Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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vorhanden? Und weil man bisher nach dieser 
Wäte nicht mit dem nötigen Nachdruck gewirkt 
aue weil man geglaubt hat, daß eine so fremd- 
nenge Materie von so weit über See, mit so viel 
nuen und andersartigen Gesichtspunkten von selbst 
knen Weg in die Nation finden werde, deswegen 
set zenan dem großen Teil unseres Volkes, der 
en fremd und abseits steht, auch diese seine Un— 
amtnis nicht weiter verübeln und sich nicht 
"a rüber beklagen, daß es an dem guten Willen, 
verstehen und mitzuarbeiten, vielerorts mangelt. 
jier müssen also in diesem Kreuzzug der Er- 
wetung zum kolonialen Verständnis ein- 
Eeien mit all’ dem Temperament und all' den 
Tahrungen, die wir besitzen, und Gegenstand 
Feses Kreuzzuges ist sowohl die Erwerbung des 
dbaneresses der Nation für die Kolonien im all- 
eneinen. als auch der einzelnen Klassen, die mit 
re Nolonien in enge Berührung kommen, für 
#. nbesonderen Aufgaben. Solche Klassen sind 
ind ramiten, Pflanzer und Farmer, die Kaufleute 
ie Handeltreibenden. 
ol ie Nation vor allem hat zu lernen, daß 
olonisieren heißt: eine absolute Veränderung 
Guer fremden Länder in all' ihren Teilen von 
viennd auf, und daß zum Kolonisieren viel Zeit, 
ies. eduld, viel Zähigkeit gehört. Wir haben 
se Art von „Kreuzzug“ in dem verflossenen 
Mrhundert manchesmal gemacht. Welche 
dewierigkeiten gab es in Preußen im Beginn 
Lon echiger Jahre in der Konfliktszeit, um dem 
Non, klarzumachen, wie es mit den militärischen 
ctostendigkeiten stand. Welche Kämpfe hat es 
dstet, Deutschland zu erziehen zu der Idee, 
r g keine Binnenmacht sein kann, sondern die 
a dergandelspolitik zu betreiben hat, wenn 
1. es leben will. Welche Schwierigkeiten 
dur an 55geben. in Deutschland den Gedanken 
Natiehn ringen, daß Deutschland eine industrielle 
eibend,ebensogut sein muß wie eine ackerbau- 
erzähnt e, und ich habe schon im Reichstag davon 
diteh von einem berühmten süddeutschen Bank- 
er nichte der erklärt hat, mit Bergwerken wolle 
tänne ls zu tun haben, was unter der Erde sei, 
Jahre man nicht wissen. Das ist kaum zwanzig 
Kapitall der. Heute fürchtet sich der deutsche 
Han ist nicht, Bergban-Unternehmungen in die 
Rente d nehmen, von denen er weiß, die erste 
aber ommt nach r ja mehr Jahren. Wenn 
wie en ein so einfaches und bekanntes Problem 
selbst Steinkohlenbergban in großen Teufen 
Anfprnohne albe Zwischenfälle zwölf Jahre in 
un vith maimnt, wie kann man sich wundern 
olonial arf man ungeduldig werden, wenn eine 
zeieint volitis, die Ländergebiete bearbeitet in der 
landes ha bfachen Größe unseres deutschen Vater— 
*J] in zweinndzwanzig Jahren noch verhält- 
  
nismäßig nicht übergroße Spuren dieser Arbeit 
zeigt. Das also ist das erste, was wir zu lernen 
haben, daß wir geduldig sein müssen und fleißig 
und zähe, daß die Früchte einer Kolonial-= 
politik langsam reifen, und daß es in unserer 
Kolonialpolitik auch Stunden geben muß, von 
denen wir sagen, „sie gefallen uns nicht mehr“. 
Glauben Sie nicht, daß wir darin allein stehen. 
Der bekannte englische Staatsmann Benjamin 
Disraeli, der bekanntlich Premier zu der Zeit 
des Berliner Kongresses war, also ungefähr um 
die Zeit, wo sich die ersten kolonialen Bestrebungen 
in Deutschland bemerkbar machten, hat zu jener 
Zeit erklärt, die Kolonien seien ein Mühlstein 
am Halse des englischen Reiches. Meine 
Herren, wie sieht denn dieses englische Kolonial- 
reich aus, das der Mühlstein am Halse Englands 
sein sollte? Es ist sechzigmal so groß wie Deutsch- 
land und hat eine Bevölkerung von sechsmal 
unserer dentschen Einwohnerzahl. Dabei war 
England damals schon ein Kolonialstaat, der auf 
hundertjährige Erfahrungen zurückblickte. Ja, 
wenn englische leitende Politiker solche Ansichten 
aussprachen, wie kann man es da einem pren- 
nhzischen General und Reichskanzler übelnehmen, 
wenn er nicht viel später erklärte, es könne der 
deutschen Nation wohl kaum etwas Schlimmeres 
begegnen, als wenn ihr ganz Afrika geschenkt 
werde. 
Der Engländer hat sich lange bekehrt. 
Er hat seitdem industriell Agypten erobert und 
zum Teil Abessinien, er entwickelt seine west- 
afrikanischen Kolonien, er hat der Kapkolonie 
eine ungewöhnliche Entwicklung gegeben, er hat 
Natal besetzt, den Oranje-Freistaat okkupiert, 
das Transvaal unterworfen, er hat große 
Ländergebiete im Norden unter sein Dominium 
gebracht, er hat in dem Sudan seine Flagge 
gehißt und das Gebiet der halben Sahara unter 
englische Oberherrschaft gestellt, er hat mit Ziel- 
bewußtsein eine Bahn, die in ihrer Art das kühnste 
Unternehmen ist, die Bahn vom Kap nach Kairo, 
von der Südspitze Afrikas nach dem Mittelländischen 
Meer,t in Bau genommen. Viele Milliarden hat 
das englische Nationalvermögen zugenommen durch 
diese Politik. Aber England hat sich auch die 
Opfer nicht verdrießen lassen, um dieses Gebiet 
zu erwerben und zu pazifigieren. Seit dem Jahre 
1895 hat England in Afrika sieben Kriege geführt 
und nach einer Statistik, die ich nicht habe nach- 
prüfen können, 196 Millionen Pfund Sterling, 
das sind über 4000 Millionen Mark, zielbewußt, 
rücksichtslos und mit klarem politischem Ver- 
ständnis ausgegeben. Dieses politische Verständnis 
aber ist England, einer scefahrenden Nation seit 
Hunderten von Jahren, einer handeltreibenden 
seit ebensolange, und der Eigentümerin des Mark- 
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