man zunächst wie große kahle 
Bäume aussehende Giraffen zu 2 und 3 zu- 
sammenstehen sehen, und diese Tierwelt weiß, 
daß sie absolut geschützt ist, sie kommt bis auf 10 
bis 15 m an den vorbeisaunsenden Zug heran. Auch 
an Raubzeug fehlt es nicht. Während des Baues ist 
eine große Menge indischer und einheimischer Ar- 
beiter, sind auch mehrere Weiße von Löwen zer- 
rissen worden, und am Tage vor meiner Durchreise 
war auf der Station dem Sultan Mamuth eine 
schwarze Fran wenige hundert Meter vom Stations- 
gebäude fortgeschleppt worden; ja, eine Station 
trägt direkt den Namen „Löwe“ (Simba). Durch 
diese wunderbare Tierwelt fährt man nun nahezu 
einen ganzen Tag. Die afrikanischen Bahnen 
haben keine Schnellzugsgeschwindigkeit, 46 Stunden 
dauert die Fahrt, 2 Tage und 2 Nächte, und 
wenn sie auch interessant ist, so ist sie 
nicht sehr bequem, denn Schlafwagen gibt 
es natürlich nicht. Die Mahlzeiten müssen 
an bestimmten mit Speisehäusern verbundenen 
Bahnhöfen eingenommen werden, wo dann 
  
der Zug ½ oder ¾ Stunden hält. Wenn es 
auch nicht rußt wie auf unseren Eisenbahnen, 
weil die Feuerung mit Holz erfolgt, so dringt 
doch ein feuerroter Staub ständig durch alle 
Ritzen und Spalten ein, und wenn man seine 
Reise absolviert hat, sieht man eher wie ein 
Indianer als wie ein Bleichgesicht aus. 
Die jetzige Hauptstadt Nairobi teilt die Bahn 
in zwei etwa gleiche Teile; sie liegt ziemlich 
hoch und ist deshalb von vielen Europäern 
dauernd bewohnt. Auch sind zahlreiche euro- 
päische Ansiedelungen, besonders von Engländern 
und Buren, die aus Südafrika ausgewandert 
sind, um Nairobi gruppiert, und es hatte eine 
Zeitlang den Anschein, als ob dort eine große 
weiße Stadt entstehen könne. So wurde sie 
denn angelegt in prächtiger, extravaganter Weise, 
mit breiten Avenuen; Baustellen stiegen auf 
fabelhafte Preise, und die Stadt, die ursprünglich 
nur entstanden war, um ein Banzentrum für 
die Bahn zu bilden, wuchs an den verschiedensten 
Stellen rapide auf. Aber es zeigte sich, daß 
auch das Höhenklima nicht vor Seuchen und 
Malaria schützt und ferner, daß selbst eine hohe 
und dünne Luft europäische Arbeit sehr erschwert, 
weil die tropische Sonne dabei täglich neun bis 
zehn Stunden dem Arbeiter über dem Scheitel 
steht. Und so sind denn jene weiße Ansiede- 
lungen um Nairobi, insbesondere da ein Absatz 
für die Produkte fehlte, wieder sehr stark im 
Rückgang begriffen, und ein sehr unzufriedenes 
Element hat sich dort gebildet. 
Die Bauspekulation ist total zusammenge- 
brochen; Bauplätze, die vor vier Jahren um 
400 Mk. zu haben waren, inzwischen aber auf 
4000 Mk. gestiegen waren, sind heute zum Ur- 
sprungspreis kaum mehr anzubringen. So ist 
denn Nairobi vorläufig noch eine Stadt aus 
Wellblech, und wenn sie auch einen langsamen 
Fortschritt verspricht mit der Hebung von Handel 
und Wandel, so sind doch die extravaganten Er- 
wartungen für eine weiße Ansiedelung bisher 
unerfüllt geblieben. 
Auch ein wesentlicher Plantagenbau besteht 
in Britisch-Ostafrika nicht. Er scheitert an der 
dünnen Besiedelung mit Schwarzen und an der 
Überzeugung der Regierung, daß das Land in 
der Eingeborenenkultur eine sicherere Basis finden 
werde, als in der Erzengung der den 
Schwankungen des Weltmarkts stark unterworfe- 
nen Plantagenprodukte. Die Dünne der Be- 
völkerung erklärt auch die Bestrebungen, die be- 
ständig dahin gehen, aus dem viel volkreicheren 
Deutsch-Ostafrika beständig Arbeiter in großen 
Mengen zur Auswanderung zu bewegen, eine 
Tendenz, der nur durch große Vorsicht und an- 
gemessene Behandlung unserer Eingeborenen ent-
	        
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