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allgemeinen nicht viel von sich merken, denn von
9 Uhr ab war er total betrunken und regierungs-
unfähig. Vor seinem kunstvoll gebauten Palast
saß er im Schatten auf einer Art rundem Thron-
sessel, der mit kleinen Perlen bunt bestickt war,
von früh bis spät Palmenwein trinkend und die
lange kunstvoll mit Messing beschlagene Pfeife
rauchend. Zu deren Bedienung saß ein Weib
mit untergeschlagenen Knien neben ihm, die fort-
während stopfte und rauchte, wenn er nicht selbst
tätig war. Dieses Amt versah zur Zeit zu
meinem größten Erstaunen die schöne Abinda,
die lange Zeit eine der elegantesten und be-
gehrtesten Damen in Jaunde gewesen war. Im
Jahre 1893 war Rittmeister von Stetten, den
der Lamido von Tibati im sanserni (Kriegs-
lager) festhalten wollte, nach Ngambe durchge-
brochen, wo ihm die Tikars freundlich Aufnahme
gewährten. Mit Stettens Expedition war das
Tikarmädchen Abinda dann Benne abwärts zur
Küste und weiter nach Jannde gelangt. Als durch
die Wute-Adamana-Expedition der Weg über
Tibati nach Ngambe frei wurde, hatte sie sich in
ihre Heimat ausgemacht und begrüßte uns nun
als Dolmetscherin und Pfeifenwart ihres Königs.
Sie hatte wieder ganz die Gewohnheiten ihres
Volkes angenommen, wie ich es so oft bei ge-
bildeteren Negern, die in ihre Heimat zurück-
gekehrt sind, gefunden habe. Alte Europa-Diener,
die womöglich in Deutschland gewesen sind und
sich an der Küste schämen würden, ohne Kragen
zu gehen, sieht man zu Hause wieder rot bemalt,
nur mit einem Schurz bekleidet, herumlaufen.
Gute Sitte, Religion, alles ist vergessen.
Am 3. Dezember traf Bülow aus Joko mit
ein paar guten Pferden für uns in Ngambe ein.
Die Expedition war beisammen, und am 5. De-
zember marschierten wir auf Banjo ab, das wir
am 13. erreichten.
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Wir waren in Adamana. Adamaua ist ein
politischer, kein geographischer Begriff. Das Land
ist so genannt nach Adamn, dem großen Fullah=
Eroberer, der um 1812 Jola am oberen Benue
gründete. Fullahritter legten Ngaumdere, Tibati
und Banjo zuerst als Kriegslager im Heiden-
lande an, die sich zu festen Städten entwickelten.
Dann ließ ihr Feldhauptmann sich in Jola zum
Lamido“) weihen. Der Herrscher dort war zum
Emir“) bestellt und zum geistlichen und weltlichen
Oberhaupt Adamauas gemacht worden. Sämt-
liche Adamana-Fürsten waren dem Emir von Jola
tributpflichtig und mußten ihm Heeresfolge leisten.
Adamanua ist erobertes Land, die Träger der
*) Lamido ist ein weltlicher Titel, während Emir
die kirchliche Würde begeichnet.
Herrschaft sind die mohammedanischen Fullahs,
ein semitisches Hirtenvolk. Vom Senegal und
Gambia bis an den Logone haben sie sich in
hundert Jahren fast alles Land unterworfen, die
Beherrschten oder Bekriegten sind die Urein-
wohner des Landes, die Heiden, von den Fullahs
in ihrer Gesamtheit arnani (Heiden) oder habe
(Sklaven) genannt.
Soweit das Auge reichte, marschierten wir
durch eine eintönige, graue, mit niederem Gras
und einzelnen Bäumen bestandene, steinige Ebene,
in der leicht gewellt Berg und Tal wechseln;
einige elende Strohhütten, neben denen schmutzige,
mit kurzen Haussahhemden bekleidete Leute auf
lange Speere gestützt standen, die uns neugierig
musterten, wurden uns als das Grenzdorf Kascholla
(Tal der Obersklaven) bezeichnet. In glühender
Sonne zog die Karawane dahin. Vier Stunden
von Banjo, in Tukurna, rastete die Expedition
und erwartete die Erlaubnis Omarus, seine
Hauptstadt zu betreten. Am 13. Dezember sandte
mir der Lamido als Willkommensgruß einen
hübschen Schimmel entgegen, und die Expedition
machte sich zum Einmarsch zurecht. Banjo, das
zwischen zwei Bergen im Tale liegt, betritt man,
ohne es recht zu merken. Wall und Graben sind
zerfallen, die Gehöfte liegen in weiter Ansdehnung
wirr durcheinander, und nur in der Nähe des
Königsplatzes und um den Markt herum laufen
regelrechte Straßen, die von den Lehmmauern
der anliegenden Gehöfte gebildet werden.
Bei unserem Anmarsch hörten wir Pauken=
schlag in der Stadt. Jetzt war es ganz still.
In breiten Massen standen die Männer, alle be-
waffnet, entlang der Straße, die wir ziehen mußten.
Lautlos ließen sie uns passieren; der weite Königs-
platz aber war menschenleer; rundum hinter den
Zäunen und Hecken standen Bewaffnete, die Pfeile
schußbereit auf der Sehne, die vollen Köcher an
der Seite, die Schwerter gelockert. Die Lehm-
mauern waren besetzt mit kampfbereiten Fullahs.
Selbst auf den Dächern der Hänuser hockten sie schuß-
bereit. Man sah ausschließlich niederes Volk in
schmutzigen Toben. Kein Laut des Willkommens!
Ich muß gestehen, daß ich auf dem leeren Königs-
platz selbst nicht wußte, wie ich unsere Lage eigent-
lich beurteilen sollte. Es hieß, den Banjolenten durch
Ruhe und Gelassenheit Eindruck machen, dabei
aber doch auf der Hut sein. So ließ ich die
beiden Hornisten, die neben mir gingen, weiter-
blasen, hielt, dem Eingang zum Palast gegenüber,
auf dem leeren Platz an und befahl den zehn
Soldaten der Spitze, aufzumarschieren. Mann
hinter Mann kamen die Träger heran; sie mußten
sich mit ihren Lasten in zwei Reihen niedersetzen,
bis Bülow eintraf. Dieser hatte fünf Soldaten
und das Maschinengewehr bei sich. Mit ein paar