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gekehrt ist, das Fischflußgebiet seit einiger Zeit
von neuem unsicher. Seine kleinen Banden, die
hauptsächlich auf Viehraub ausgehen, zeigen ge-
ringe Widerstandskraft, sind aber sehr beweglich
und schwer zu fassen.
Im Süden der Kolonie ist daher zur voll-
ständigen Niederwerfung des Aufstandes zur Zeit
noch eine gewisse Truppenzahl erforderlich.
Schnelles, vorzeitiges Zurückziehen der Truppen
würde den Mut der noch im Felde stehenden
Aufständischen neu beleben und ihnen Zulauf
verschaffen. Ein Aufflackern des Aufstandes hier
und da ist noch immer nicht ausgeschlossen und
muß, wenn es eintritt, sofort unterdrückt werden.
Noch sind viele unsichere Elemente im Grenzgebiet
vorhanden, die an der Fortdauer des Kriegs-
ustandes stark interessiert und jederzeit bereit
sind, Unzufriedene und Unruhige zu neuem Kampf
aufzureizen. .
Bis die allgemeine, tief gehende Erregung
der farbigen Rasse sich gelegt hat, befindet sich
das gesamte Schutzgebiet in einer übergangs=
zeit, in der es gilt, das Erreichte zu sichern, den
beginnenden Wiederaufbau zu ermöglichen und
den weißen Kolonisten das Sicherheitsgefühl zu
geben, ohne das eine ersprießliche Erwerbstätigkeit
ausgeschlossen ist. Das lange zurückgehaltene wirt-
schaftliche Leben der Kolonie drängt nunmehr
zur Betätigung und Entfaltung. Aber die völlig
friedlichen Verhältnisse, die die Vorbedingung bilden,
sind gegenwärtig noch nicht überall vorhanden.
Im Damaralande werden von den sich
herumtreibenden Feldhereros dauernd Viehdieb=
stähle verübt, wenn auch die meist nicht mit Ge-
wehren bewaffneten Räuber keine nennenswerte
Widerstandskraft besitzen. Die Besiedlung des
Hererogebietes, die lebhaft fortschreitet, bietet ver-
mehrte Angriffspunkte. Bezeichnend ist es, daß
die umherstreifenden Feldhereros sich sofort stärker
bemerkbar machten und die Farmer zu dem Rufe
nach militärischem Schutz veranlaßten, sobald die
Patronillentätigkeit hier einige Zeit ausgesetzt
worden war.
Die in der nordöstlichen Omaheke sitzenden
Hereros, für deren Zahl Anhaltspunkte fehlen,
scheinen entschlossen, ihre Freiheit zu wahren und
sind nicht geneigt, sich freiwillig zu stellen. Die
einstigen Führer des Hererovolkes, wie Samuel
Maharero, die den Krieg überlebten, sind nicht
in unserer Gewalt. Sie sitzen in Britisch-Bet-
schuanaland südlich des Ngamisees nahe der
Grenze, von wo ihre Rückkehr in das Stamm-
land nach Beendigung des Kriegszustandes kaum
zu verhindern ist. Welchen Einfluß sie dann
ausüben werden, ist zweifelhaft.
Im mittleren Namalande, im Bezirk
Gibeon und Keetmanshoop, begünstigen
Schwarzrand und Kärasgebirge, die Schluchten
des mittleren Fischflußgebietes und die angrenzende
Namib und Kalahari das Raubwesen ganz be-
sonders. Hier wohnt eine zahlreiche, schwer
kontrollierbare, freie Eingeborenenbevölkerung, die
mit den Ausständischen vielfach durch Bande des
Bluts verknüpft ist und ihnen wiederholt eine
Zuflucht geworden ist. Von den fast durchweg
bewaffneten Bersebaern wurde ein Teil der jün-
geren Generation mehrfach nur mit Mühe vom
Aufstand zurückgehalten. Wenn auch augenblicklich
ihr friedliches Verhalten gesichert zu sein scheint,
so sind doch bei der zunehmenden engen Be-
rührung, in der Weiße und nicht unterworfene
Eingeborene in diesem Bezirk stehen, die Keime
zu neuen Unruhen hier ganz besonders vorhanden.
Im Süden des Schutzgebietes, dem eigent-
lichen Herd des Hottentottenaufstandes, braucht
die volle Durchführung der Unterwerfung der
Bondels Zeit und unmittelbar gegenwärtige
Macht, die allein auf die unberechenbaren Ein-
geborenen wirkt. Für den Süden liegt eine Ge-
fahr auch in der großen Zahl der bisher in der
Kapkolonie internierten Aufständischen. Kehren
sie auf deutsches Gebiet zurück und finden sie sich
nicht einer kampfbereiten Truppe gegenüber, so
könnten sie leicht den Krieg von neuem beginnen.
Ein nicht unbeträchtlicher Teil unserer Truppen
wird zunächst noch benötigt zur Bewachung von
rund 16000 Gefangenen, deren Freiheitsdrang
noch nicht erloschen ist und deren Waffen nicht
sämtlich abgeliefert sind. Außerlich ruhig, inner-
lich aber kaum mit seinem Schicksal ausgesöhnt,
wird sich das froeiheitliebende Volk nur all-
mählich an die neue Lage gewöhnen. Keinesfalls
können diese zahlreichen Gefangenen, von denen
ein großer Teil zu Arbeiten unter militärischer
Aufsicht verwendet wird, auf einmal auf freien
Fuß gesetzt werden.
Von den etwa 15000 freien Eingeborenen
leben, außer den Bersebaern, die Bastards von
Rehoboth und Otjimbingue, die Bergdamara
in Okombahe und die Betschnanen um Aminuis
in Stammesorganisationen, zum Teil gut be-
waffnet und beritten, auf eigenem Besitz, zwischen
denen die deutschen Siedler, Buren und Misch-
linge, sich niedergelassen haben.
In einem derartig besiedelten Gebiet von der
anderthalbfachen Größe des Deutschen Reiches,
das sich, mit enropäischen Entfernungen ver-
glichen, von Kopenhagen bis Venedig und von
Cöln bis Stettin erstreckt, ist eine stärkere Truppen-
macht zunächst noch notwendig, um die erforder-
liche Sicherheit für die weit zerstrent liegenden
Farmen und für die Verkehrsstraßen zu gewähren.