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bestimmt war. Bald wurden von mehreren
Männern große Töpfe mit gekochtem Fleisch und
Kürbisschalen mit grünem Gemüse herbeigeschleppt.
Sauber in Plantenblätter verpackt, trugen die
Sklaven die warmen ungesäuerten Brote aus
Durrah= und Maismehl herbei. Dann besuchte
uns unter vielem Lärm Ngutte selbst auf einen
Augenblick, um zu sehen, daß alles in Ordnung
sei. Gegen Abend ging ich zu dem Alten in
seine Felsenburg, die er sich am Gebirgshange
in einer von der Natur trefflich geschützten Stelle
angelegt hatte, zu der nur zwischen mächtigen
Steinen hindurch ein schmaler durch Pallisaden
verschließbarer Zugang führte. Ich beschenkte
Ngutte mit einem bequemen Stuhl, warmen
Decken, einem großen dreiteiligen Toilettenspiegel,
einer Spieluhr, Ringen und Zeugen. Der alte
Herr war sehr befriedigt und redselig. Als es
dunkel wurde, ließ ich Magnesiumfackeln anstecken,
was ihm viel Spaß machte. Auf einer niedrigen
Bank, an zwei Weiber gelehnt, saß er, unaufhör-
lich Bier trinkend, mir gegenüber, zu seinen
Füßen, die Waffen über den gekreuzten Beinen,
seine Getreuen, meistens Alte mit langen Bärten.
Er hatte die Haussahgewänder abgelegt, war nach
Wuteart nur mit einer Hose aus Baumrinde be-
kleidet, so daß ich den mächtigen, ausgeschwemmten
Körper sehen konnte. Er war goealtert in den letzten
Jahren. Immer wieder versicherte er mir, ich
sei sein bester Freund.
Unaufhörlich wiederholte er seine Worte, und
jedesmal antworteten seine Leute im Kreise, zu-
stimmend mit den Köpfen nickend: „Saki“ (Löwe).
Wie ein Abgott wurde der alte Ngutte von seinen
Wutes noch verehrt, ich aber genoß in diesen
Tagen das fesselnde Bild, das sich mir bot. Ich
befand mich hier unter einem von der Kultur
unberührten, despotisch regierten innerafrikanischen
Volke. Wie die photographische Platte zerstört
ist, wenn ein Sonnenstrahl auf sie fällt, so ist es
mit dem urwüchsigen Barbarentum, sobald die
Kultur in ihre Rechte tritt. Nie wieder wird
ein Europäer schauen, was ich bei Ngilla und
Ngutte und nur zwei oder drei Menschen vor
mir gesehen hatten. Rohe, wüste, unmenschliche
Bilder waren es, aber wahre Erlebnisse. Ein
Mensch, von menschenfressenden Kannibalen zum
Gott erhoben; vor ihm lagen sie im Staube, kein
Unfreier durfte ihn schauen, wenn er ausspie, so
balgten sie sich um seinen Speichel, den sie sich
als wundertätig in die Haut verrieben. Ich sehe
Ngilla beim Kampfspiel selbst den Speer ergreifen,
ihn gegen seine anstürmenden Krieger schleudern,
sehe einen Mann getroffen zusammenstürzen, über
den, dem Häuptling zujubelnd, die anderen hinweg-
jagen. Ich sehe Ngutte in der Tür des hohen
Mattenzaunes stehen, der seine Weiberhäuser um-
gab; die Sklaven werfen Brot für die verhungerten
Sklavenkinder auf den freien Platz. Lachend
greift der Häuptling nach einer Handvoll Speeren,
die er auf die sich balgenden Kinder schleudert.
Ich höre das Kreischen des Weibes, das Nogilla
unter dem Beifallsgesange seiner Frauen an den
Armen an der Decke aufgehängt hat, weil man
sie der Untreue zieh, und der er hohnlachend
mit seinem Messer den Leib öffnete. Grausige
Bilder, aber afrikanische Wahrheit. Und es fällt
mir ein, daß ich wieder als erster neuen Ländern
entgegenziehen darf, und die Erwartung der
kommenden Tage schwellt das Herz, als ich aus
der Felsenburg zum Lager schreite. Über das
Gebirge wollten wir in das Tikarland!
Der letzte Novembertag führte uns in den
Wald, der die Nähe des Kimflusses ankündigte,
auf dessen jenseitigem Ufer Ngambe liegt.
Boten des Häuptlings, nach Haussahart ge kleidet,
kamen uns entgegen, und mittags standen wir
vor der gewaltigen Hängebrücke, die sich in hohem
Bogen über das 150 m breite Flußtal hinspannt.
Ngambe ist die Hauptstadt der Mandiongolos,
eines Tikarstammes. Zu dieser großen Bölker-
familie gehören auch die Bafuts, Bandengs,
Bamums und die Balis. Mit siebenfachem Wall
und Graben versehen, hatte Ngambe elf Jahre
lang dem Andrängen der Fullahs standgehalten.
Mahama, der Lamido von Tibati, lag im Kriegs-
lager vor Ngambe, als wir 1899 das Tibati-
sultanat angriffen. Von uns gedrängt, gab
Mahama die Belagerung auf, und Kommandeur
v. Kamptz zog als Befreier in Ngambe ein. Ich
begrüßte die Tikarleute hier unter dem Namen
seriki n yaki (Feldhauptmann). In den Fullah-
staaten ist nämlich der König nicht der eigentlich
im Kriege Kommandierende, sondern er ernennt
zu diesem Zweck seinen seriki n paki. Wie zu
Trojas Zeiten war hier übrigens auch der lange
Krieg vor der Stadt geführt worden, deren Be-
wohner ihre Felder innerhalb der meilenweiten
Umwallung unbeschadet des Krieges ruhig be-
bauten. Nur in einigen Monaten der Trocken-
heit wurden wirkliche Gefechte geführt, sonst soll
sogar in Waffenstillstandszeiten ein reger Markt-
verkehr zwischen Belagerern und Belagerten ge-
herrscht haben, und seine Hauptsubsidien erhielt
der heidnische Ngambehäuptling aus dem
mohammedanischen Banjo, dessen junger Sultan
seinem Nachbar Tobati die Unterwerfung der
reichen Heidenstämme nicht gönnte.
Die Mandiongolos haben Fullahgewohnheiten
angenommen und gehen fast alle bekleidet. Es
ist ein stattlicher, bronzefarbener Menschenschlag
mit wohlgebildeten, offenen Gesichtszügen. Auch
bei ihnen führt der König ein despotisches Regi-
ment. Der dicke Häuptling ließ allerdings im