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kolonien, so vor allem von der landwirtschaft-
lichen Ausstellung in Lagos im November des
vergangenen Jahres, gedrungen waren. Ir erster
Linie ist es aber der unermüdlichen Arbeit des
Ausstellungskomitees und der Leiter der ver-
schiedenen Bezirke zu danken, wenn die Ausstellung
so überaus reichhaltig und vollständig wurde.
Für die definitive Festlegung des Termins
waren jedoch schließlich andere Gesichtspunkte
maßgebend.
Zu Ende des Jahres 1906 bzw. Anfang
1907 wurde die Fertigstellung der Bahnstrecke
Lome—Palime, der ersten Inlandsbahn Togos,
erwartet. Die Bedeuntung dieses Ereignisses ver-
diente eine angemessene Feier. Nichts lag
näher, als nunmehr Ausstellung und Bahn-
cröfnung miteinander zu verbinden, konnte
doch dann all den vielen Besuchern der Aus-
stellung gleichzeitig die Wichtigkeit dieser Bahn-
strecke vor Augen geführt werden. Kam aber
nun schon der Anfang des Jahres 1907 in
Frage, so war es das Gegebene, die Feier, die
immerhin einen für das Schutzgebiet außer-
gewöhnlichen Umfang annehmen mußte, mit der
Feier des Geburtstages Sr. Majestät des
Deutschen Kaisers zusammenzulegen und die
Ausstellung gleichzeitig dazu zu benntzen, das
Gefühl der Zugehörigkeit zum Deutschen Reich
bei den Eingeborenen zu festigen und dadurch
dem deutschen Element weiteren Einfluß zu ver-
schaffen. Diesen gewichtigen Gründen gegenüber
mußten die andern Bedenken in den Hinter-
grund treten. Es ist wohl richtig, daß zu einer
andern Jahreszeit die Beschickung mit landwirt-
schaftlichen Produkten leichter gewesen wäre; die
Anzahl von über 3500 Ausstellern und die
Mengen ausgestellter Gegenstände liefern den
Beweis, daß die sich entgegenstellenden Schwierig-
keiten nicht unüberwindlich gewesen sind.
Schon seit dem 21. Jannar 1907 strömten
die Eingeborenen selbst aus den entferntesten
Gegenden des Schutzgebiets in Palime, welches
durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen von
der Mückenplage fast gänzlich befreit worden
war, zusammen. Die Produkte selbst waren zum
größten Teil vorher bei den Bezirksämtern und
Stationen abgegeben und von diesen zum Aus-
stellungsplatz befördert worden.
Jetzt meldeten Trommeln, Gesang und
Pfeifen den Einwohnern von Palime wieder
und wieder, daß irgend ein Häuptling seinen
Einzug hielt. Zuerst ein Fahnenträger mit der
deutschen Fahne, dann zwei Leute, die auf breitem
schwarz-weiß-roten Tuch Namen des Häuptlings
und seines Dorfes trugen, die Weiber in langen
Reihen, die Stabträger des Häuptlings mit den
eigenartigen Kugelstäben.
Es folgten dann die Häuptlinge selbst in
Hängematten unter roten und blauen, mit Tier-
figuren gekrönten großen Heäuptlingsschirmen,
rechts und links von WMürdenträgern geleitet,
schließlich Krieger in den abenteuerlichsten Auf-
zügen und Masken, die in wilden Sprüngen
die Eigenart des Buschkrieges vor Augen zu
führen nicht müde wurden. Den Schluß bildete
meist die Musik. Wenn auch zuweilen drei und
mehr Kapellmeister an den Reihen der Musiker
entlang liefen und den Takt unter oft recht ein-
dringlichen Ermahnungen aufrecht zu erhalten
suchten, die Melodien der Pfeifer, Hornbläser
und Glockenschläger gingen unter in dem ohren-
betäubenden Lärm, den die Trommler und
Paukenschläger auf ihren Instrumenten verur-
sachten. Aber ein fester Rhythmus lag trotz allem
in diesem tollen Lärm, und nach diesem Tafkt
ging und lief, trippelte, tanzte und sprang groß
und klein, alt und jung, Mütter mit den Kindern
im Reitsitz auf dem Rücken, junge Schönen in
malerischen Gewändern, alte Frauen, Busch-
leute im Tuch und Küstenbewohner im eleganten
curopäischen Anzug. Ja, selbst die ernsten
„Könige“ mußten es sich gefallen lassen, nach
den Tönen der Musik in ihren Hängematten
ruckweise hin und her geschleudert zu werden.
Und so strömte es unaufhörlich nach Palime
hinein; ein Bild, so bunt und farbenprächtig,
so jeden Augenblick sich ändernd und doch immer
wieder das Auge fesselnd, aber auch vor allem
so voll von hoch interessanten Momenten für
den Ethnographen, den Anthropologen und jeden,
der sich für die wirtschaftliche Entwicklung des
Schutzgebictes interessiert, wie es keine Feder
wiederzugeben vermag. Am Vormittag des
27. Jannar erreichte der Zuzug seinen Höhe-
punkt. Gegen 1½ Uhr brachte der Eisenbahn-
äug Gäste aus den Küstenbezirken. Trotz seiner
14 Wagen hatte er doch nur ungefähr ein Viertel
der andrängenden Menge mitzunehmen vermocht.
Die übrigen mußten auf die am Nachmittage
und an den nächsten Tagen fahrenden Züge sich
vertrösten. Eine bestimmte Zahl der sämtlichen
erschienenen Besucher anzugeben, ist nicht möglich,
15 000 wird jedoch sicherlich nicht zu hoch ge-
griffen sein.
Inzwischen hatte der mit Palmenwedeln
und Fahnen geschmückte Festzug in der Frühe
des 27. Jannar Lome verlassen. Er brachte
den Gouverneur mit seinen Gästen, die Beamten
der Küstenorte, fast die gesamte weiße Bevölke-
rung von Lome und Anecho. Unter den Er-
schienenen sah man Herrn Prof. Dr. Weberbauer,
Direktor des Botanischen Gartens in Victoria,
als Vertreter des Gonvernements von Kamerun,
Herrn Korvettenkapitän v. Uslar, Kommandanten