Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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bestimmt war. Bald wurden von mehreren 
Männern große Töpfe mit gekochtem Fleisch und 
Kürbisschalen mit grünem Gemüse herbeigeschleppt. 
Sauber in Plantenblätter verpackt, trugen die 
Sklaven die warmen ungesäuerten Brote aus 
Durrah= und Maismehl herbei. Dann besuchte 
uns unter vielem Lärm Ngutte selbst auf einen 
Augenblick, um zu sehen, daß alles in Ordnung 
sei. Gegen Abend ging ich zu dem Alten in 
seine Felsenburg, die er sich am Gebirgshange 
in einer von der Natur trefflich geschützten Stelle 
angelegt hatte, zu der nur zwischen mächtigen 
Steinen hindurch ein schmaler durch Pallisaden 
verschließbarer Zugang führte. Ich beschenkte 
Ngutte mit einem bequemen Stuhl, warmen 
Decken, einem großen dreiteiligen Toilettenspiegel, 
einer Spieluhr, Ringen und Zeugen. Der alte 
Herr war sehr befriedigt und redselig. Als es 
dunkel wurde, ließ ich Magnesiumfackeln anstecken, 
was ihm viel Spaß machte. Auf einer niedrigen 
Bank, an zwei Weiber gelehnt, saß er, unaufhör- 
lich Bier trinkend, mir gegenüber, zu seinen 
Füßen, die Waffen über den gekreuzten Beinen, 
seine Getreuen, meistens Alte mit langen Bärten. 
Er hatte die Haussahgewänder abgelegt, war nach 
Wuteart nur mit einer Hose aus Baumrinde be- 
kleidet, so daß ich den mächtigen, ausgeschwemmten 
Körper sehen konnte. Er war goealtert in den letzten 
Jahren. Immer wieder versicherte er mir, ich 
sei sein bester Freund. 
Unaufhörlich wiederholte er seine Worte, und 
jedesmal antworteten seine Leute im Kreise, zu- 
stimmend mit den Köpfen nickend: „Saki“ (Löwe). 
Wie ein Abgott wurde der alte Ngutte von seinen 
Wutes noch verehrt, ich aber genoß in diesen 
Tagen das fesselnde Bild, das sich mir bot. Ich 
befand mich hier unter einem von der Kultur 
unberührten, despotisch regierten innerafrikanischen 
Volke. Wie die photographische Platte zerstört 
ist, wenn ein Sonnenstrahl auf sie fällt, so ist es 
mit dem urwüchsigen Barbarentum, sobald die 
Kultur in ihre Rechte tritt. Nie wieder wird 
ein Europäer schauen, was ich bei Ngilla und 
Ngutte und nur zwei oder drei Menschen vor 
mir gesehen hatten. Rohe, wüste, unmenschliche 
Bilder waren es, aber wahre Erlebnisse. Ein 
Mensch, von menschenfressenden Kannibalen zum 
Gott erhoben; vor ihm lagen sie im Staube, kein 
Unfreier durfte ihn schauen, wenn er ausspie, so 
balgten sie sich um seinen Speichel, den sie sich 
als wundertätig in die Haut verrieben. Ich sehe 
Ngilla beim Kampfspiel selbst den Speer ergreifen, 
ihn gegen seine anstürmenden Krieger schleudern, 
sehe einen Mann getroffen zusammenstürzen, über 
den, dem Häuptling zujubelnd, die anderen hinweg- 
jagen. Ich sehe Ngutte in der Tür des hohen 
Mattenzaunes stehen, der seine Weiberhäuser um- 
  
gab; die Sklaven werfen Brot für die verhungerten 
Sklavenkinder auf den freien Platz. Lachend 
greift der Häuptling nach einer Handvoll Speeren, 
die er auf die sich balgenden Kinder schleudert. 
Ich höre das Kreischen des Weibes, das Nogilla 
unter dem Beifallsgesange seiner Frauen an den 
Armen an der Decke aufgehängt hat, weil man 
sie der Untreue zieh, und der er hohnlachend 
mit seinem Messer den Leib öffnete. Grausige 
Bilder, aber afrikanische Wahrheit. Und es fällt 
mir ein, daß ich wieder als erster neuen Ländern 
entgegenziehen darf, und die Erwartung der 
kommenden Tage schwellt das Herz, als ich aus 
der Felsenburg zum Lager schreite. Über das 
Gebirge wollten wir in das Tikarland! 
Der letzte Novembertag führte uns in den 
Wald, der die Nähe des Kimflusses ankündigte, 
auf dessen jenseitigem Ufer Ngambe liegt. 
Boten des Häuptlings, nach Haussahart ge kleidet, 
kamen uns entgegen, und mittags standen wir 
vor der gewaltigen Hängebrücke, die sich in hohem 
Bogen über das 150 m breite Flußtal hinspannt. 
Ngambe ist die Hauptstadt der Mandiongolos, 
eines Tikarstammes. Zu dieser großen Bölker- 
familie gehören auch die Bafuts, Bandengs, 
Bamums und die Balis. Mit siebenfachem Wall 
und Graben versehen, hatte Ngambe elf Jahre 
lang dem Andrängen der Fullahs standgehalten. 
Mahama, der Lamido von Tibati, lag im Kriegs- 
lager vor Ngambe, als wir 1899 das Tibati- 
sultanat angriffen. Von uns gedrängt, gab 
Mahama die Belagerung auf, und Kommandeur 
v. Kamptz zog als Befreier in Ngambe ein. Ich 
begrüßte die Tikarleute hier unter dem Namen 
seriki n yaki (Feldhauptmann). In den Fullah- 
staaten ist nämlich der König nicht der eigentlich 
im Kriege Kommandierende, sondern er ernennt 
zu diesem Zweck seinen seriki n paki. Wie zu 
Trojas Zeiten war hier übrigens auch der lange 
Krieg vor der Stadt geführt worden, deren Be- 
wohner ihre Felder innerhalb der meilenweiten 
Umwallung unbeschadet des Krieges ruhig be- 
bauten. Nur in einigen Monaten der Trocken- 
heit wurden wirkliche Gefechte geführt, sonst soll 
sogar in Waffenstillstandszeiten ein reger Markt- 
verkehr zwischen Belagerern und Belagerten ge- 
herrscht haben, und seine Hauptsubsidien erhielt 
der heidnische Ngambehäuptling aus dem 
mohammedanischen Banjo, dessen junger Sultan 
seinem Nachbar Tobati die Unterwerfung der 
reichen Heidenstämme nicht gönnte. 
Die Mandiongolos haben Fullahgewohnheiten 
angenommen und gehen fast alle bekleidet. Es 
ist ein stattlicher, bronzefarbener Menschenschlag 
mit wohlgebildeten, offenen Gesichtszügen. Auch 
bei ihnen führt der König ein despotisches Regi- 
ment. Der dicke Häuptling ließ allerdings im
	        
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