Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Plötzlich tauchte auf der Hochfläche etwa 
300 Meter links seitwärts in gleicher Höhe eine 
Viehherde auf, die von völlig sorglosen Hotten- 
totten vorübergetrieben wurde. Die deutsche Ab- 
teilung selber war den Blicken des Feindes durch 
die dichten Dornbüsche verborgen. Eine Patronille 
hatte sich so weit vorgeschlichen, daß sie Einblick 
ins Revier gewann. Ringsumher war alles still, 
kein Stein rollte. Der Feind schien von der 
Anwesenheit deutscher Truppen nichts zu ahnen. 
So verging eine erwartungsvolle Viertelstunde, 
da kam eine Meldung von der Patronille: „Im 
Revier ziehen zahlreiche Hottentotten mit großen 
Viehherden zur Tränke.“ 
Der Zug des Leutnants Kirchheim kroch jetzt 
bis zu der Patronille heran, der des Leutnants 
v. Detten ging rechts davon gegen den aus- 
springenden Winkel des Revierrandes vor. Leut- 
nant Pavel verblieb mit seinem Zuge links da- 
hinter, einem steilen, aus dem Revier aufsteigenden 
Bergklotz gegenüber. Gegen diesen, der die 
Stellung der Deutschen überhöhte und flankierte, 
mußte unter allen Umständen gesichert werden. 
Das Geschütz, seitwärts in Stellung gebracht, 
konnte den sichtbar werdenden breiten Revier- 
streisen unter Feuer nehmen. 
Da fiel auf feindlicher Seite ein Alarmschuß. 
Die Bewegungen waren trotz aller Borsicht dem 
scharfen Ohr der Hottentotten nicht entgangen. 
Nun galt kein Zandern mehr! Leutnant Kirch- 
heim mit seinen Schützen eilte den Abhang hin- 
unter, feuerte in die durcheinander drängenden 
Hottentotten= und Viehhaufen hinein, sprang in 
das Revier herab und ging den nach allen Rich- 
tungen Auseinanderstiebenden mit dem Bajonett 
auf den Leib. Der Zug Detten, der angewiesen 
war, oben zu bleiben, eilte an den Rand vor 
und nahm unter Feuer, was sich ihm zeigte. Das 
Geschütz sandte Schrapnell auf Schrapnell in den 
Revierstreifen, auf dem sich in einer Entfernung 
von 2000 Metern ein großer Menschen= und 
Viehhanfen entlangschob. Auf diesen konnte auch 
der Zug Pavel von seiner vorgeschobenen Stellung 
aus für einige Zeit ein lebhaftes Feuer richten. 
Der Schlag kam so überraschend und erfolgte 
so einheitlich, daß der Gegner gar nicht zur Be- 
sinnung kam, sondern einzig und allein danach 
trachtete, sich in Sicherheit zu bringen. Nur 
einzelne Leute setzten sich im Revier hinter Fels- 
blöcken und Kaktusstauden zur Wehr, wurden 
aber vom Zug Kirchheim schnell vertrieben. 
Aus den Nebenschluchten des jenseitigen Re- 
vierrandes, die die Hauptmasse des Gegners 
bergen mußten, wurde allerdings nach einiger 
Zeit der Versuch gemacht, den vorerwähnten Berg- 
klotz, dem Zug Pavel gegenüber, zu besetzen. Die 
dort zuerst eintreffenden Hottentotten eröffneten 
  
auch sofort ein heftiges Flankenfener auf den im 
Revier fechtenden Zug Kirchheim, wobei ein Reiter 
am Kopf leicht verwundet wurde. Sobald aber 
der Zug Pavel und dann auch das Geschütz ihr 
Feuer gegen die feindliche Stellung richteten, er- 
griff der Gegner die Flucht. Gegen 1 Uhr 
mittags war der letzte Hottentott außer Sicht, das 
Vieh, soweit es nicht dem Feuer zum Opfer ge- 
fallen war, außer Schußweite. Der Feind zer- 
streute sich in nördlicher und nordwestlicher Rich- 
tung; er hatte zwischen 20 bis 30 Tote ver- 
loren und 35 Reittiere und über 250 Rinder 
eingebüßt. Der unter erheblichen Schwierigkeiten 
mit großer Umsicht und Energie durchgeführte 
Überfall war glänzend gelungen. Nach sechs- 
stündigem Rückmarsche, wiederum quer über die 
Berge, traf die Abteilung um 7 Uhr abends bei 
den Pferden ein. Sie war — das anderthalb- 
stündige Gefecht eingeschlossen — 15 Stunden 
ohne Rast und Stärkung im schwierigsten Gelände 
unterwegs gewesen. 
Am 16. Juni früh kehrte Hauptmann v. Erckert 
nach Dewenischpütz zurück, wo die Tiere nach 
48 Stunden das erste Wasser erhielten. Dem 
Befehl, am Feinde zu bleiben, hatte Hauptmann 
v. Erckert nicht nachkommen können, da dieser 
nach allen Richtungen auseinandergesprengt war 
und die Deutschen sich zunächst wieder mit den 
zurückgelassenen Pferden vereinigen mußten. 
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Inzwischen war Major v. Kamptz mit der 
wiedervereinigten Abteilung Siebert (11. Kom- 
pagnie, 3. Ersatzkompagnie, halbe 2. Batterie) von 
Kais nach Uib gerückt, wo er bereits am 15. 
eingetroffen war. In der Vermutung, daß die 
Hottentotten, falls sie von der Abteilung Erckert 
geworfen würden, wahrscheinlich über Uib zurück- 
gehen würden, glaubte er hier zu ihrem Empfange 
günstig zu stehen. Auf die Meldung des Haupt- 
manns v. Erckert, daß der Feind bei Narus völlig 
zersprengt sei, drang Major v. Kamptz am 16. 
über Kareb vor, um die Spuren des Feindes 
wieder aufzusuchen. Die Abteilung lagerte in 
der Nacht zum 17. Juni in der tief eingerissenen 
Karebschlucht, rechts und links auf den Höhen 
durch Züge unter den Leutnants v. Knobels= 
dorff und Chales de Beaulien gesichert, als 
der Vizefeldwebel Haßler der 11. Kompagnie 
nur einen Kilometer von der deutschen Lagerstätte 
entfernt auf steiler Höhe ein Hottentottenlager 
meldete. Man war auf den von Hauptmann 
v. Erckert geschlagenen Feind gestoßen, der sich 
wieder zusammengefunden und bedentende Ver- 
stärkungen durch Morengaleute erhalten hatte. 
Er verfügte nunmehr über erheblich mehr als 
200 Gewehre, war also der deutschen Abteilung,
	        
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