Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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kommt vor dem Ausdreschen auf die Dächer der 
Häuser, um hier nochmals gründlich ausgetrocknet 
zu werden. Im Ussagaragebirge, wo hin und 
wieder ein Regenschauer die Trockenperiode unter- 
bricht und wo dauernd starke Frühnebel herrschen, 
sah ich überdachte Darren, in denen die Hirse- 
rispen über schwachem Holzfeuer getrocknet werden. 
Hierbei werden gleichzeitig die Wärme und die 
konservierenden Eigenschaften desRauches ausgenuzt. 
Die Konservierung der Feldfrüchte 
durch Rauch wird als Mittel gegen die ver- 
heerende Tätigkeit der Insekten im tropischen 
Afrika vielfjach benutt. Ebenso sind die Natur- 
völker dazu gelangt, das Getreide in allerhand 
sinnreich erdachten Speichern vor den Angriffen 
der Nager und der Insekten zu bewahren. In 
dieser Beziehung stehen die afrikanischen Neger 
den Indern sicherlich nicht nach. 
Jene Einrichtungen sind von den Reisenden 
so oft beschrieben worden, daß ich füglich darauf 
verzichten kann, sie hier nochmals einzeln auf- 
zuführen. 
Auch die Erkenntnis, daß Feldfrüchte leicht 
degenerieren, hat der Neger gewonnen und sie 
hat ihn dazu geführt, bei der Auswahl des 
Saatkorns eine wohl durchdachte Selektion zu 
betreiben. Ob das für alle ostafrikanischen 
Stämme zutrifft, will ich dahingestellt sein lassen; 
für die Hauptproduktionsgebiete im Innern ist 
es aber einwandsfrei erwiesen. So berichtete 
Reichardt aus Unyamwesi, daß die Leute das 
Saatkorn aller Getreidearten höchst sorgfältig aus 
den besten Fruchtständen und größten Körnern 
auswählen, daß sie nach einigen Jahren immer 
wieder aus besonders geschätzten Gebieten, oft 
von weit her, ihr Saatgetreide zu holen pflegen, 
. B. den Mais aus Umeba im Südwesten des 
Tanganyika und Sorghum aus der Kornkammer 
Ugogo. Zn der Zwischenzeit aber tauschen öfters 
Nachbarn und entferuter liegende Ortschaften 
gutes Saatkorn untereinander aus. 
Das Dreschen des Korns wird noch all- 
gemein in unglaublich primitiver und zeitraubender 
Weise mit Ruten und Stöcken besorgt! Auch hier 
müßte der Unterweisungsdienst baldigst einsetzen. 
Zuverlässige Angaben über die Erträge der 
Sorghumkultur in Ostafrika fehlen noch. 
Zwei Punkte sind es endlich, deren Be- 
sprechung ich absichtlich für den Schluß meiner 
Darlegungen reserviert habe, da sie erhöhter 
Aufmerksamkeit bedürfen, nämlich die Düngung 
und der Fruchtwechsel. Beide Faktoren der 
Landwirtschaft stehen im engsten Zusammenhange 
miteinander, weil die Düngung je nach der Er- 
schöpfung des Bodens durch die einzelnen Kultur- 
pflanzen geregelt werden muß. 
  
Daß die Düngung in Indien noch nicht zu 
den allgemein eingeführten Attributen des Acker= 
baus gehört, haben wir oben bemerkt, aber auch 
gesehen, daß wenigstens in gewissen großen Ge- 
bieten regelmäßig mit Dung gearbeitet wird. 
In Ostafrika ist davon nirgends die Rede, 
wenn wir von der Verwendung der Asche ab- 
sehen, ein Verfahren, das sich beim Urbarmachen 
von Odland oder Neuroden von ehemaligem 
Ackerland von selbst ergibt. Das in Ostafrika und 
in anderen Steppenländern des Kontinents allge- 
mein übliche System der mehrjährigen Brache 
ohne Düngung ist bei geringer Bevölkerungs- 
dichte und im übrigen nur solange durchführbar, 
als es sich darum handelt, allein für den eigenen 
Bedarf der betreffenden Landschaften zu produ- 
zieren. In dicht bevölkerten Gebieten bringt es 
schon jetzt große Nachteile mit sich.“) 
Sobald aber ein Gebiet durch die Eisenbahn 
erschlossen und seine Bewohner damit zu ver- 
mehrter Produktion und erhöhter Ausnutzung des 
Bodens angeregt werden, läßt sich mit dem alten 
System auf die Dauer nicht mehr wirtschaften, 
der Boden verlangt gebieterisch, selbst zur Deckung 
der bescheidenen Bedürfnisse der meisten afrika- 
nischen Feldfrüchte, eine regelmäßige künstliche 
Zufuhr der ihm entzogenen Nährstoffe. 
Jedem Kenner Ostafrikas sind die Schwierig- 
keiten bekannt, die sich der Einführung einer 
derartigen, den Eingeborenen völlig fremden 
Maßregel in die Landwirtschaft entgegenstellen. 
Diese Schwierigkeiten werden sich am leichtesten 
dort beseitigen lassen, wo heute schon Groß- 
viehzucht möglich ist und auch betrieben wird, 
so z. B. in Ungoni, Ussagara und Ugogo. Ob 
es gelingen wird, die Eingeborenen Ostafrikas 
zur konzentrierten Anhäufung menschlicher Fä- 
kalien an besonderen Bedürfnisplätzen zu erziehen, 
wie das im Bezirk Misahöhe in Togo eingeführt 
ist, erscheint mir zweifelhaft, weil die in vieler 
Beziehung dort als Vorbilder dienenden Araber 
hierin eine merkwürdige Rückständigkeit beweisen, 
weil den ostafrikanischen Negern gewisse ästhe- 
tische Begriffe fehlen, die dem kulturell höher 
stehenden Eohe eigen sind, weil vielerorts sich 
das Austreten über die Peripherie der Ortschaften 
bei Dunkelheit der wilden Tiere wegen ver- 
bictet usw. 
Am meisten verspreche ich mir auch für 
die Förderung der Düngungsfrage von 
der erzieherischen Wirkung der jetzt ge- 
planuten, von Europäern im Großen zu 
*) So liegen z. B. in der Umgegend der Stadt 
Atakpame in Togo die Felder der Einwohner bis acht 
Marschstunden weit entfernt, weil der Boden eine 
dauernde Auonutzung durch den Ackerban nicht verträgt!
	        
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