Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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betreibenden Baumwollkulturen, wie vom 
Baumwollbau überhaupt. 
Man hat häufig davon gesprochen, daß die 
Arbeit in Europäer-Plantagen den afrikanischen 
Neger zur Vervollkommnung seiner eigenen Land- 
wirtschaft erziehen solle, eine Anschauung, der 
ich nur mit gewissen Einschränkungen beizupflichten 
vermag. In den Kulturen von Kaffec, Kautschuk 
und Kakao z. B. wird der Plantagenarbeiter mit 
zahlreichen Funktionen vertraut, die ihm später 
in seinen eigenen Betrieben recht wenig nützen 
können, ausgenommen vielleicht die besseren Ver- 
fahren des Rodens, des Bäumefällens und der 
Unkrantbeseitigung. Was sollte er sonst davon 
bei seinem feldmäßigen Anbau von Getreide, von 
Hülsenufrüchten und Olfrüchten verwerten? Das 
Meiste bleibt ihm unverstanden, ein Ballast, 
den er bei Verlassen der Plantage über Bord 
wirft. 
Ganz anders bei der Beschäftigung in ratio- 
nell betriebenen Baumwollkulturen, einer 
Form des Ackerbaus, für die er von vornherein 
ein gewisses Verständnis, gewisse Vorkenntnisse 
mitbringt, kurz einer Betätigung, die ihm „liegt". 
Die zweckmäßigsten Verfahren der Düngung und 
der Fruchtsolge wollen auch für den Baumwoll= 
bau in Ostafrika erst erprobt werden; beides 
den örtlichen Verhältnissen, den jeweiligen. 
Ansprüchen des Bodens entsprechend zu 
regeln, wird eine der vornehmsten Auf- 
gaben des Versuchswesens in Afrika sein. 
Wenn auch die Großkultur vielfach mit an- 
deren Mitteln arbeiten muß, als sie für die 
Landwirtschaft der Eingeborenen in Betracht 
kommen, wenn sie z. B. aus Rentabilitätsgründen 
andere Rotationen wählen und — im Küsten- 
lande wenigstens — die künstlichen Dünge- 
mittel in den Vordergrund treten werden, so 
lassen sich doch die einschlägigen Fragen in 
manchen Gebicten sehr gut gleichzeitig für beide 
Betriebsformen studieren. 
Betrachten wir nun kurz die Verhältnisse der 
Fruchtfolge in Ostafrika, soweit von einer 
solchen überhaupt die Rede ist. In den meisten 
Gegenden wechselt mehrjährige Einfelder- 
wirtschaft mit mehrjähriger Brache; so 
werden in Unyamwesi Sorghum= wie Maisfelder 
drei Jahre hintereinander bestellt, um dann 
erst nach dreijähriger oder noch längerer Brache 
wieder in Angriff genommen zu werden. Auch 
die Wassagara bauen Sorghum viele Jahre 
hintereinander auf demselben Acker und hören 
damit erst auf, wenn zur Zeit der Blüte ein ge- 
wisses kleines Unkraut?) überhand nimmt, das 
ihnen die Erschöpfung des Bodens anzeigt. 
*) Die Turneraree Wormskjoldin longepedunculata. 
  
Darauf folgt zwei= bis dreijährige Brache. Bei 
anderen Stämmen im Bezirk Kilossa ist es sehr 
beliebt, Sorghum nach Bataten als Vorfrucht zu 
bauen, ferner wird nicht selten zweijähriger 
Fruchtwechsel und zwar Sorghum abwechselnd 
mit Korakan (Eleusine coracana), Pennisetum-- 
Hirse, verschiedenen Bohnenarten oder Sesam be- 
trieben (Lambrecht). Hier sehen wir auch, wie 
in Indien, die Leguminosen als nützliches 
Mittelglied benutzt: ein Verfahren, das hier wie 
dort ursprünglich zum Zweck der Gewinnung 
einer abwechslungsreicheren Ernährung ersonnen, 
später jedenfalls aber auch deswegen besonders 
ausgestaltet wurde, weil man den wohl- 
tätigen Einfluß der Hülsenfrüchtler auf die Er- 
tragfähigkeit des Bodens erkannte. Auch den 
Eingeborenen des Tanga-Bezirks ist bekannt, daß 
eine richtige Fruchtfolge den Boden länger ertrag- 
reich hält. Die Felder können durchschnittlich 
fünf Jahre hintereinander bebaut werden; als 
erste Frucht wird im allgemeinen Sorghum ge- 
wählt, als letzte der Maniok, der nach Ansicht 
der Eingeborenen auch auf einem ermüdeten 
Acker noch erfolgreich angebaut werden kann. 
Leider gibt Meyer (a. a. O.) über den Turnus 
nichts Näheres an. 
Noch ließen sich zahlreiche, auf den ostafrita- 
nischen Getreidebau bezügliche Notizen mitteilen, 
doch wir wollen uns nicht in Einzelheiten ver- 
lieren, sondern die vorstehende Betrachtung 
hiermit abschließen. 
Bei dem Vergleich zwischen einem alten 
Kulturvolk, das noch dazu seit langer Zeit unter 
enropäischem Einfluß gestanden hat, und einem 
Komplex von Stämmen, die noch bis vor wenigen 
Jahren im wahrsten Sinne des Wortes als 
„Wilde“ ihr Leben führten, muß von vorn- 
herein auf der letzteren Seite ein großes Maß 
von Rückständigkeit in der Methodik des Ackerbaus 
erwartet werden. Nichtsdestoweniger finden 
wir bei den Bewohnern gewisser aus- 
sichtsreicher Produktionsgebiete in Ost- 
afrika ein überraschend hohes Maß von 
Intelligenz, Erfahrung, Fähigkeiten und 
landwirtschaftlicher Begabung bereits in 
den heutigen Systemen ihres Ackerbaues 
niedergelegt. Diese Feststellung birgt für eine 
kolonisierende Nation, wie die deutsche, die Ver- 
pflichtung in sich, überall dort, wo ein geeig- 
netes Substrat einerseits und für die nähere 
Zukunft die Vermehrung der Absatzmöglichkeiten 
gegeben sind, die vorhandenen Anlagen des 
Negers mit allen geeigneten Mitteln wirtschaft- 
lich aktiv zu machen. 
Mit dieser Forderung befinden wir uns 
übrigens in völliger Ubereinstimmung mit den
	        
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