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tizen zu fertigen und damit Material zu liefern
nicht nur für die Geschichte der Landwirtschaft,
sondern für die Kulturgeschichte des Menschen-
geschlechts überhaupt.
Mit dem Vordringen der Kultur werden die
von ungezählten Generationen auf empirischer
Grundlage allmählich entwickelten, oft so un-
endlich primitiven und dabei doch so sinnreichen
Methoden und Gebräuche durch neueingeführte,
fremdartige ersetzt, und schon die nächste Genera-
tion wird ein gänzlich verändertes Bild vor-
finden.
Nach meinen Erfahrungen geht die Sorghum-
kultur in Ostafrika über 1500 m Meereshöhe
nicht hinauf. Die ertragreichen Formen dürften
sogar kaum über 1300 m noch freudig gedeihen.
Die Negerhirse ist keineswegs, wie häufig an-
genommen wird, eine „harte“ Pflanze; sie steht
darin in schroffem Gegensatz zum Mais, der in
den Tropenländern von der Küste des Ozeans
bis zu Höhen von 3500 m angebaut wird und
der in Kanada und Patagonien noch in Gebieten
gedeiht, die nahezu an der Grenze des Obstbaus
liegen. Diese von keiner Kulturpflanze der heißen
Zone erreichte Anpassungsfähigkeit fehlt der Hirse.
Geringere Ansprüche als an Temperatur und
Niederschlagsmengen stellt sie sicherlich an den
Boden und hierin mag sie dem Mais überlegen
sein. Einige Formen fand ich noch auf recht
dürftigen Sandböden im Küstenlande reichfrüchtig
gedeihen; nur auf der spärlichen Lehmkrume über
dem Korallenkalk der Inseln, z. B. auf Kwale,
endet begreiflicherweise auch ihre Rentabilität.
Im übrigen liefert die Hirse reiche Erträge auf allen
für die Getreidekultur überhaupt geeigneten Böden
des Landes von der Meeresküste bis zur oben
bezeichneten Höhenzone. Bei Lindi sah ich 10 m
oberhalb der Flutgrenze unmittelbar am Strande
ausgezeichnete Felder. Dabei ist aber zu berück-
sichtigen, daß die Ansprüche der einzelnen Kultur-
jormen unseres Getreides sehr verschieden sind,
da sich die Hauptvarictäten jedenfalls den klima-
tischen und Bodenverhältnissen ihrer Anbau-
gebiete im Laufe einer viele Jahrhunderte wäh-
renden Kultur allmählich angepaßt haben. So
würden sich die Küstenvarietäten und die Formen
von Ugogo und Unyamwesi kaum willkürlich mit-
cinander vertauschen lassen, ohne wenigstens an-
fänglich an Erträgen einzubüßen.
Die Vegetationsdauer der afrrikanischen
Sorghumformen schwankt zwischen vier und neun
Monaten; soweit ich ermitteln konnte, reift die
Zuckerhirse durchschnittlich schneller als die Korn-
birse.
Daß in Deutsch-Ostafrika zweimal im Jahr
Sorghum geerntet wird, wie es Emin Pascha
aus Latuka berichtet, wo eine vier= und eine
siebenmonatige Form hintereinander gebautwerden,
ist mir nicht bekannt geworden.
Die Sorghumkultur steht, wie die ge-
samte Landwirtschaft des tropischen Afri-
kas, unter dem Zeichen des Hackfeldbaus,
und in diesem Worte allein spricht sich ihre
ganze Rückständigkeit gegenüber dem indischen
Ackerbau aus. Wenn man die kleine, schmale
ostafrikanische Hacke betrachtet, muß man aller-
dings immer von nenem darüber stannen,
was alles mit diesem kümmerlichen Instrument
dem Boden abgerungen wird; Völker aber, die
mit einem solchen Handwerkszeng selbst für den
Export ansehnliche Werte zu schaffen imstande
sind, müssen auch die Fähigkeit besitzen, mit neuen
besseren Methoden ihre Produktion erheblich zu
vermehren.
Die Einführung des Pfluges ist längst
als das dringendste Postulat für die
Hebung der afrikanischen Kulturen an-
erkannt, und man sollte nicht mehr zögern, den
landwirtschaftlich hochentwickelten Bölkern des
Innern den Pflug in die Hand zu geben! Der
Zeitpunkt dafür ist gekommen, und es ist nicht
zu zweifeln, daß in den Hauptproduktionsgebieten
die Unterweisung in der Pflugkultur von den
allerbesten Erfolgen begleitet sein wird. Ich
zähle es zu den wertvollsten zukünftigen
Segunungen der vom Kolonial-Wirtschaft-
lichen Komitee ins Leben gerufenen Baum-
woll-Unternehmungen, daß hierdurch die
Frage der Pfilugkultur in unseren Kolo-
nien ungleich schneller zur Lösung gelangen
wird, als es unter anderen Umständen der
Fall gewesen wärec.
Der Termin der Aussaat wird wohl all-
gemein in Ostafrika durch den Eintritt der „großen“
Regenzeit bestimmt.
Von Drillen der Saat ist natürlich noch
nicht die Rede: die Körner werden mit der Hand
in die vorher bereiteten Löcher gelegt. Hier
stoßen wir auf den zweiten Mangel des afri-
kanischen Ackerbaus. Einfache, leichte und billige
Drillapparate für den Handgebrauch oder
für Gespanne ausfindig zu machen, kann nicht
schwer fallen und ihre Einführung sollte
Hand in Hand gehen mit der Einführung
des Pfluges. Das fordert schon die Okonomie
der Arbeitskräfte, ein Moment, das bei der
Erschließung Afrikas täglich mehr als Leitmotiv
zur Geltung kommen sollte. Wo z. B. die Arbeit
der Weiber bei der Bestellung des Feldes nicht
ausreicht, sind heute und zukünftig in noch höherem
Grade die männlichen Glieder der Familie ge-
zwungen mitzuhelfen, da der Bestand an Sklaven
sich von Jahr zu Jahr erheblich verringert. In