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betreibenden Baumwollkulturen, wie vom
Baumwollbau überhaupt.
Man hat häufig davon gesprochen, daß die
Arbeit in Europäer-Plantagen den afrikanischen
Neger zur Vervollkommnung seiner eigenen Land-
wirtschaft erziehen solle, eine Anschauung, der
ich nur mit gewissen Einschränkungen beizupflichten
vermag. In den Kulturen von Kaffec, Kautschuk
und Kakao z. B. wird der Plantagenarbeiter mit
zahlreichen Funktionen vertraut, die ihm später
in seinen eigenen Betrieben recht wenig nützen
können, ausgenommen vielleicht die besseren Ver-
fahren des Rodens, des Bäumefällens und der
Unkrantbeseitigung. Was sollte er sonst davon
bei seinem feldmäßigen Anbau von Getreide, von
Hülsenufrüchten und Olfrüchten verwerten? Das
Meiste bleibt ihm unverstanden, ein Ballast,
den er bei Verlassen der Plantage über Bord
wirft.
Ganz anders bei der Beschäftigung in ratio-
nell betriebenen Baumwollkulturen, einer
Form des Ackerbaus, für die er von vornherein
ein gewisses Verständnis, gewisse Vorkenntnisse
mitbringt, kurz einer Betätigung, die ihm „liegt".
Die zweckmäßigsten Verfahren der Düngung und
der Fruchtsolge wollen auch für den Baumwoll=
bau in Ostafrika erst erprobt werden; beides
den örtlichen Verhältnissen, den jeweiligen.
Ansprüchen des Bodens entsprechend zu
regeln, wird eine der vornehmsten Auf-
gaben des Versuchswesens in Afrika sein.
Wenn auch die Großkultur vielfach mit an-
deren Mitteln arbeiten muß, als sie für die
Landwirtschaft der Eingeborenen in Betracht
kommen, wenn sie z. B. aus Rentabilitätsgründen
andere Rotationen wählen und — im Küsten-
lande wenigstens — die künstlichen Dünge-
mittel in den Vordergrund treten werden, so
lassen sich doch die einschlägigen Fragen in
manchen Gebicten sehr gut gleichzeitig für beide
Betriebsformen studieren.
Betrachten wir nun kurz die Verhältnisse der
Fruchtfolge in Ostafrika, soweit von einer
solchen überhaupt die Rede ist. In den meisten
Gegenden wechselt mehrjährige Einfelder-
wirtschaft mit mehrjähriger Brache; so
werden in Unyamwesi Sorghum= wie Maisfelder
drei Jahre hintereinander bestellt, um dann
erst nach dreijähriger oder noch längerer Brache
wieder in Angriff genommen zu werden. Auch
die Wassagara bauen Sorghum viele Jahre
hintereinander auf demselben Acker und hören
damit erst auf, wenn zur Zeit der Blüte ein ge-
wisses kleines Unkraut?) überhand nimmt, das
ihnen die Erschöpfung des Bodens anzeigt.
*) Die Turneraree Wormskjoldin longepedunculata.
Darauf folgt zwei= bis dreijährige Brache. Bei
anderen Stämmen im Bezirk Kilossa ist es sehr
beliebt, Sorghum nach Bataten als Vorfrucht zu
bauen, ferner wird nicht selten zweijähriger
Fruchtwechsel und zwar Sorghum abwechselnd
mit Korakan (Eleusine coracana), Pennisetum--
Hirse, verschiedenen Bohnenarten oder Sesam be-
trieben (Lambrecht). Hier sehen wir auch, wie
in Indien, die Leguminosen als nützliches
Mittelglied benutzt: ein Verfahren, das hier wie
dort ursprünglich zum Zweck der Gewinnung
einer abwechslungsreicheren Ernährung ersonnen,
später jedenfalls aber auch deswegen besonders
ausgestaltet wurde, weil man den wohl-
tätigen Einfluß der Hülsenfrüchtler auf die Er-
tragfähigkeit des Bodens erkannte. Auch den
Eingeborenen des Tanga-Bezirks ist bekannt, daß
eine richtige Fruchtfolge den Boden länger ertrag-
reich hält. Die Felder können durchschnittlich
fünf Jahre hintereinander bebaut werden; als
erste Frucht wird im allgemeinen Sorghum ge-
wählt, als letzte der Maniok, der nach Ansicht
der Eingeborenen auch auf einem ermüdeten
Acker noch erfolgreich angebaut werden kann.
Leider gibt Meyer (a. a. O.) über den Turnus
nichts Näheres an.
Noch ließen sich zahlreiche, auf den ostafrita-
nischen Getreidebau bezügliche Notizen mitteilen,
doch wir wollen uns nicht in Einzelheiten ver-
lieren, sondern die vorstehende Betrachtung
hiermit abschließen.
Bei dem Vergleich zwischen einem alten
Kulturvolk, das noch dazu seit langer Zeit unter
enropäischem Einfluß gestanden hat, und einem
Komplex von Stämmen, die noch bis vor wenigen
Jahren im wahrsten Sinne des Wortes als
„Wilde“ ihr Leben führten, muß von vorn-
herein auf der letzteren Seite ein großes Maß
von Rückständigkeit in der Methodik des Ackerbaus
erwartet werden. Nichtsdestoweniger finden
wir bei den Bewohnern gewisser aus-
sichtsreicher Produktionsgebiete in Ost-
afrika ein überraschend hohes Maß von
Intelligenz, Erfahrung, Fähigkeiten und
landwirtschaftlicher Begabung bereits in
den heutigen Systemen ihres Ackerbaues
niedergelegt. Diese Feststellung birgt für eine
kolonisierende Nation, wie die deutsche, die Ver-
pflichtung in sich, überall dort, wo ein geeig-
netes Substrat einerseits und für die nähere
Zukunft die Vermehrung der Absatzmöglichkeiten
gegeben sind, die vorhandenen Anlagen des
Negers mit allen geeigneten Mitteln wirtschaft-
lich aktiv zu machen.
Mit dieser Forderung befinden wir uns
übrigens in völliger Ubereinstimmung mit den