Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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früher, nur die Faktoreien waren zahlreicher ge- 
worden, und der Verkehr hatte entsprechend zu- 
genommen. Ganz Jannde stand im Zeichen des 
Gummis, der im Lande selbst aus Lianen, in 
den weiteren Nachbargebieten durch Anzapfen der 
Kikriabäume gewonnen wird. Die Janndes, von 
denen ich mühsam die ersten im Jahre 1894 
halb mit Gewalt zur Küste geführt hatte, waren 
zur Zeit in großem Ausschwung begriffen, sie 
stellten die Gummikarawanen für die Firmen, 
d. h. sie zogen von diesen, mit Waren ausge- 
rüstet, in ein Gebiet, wo die Eingeborenen es 
noch nicht verstanden, Gummi zu gewinnen. 
Besonders günftig auf die Entwicklung des 
Landes hat die Niederlassung der Pallotiner in 
M'folie, dreiviertel Stunden von der Station, 
eingewirkt. Mit scharfem Blick hat der Bischof 
Vieter ein unweit der Hauptstraße gelegenes 
prächtiges Areal ausgewählt, in dessen Mitte auf 
einem sanft ansteigenden, eine wunderbare Aus- 
sicht über das freundliche Land gewährenden 
Hügel der Bau der Wohnhäuser für die Bäter 
und Brüder mit anschließender Schule damals 
gerade begonnen wurde. Ich schätze die Missions- 
tätigkeit der Pallotiner auch deshalb besonders hoch 
ein, weil sie den Eingeborenen ein echtes dent- 
sches, praktisches Christentum predigen, weil diese 
Missionare von früh bis spät selbst tätig, überall 
mit Hand anlegen. Handwerkskundige Brüder 
unterrichten die Eingeborenen in der Zimmerei, 
Schreinerei und Maurerarbeit, lehren sie Steine 
brechen und Ziegel machen, sogar die Schwestern 
habe ich bei der Feldarbeit zugreifen und ihren 
Schülerinnen mit gutem Beispiel vorangehen 
sehen. Die Janndes sind lernbegierig, und viele 
Knaben nehmen nur aus dem Grunde als 
Hausjungen Dienst bei Europäern an der Küste, 
um nebenbei in der Schule dort lesen und 
schreiben zu lernen. 
Auf der Station waren mehrere neue massive 
Häuser errichtet, und der befestigte Ausbau des 
Platzes war in den Jahren, in denen ich Jannde 
nicht gesehen hatte, vollendet worden. Viel 
Freude machte es mir, mit den Kameraden durch 
die Station zu gehen. Ich mußte viel erzählen 
von der Stationsgründung. Die Soldaten lagen 
zum großen Teil im Felde, Oberleutnant 
Schennemann führte Krieg sechs Tagemärsche 
östlich der Station gegen die Eums. Er war 
persönlich nur auf die Station gekommen, um 
uns zu begrüßen und der Expedition Träger zu 
beschaffen. Es waren schöne Abendstunden, wenn 
wir, fast alle gleichalterige, gleichgesinnte, mitten 
in der Arbeit stehende Kameraden, auf der breiten 
Piassa beieinander saßen. Jeder hatte zu er- 
zählen: Scheunemann und Möllendorf mit strup- 
pigen Bärten berichteten von den Esums, gegen 
  
die sie schon seit Monaten fochten. Übermanns- 
hohes Gras und dichter Wald, weite unbewohnte 
Strecken und die Unzuverlässigkeit der umwoh- 
nenden Stämme, die den Esums Unterschlupf 
gewährten, wenn sie geschlagen waren, machten 
den Kampf besonders schwierig. Immer wieder 
tauchten Esumbanden, von neuem mit Pulver 
und Gewehren versehen, auf und griffen die 
Stationspatronillen an. Nolte und ich erzählten 
von der Wute-Adamana-Expedition und Bülow 
von seinen schweren Kämpfen gegen die Bulis. 
Es kann für afrikanische Soldaten wohl kaum 
etwas Lehrreicheres geben als solche Gefechts- 
berichte von guten Kameraden, die wissen, was 
sie voneinander zu halten haben. 
Dumpfer Trommelschlag weckte uns am 
Morgen. Mit Gesang kamen tagsüber die 
Träger stammesweise von allen Seiten herange- 
rückt. Fast 800 Mann wurden benötigt, davon 
sollten 700 nach Adamana und 100 nach Joko 
gehen. Das Hauptkontingent neben den eigent- 
lichen Janndes stellten die Etunstämme, die das 
Grasland nördlich Janndes bis zum Sanaga 
bewohnen. Es sind Bantuneger wie die Jaundes, 
aber sie gehören nicht zu den Fanstämmen, die 
von Osten her eingewandert sind, sondern sie 
sind den Batis verwandt, die, ursprünglich nörd- 
lich des Sanagas sitzend, von Wutes verdrängt 
wurden, die ihrerseits, Sudanneger, vor den mo- 
hammedanischen Fulbes oder Fullahs nach Süden 
ausgewichen sind. Mit den Jaundes verwandt, 
aber stark verfeindet sind ihre westlichen Nach- 
barn, die Mwelles oder Bakokos, die auf beiden 
Sanaga-Ufern sitzen. Das Bakokogebiet unter- 
steht dem Bezirksamt Edea am Sanaga. Auch 
die Batischengas am Sanaga und die Batistämme 
nördlich davon stellten Träger. Aus letzteren 
hatte ich mir unter meinem früheren Hausjungen 
Bea, einem intelligenten Mann, der nun als 
Häuptling in seiner alten Heimat saß, eine kleine 
Schar besonders gewandter persönlicher Träger 
ausgesucht. 
Nicht ohne Sorgen für die Zukunft saß ich 
am 11. November an dem ranschenden Sanaga 
und überwachte das lbersetzen meiner Expedition. 
Die tosenden Nachtigalfälle, der fast vierhundert 
Meter breite, von schmalem Galeriewald einge- 
faßte mächtige Strom inmitten der weiten Gras- 
savanne, die ungefügen Kanns, von den Bati- 
schengas geschickt gestenert, die Wutehäuptlinge 
Na, Wimba und Dandugu, die hierher gekommen 
waren, um mich zu begrüßen, das alles erinnerte 
mich an vergangene Zeiten. Bis hierher hatte 
der gransame Ngilla unumschränkt geherrscht, 
in beständigem Kampf mit den wenigen Batis, 
die sich noch in den geschlossenen Waldkomplexen 
nördlich des Flusses zu halten vermocht hatten.
	        
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