295 “
dauz abgesehen von der Höhe der unmittelbaren
Verluste — die landwirtschaftliche Nutzbarmachung
weiter Landstriche verbietet und jeden Wagen-
verkehr über große Strecken ebenso unmöglich
macht wie eine auf Einführung von fremdem
Blut angewiesene Viehzucht im großen. R. Koch
hat uns den Weg gewiesen, den wir früher oder
[Häter werden gehen müssen, und wir können nur
boffen, daß er bald eingeschlagen wird. Aber
selbst, wenn in absehbarer Zeit damit begonnen
werden sollte, wenigstens die Hauptverkehrswege
und vielleicht einzelne Landschaften durch Ver-
drängung des Wildes und Fernhaltung infiierter
Haustiere oder durch Maßnahmen, die sich gegen
die Fliege richten, allmählich tsetsefrei au machen,
werden wir in Deutsch-Ostafrika doch noch lange
mit dem Vorhandensein der Infektionsgefahr zu
rechnen haben. Es fragt sich also, ob wir jetzt
schon auf Schutzmittel verzichten sollen, die hoffent-
lich später einmal entbehrlich sein werden. Brau-
chen wir sie jetzt noch, dann müssen wir uns
freilich nach anderen als den bisher versuch-
ten umsehen.
Wenn die jetzt allenthalben in Angriff ge-
nommene medikamentöse Behandlung der Trypa-
nosomiasis des Menschen den erhofften Erfolg
hat, läge der Gedanke, ihn auch den Nutztieren
zugute kommen zu lassen, wohl nahe. Ist auch
kaum zu erwarten, daß dadurch die Infektion zu
verhüten ist, so doch, daß die Trypanosomen
im Blute eines infizierten Tieres vernichtet wer-
den könnten, ehe sie zu schwerer Erkrankung füh-
ren. Ein Verfahren, das, wie anzunehmen, sich
aus vielen einzelnen Manipulationen zusammen-
setzen und auf der Anwendung nicht indifferenter
Mittel beruhen würde, wäre freilich kaum ge-
eignet, wo es sich um große Herden oder um
solche Tiere handelt, die dauernd in einer Tsetse-
gegend leben sollen. Für Reit= und Zugtiere
aber, für zu importierendes wertvolles Zuchtvieh,
das vielleicht nur einmal einen Tsetsegürtel zu
passieren hat, könnte die medikamentöse Behand-
lung doch praktische Bedentung gewinnen.“)
*) Daß eine am irypanosomenkranken Menschen als
drlsam erprobte Behandlung mutatis wutandis mit
aufolg auf Nutztiere zu übertragen wäre, darf wohl
angenommen werden angesichts der großen Ahnlichkeit,
ie hinsichtlich des Krankheitserregers wie der Krank-
Mitserscheinungen zwischen der Trupanosomiasis des
Menschen und der der Haustiere besteht. Eine solche
Parallele, die bisher anscheinend nicht beachtet ist, sei
hier erwähnt. Ich sah wiederholt bei künstlich infi-
K#erten Rindern und Ziegen (von anderen Tieren ist
mir nicht erinnerlich) Aufregungszustände, die sich
. blötzlichem Ausbrechen aus der Herde, auffälligem
mherrennen, Anstürmen gegen Pfosten und Wände
oder in scheinbar unmotivierten Angriffen auf andere
Tiere äußerten. ie waren den Masecihirten nicht
kremd und pflegten von ihnen mit den Worten
wir
Aber weiter: Auch die Frage, ob es nicht
möglich ist, gegen Tsetse zu immunisieren,
ohne zu infizieren, und so, daß die immu-
nisierten Tiere befähigt werden, auch später
in ihr Blut eindringende Trypanosomen zu ver-
nichten, daß sie also nicht als Verbreiter der
Krankheit gefürchtet zu werden brauchen,
scheint mir heute noch offen zu sein. .
Zwei Wege kommen in Betracht. Man kann
versuchen, die Bildung von Schutzstoffen im Blute
des zu schützenden Tieres selbst durch Behandlung
mit Krankheitsprodukten oder abgetöteten Krank-
heitserregern zu erzielen, und man kann ihm
Schutzstoffe zuführen, die ein anderer Organis-
mus gebildet hat.
Über einige Versuche in diesen Richtungen
möchte ich noch berichten. Sie haben ebenso-
wenig wie meines Wissens von anderen ausge-
führte ähnliche Arbeiten einen entscheidenden Er-
folg gehabt. Sie stellen nur erst Anfänge dar,
lassen aber, wie ich glaube, doch erkennen, daß
so überhaupt etwas erreicht werden kann. Ver-
suche mit Übertragung von Schutzstoffen wurden,
da sie ja bereits immunisierte Tiere zur Voraus-
setzung haben, erst später möglich, und gerade
ihretwegen bedauere ich am meisten die unfrei-
willige vorzeitige Aufgabe der Arbeiten.
Mit der Galle tsetsekranker Tiere, die in
vitro Trypanosomen auflöst und deshalb schon
früher wiederholt Beachtung gefunden hat, habe
ich einige Versuche in der Weise angestellt, daß
Tiere eine Zeitlang mit Galleeinspritzungen be-
handelt und dann infiziert wurden, andere so,
daß gleichzeitig, aber an verschiedenen Körper-
stellen, Trypanosomen und Galle injiziert wurden.
Es ist in keinem Falle die Erkrankung ver-
hindert worden. Aber es haben doch, um hier
nur die Rinderversuche zu erwähnen, fünf von
sieben so behandelten Rindern eine viru-
lente Infektion überstanden und vermut-
lich Immunität erlangt. Nachgewiesen ist sie
„. . . unawazimu — . . . ist besessen, verrückt“ gemeldet zu
werden. Der Gedanke, sic als charakteristische Tsetse-
erscheinung aufzufassen, kam mir erst später, als Herr
Geheimrat Koch uns in Uganda mit den bei der
„Schlaf“-Krankheit so häufigen psychischen Störungen
maniakalischer Natur bekannt machte.
Vielleicht ergibt sich noch eine andere Parallele,
die für die Frage der Tsetsebekämpfung im
Sinne R. Kochs von Bedeutung sein würde. Ich
meinc, daß die zuerst von englischen Forschern mit Er-
folg zur Diagnose der Trypanosomiasis beim Menschen
angewandte Drüsenpunktion auch die Erkennung
der Infektion bei scheinbar gesunden Tieren
erheblich erleichtern und vereinfachen müßte.
Drüsenschwellung ist eine regelmäßige Erscheinung bei
tsetseinfizierten Rindern. Da mir selbst augenblicklich
die Gelegenheit zu solchen Untersuchungen fehlt, möchte
ich hier wenigstens die Anregung dazu geben.