Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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dauz abgesehen von der Höhe der unmittelbaren 
Verluste — die landwirtschaftliche Nutzbarmachung 
weiter Landstriche verbietet und jeden Wagen- 
verkehr über große Strecken ebenso unmöglich 
macht wie eine auf Einführung von fremdem 
Blut angewiesene Viehzucht im großen. R. Koch 
hat uns den Weg gewiesen, den wir früher oder 
[Häter werden gehen müssen, und wir können nur 
boffen, daß er bald eingeschlagen wird. Aber 
selbst, wenn in absehbarer Zeit damit begonnen 
werden sollte, wenigstens die Hauptverkehrswege 
und vielleicht einzelne Landschaften durch Ver- 
drängung des Wildes und Fernhaltung infiierter 
Haustiere oder durch Maßnahmen, die sich gegen 
die Fliege richten, allmählich tsetsefrei au machen, 
werden wir in Deutsch-Ostafrika doch noch lange 
mit dem Vorhandensein der Infektionsgefahr zu 
rechnen haben. Es fragt sich also, ob wir jetzt 
schon auf Schutzmittel verzichten sollen, die hoffent- 
lich später einmal entbehrlich sein werden. Brau- 
chen wir sie jetzt noch, dann müssen wir uns 
freilich nach anderen als den bisher versuch- 
ten umsehen. 
Wenn die jetzt allenthalben in Angriff ge- 
nommene medikamentöse Behandlung der Trypa- 
nosomiasis des Menschen den erhofften Erfolg 
hat, läge der Gedanke, ihn auch den Nutztieren 
zugute kommen zu lassen, wohl nahe. Ist auch 
kaum zu erwarten, daß dadurch die Infektion zu 
verhüten ist, so doch, daß die Trypanosomen 
im Blute eines infizierten Tieres vernichtet wer- 
den könnten, ehe sie zu schwerer Erkrankung füh- 
ren. Ein Verfahren, das, wie anzunehmen, sich 
aus vielen einzelnen Manipulationen zusammen- 
setzen und auf der Anwendung nicht indifferenter 
Mittel beruhen würde, wäre freilich kaum ge- 
eignet, wo es sich um große Herden oder um 
solche Tiere handelt, die dauernd in einer Tsetse- 
gegend leben sollen. Für Reit= und Zugtiere 
aber, für zu importierendes wertvolles Zuchtvieh, 
das vielleicht nur einmal einen Tsetsegürtel zu 
passieren hat, könnte die medikamentöse Behand- 
lung doch praktische Bedentung gewinnen.“) 
*) Daß eine am irypanosomenkranken Menschen als 
drlsam erprobte Behandlung mutatis wutandis mit 
aufolg auf Nutztiere zu übertragen wäre, darf wohl 
angenommen werden angesichts der großen Ahnlichkeit, 
ie hinsichtlich des Krankheitserregers wie der Krank- 
Mitserscheinungen zwischen der Trupanosomiasis des 
Menschen und der der Haustiere besteht. Eine solche 
Parallele, die bisher anscheinend nicht beachtet ist, sei 
hier erwähnt. Ich sah wiederholt bei künstlich infi- 
K#erten Rindern und Ziegen (von anderen Tieren ist 
mir nicht erinnerlich) Aufregungszustände, die sich 
. blötzlichem Ausbrechen aus der Herde, auffälligem 
mherrennen, Anstürmen gegen Pfosten und Wände 
oder in scheinbar unmotivierten Angriffen auf andere 
Tiere äußerten. ie waren den Masecihirten nicht 
kremd und pflegten von ihnen mit den Worten 
wir 
  
  
  
  
Aber weiter: Auch die Frage, ob es nicht 
möglich ist, gegen Tsetse zu immunisieren, 
ohne zu infizieren, und so, daß die immu- 
nisierten Tiere befähigt werden, auch später 
in ihr Blut eindringende Trypanosomen zu ver- 
nichten, daß sie also nicht als Verbreiter der 
Krankheit gefürchtet zu werden brauchen, 
scheint mir heute noch offen zu sein. . 
Zwei Wege kommen in Betracht. Man kann 
versuchen, die Bildung von Schutzstoffen im Blute 
des zu schützenden Tieres selbst durch Behandlung 
mit Krankheitsprodukten oder abgetöteten Krank- 
heitserregern zu erzielen, und man kann ihm 
Schutzstoffe zuführen, die ein anderer Organis- 
mus gebildet hat. 
Über einige Versuche in diesen Richtungen 
möchte ich noch berichten. Sie haben ebenso- 
wenig wie meines Wissens von anderen ausge- 
führte ähnliche Arbeiten einen entscheidenden Er- 
folg gehabt. Sie stellen nur erst Anfänge dar, 
lassen aber, wie ich glaube, doch erkennen, daß 
so überhaupt etwas erreicht werden kann. Ver- 
suche mit Übertragung von Schutzstoffen wurden, 
da sie ja bereits immunisierte Tiere zur Voraus- 
setzung haben, erst später möglich, und gerade 
ihretwegen bedauere ich am meisten die unfrei- 
willige vorzeitige Aufgabe der Arbeiten. 
Mit der Galle tsetsekranker Tiere, die in 
vitro Trypanosomen auflöst und deshalb schon 
früher wiederholt Beachtung gefunden hat, habe 
ich einige Versuche in der Weise angestellt, daß 
Tiere eine Zeitlang mit Galleeinspritzungen be- 
handelt und dann infiziert wurden, andere so, 
daß gleichzeitig, aber an verschiedenen Körper- 
stellen, Trypanosomen und Galle injiziert wurden. 
Es ist in keinem Falle die Erkrankung ver- 
hindert worden. Aber es haben doch, um hier 
nur die Rinderversuche zu erwähnen, fünf von 
sieben so behandelten Rindern eine viru- 
lente Infektion überstanden und vermut- 
lich Immunität erlangt. Nachgewiesen ist sie 
„. . . unawazimu — . . . ist besessen, verrückt“ gemeldet zu 
werden. Der Gedanke, sic als charakteristische Tsetse- 
erscheinung aufzufassen, kam mir erst später, als Herr 
Geheimrat Koch uns in Uganda mit den bei der 
„Schlaf“-Krankheit so häufigen psychischen Störungen 
maniakalischer Natur bekannt machte. 
Vielleicht ergibt sich noch eine andere Parallele, 
die für die Frage der Tsetsebekämpfung im 
Sinne R. Kochs von Bedeutung sein würde. Ich 
meinc, daß die zuerst von englischen Forschern mit Er- 
folg zur Diagnose der Trypanosomiasis beim Menschen 
angewandte Drüsenpunktion auch die Erkennung 
der Infektion bei scheinbar gesunden Tieren 
erheblich erleichtern und vereinfachen müßte. 
Drüsenschwellung ist eine regelmäßige Erscheinung bei 
tsetseinfizierten Rindern. Da mir selbst augenblicklich 
die Gelegenheit zu solchen Untersuchungen fehlt, möchte 
ich hier wenigstens die Anregung dazu geben.
	        
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