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Wir kamen daselbst nachmittags an. In der Nähe
der Insel, auf welcher Bruno Menke, der in
St. Mathias ermordete Führer der „ersten deutschen
Südsee-Expedition", begraben liegt, ging der „See-
stern“ vor Anker. Die Insel wurde von einem
Ende zum anderen durchstreift, Menkes Grab aber
nicht mehr gefunden. Die Insel ist anscheinend
unbewohnt. In ihrer Mitte liegt eine nicht un-
bedeutende Taro= und Bananenpflanzung; ein
gut ausgetretener Pfad zeigt an, daß die Ein-
geborenen von der gegenüberliegenden Insel
herüberkommen, um von hier Taro und Bananen
zu holen. Als wir uns anschickten, die Insel zu
verlassen, kamen von der anderen Seite einige
Kanus herbei. Da die Eingeborenen jedoch nicht
zu uns heran-, sondern auf den „Seestern“ zu-
ruderten, kehrten wir an Bord zurück, um dort
mit den Eingeborenen in Verbindung zu treten.
Sie auf der größeren, gegenüberliegenden Insel
aufzusuchen, dazu reichte die Zeit nicht, weil wir
vor Einbruch der Dunkelheit die Weiterfahrt nach
den Admiralitätsinseln antreten wollten. Es dauerte
nicht lange, da kam noch eine größere Anzahl
Eingeborener in Kanus herbei. Sie zeigten sich
keineswegs scheu, sondern fuhren dicht an das
Schiff heran. Einzelne kletterten auch an Bord.
Die Leute gehen vollkommen nackt. Haarpfeile
und Perlen, die sie von den Anwerbeschiffen be-
kommen, sind ihr einziger Schmuck.
Bald nachher verließen wir die landschaftlich
sehr reizvolle Inselgruppe. Auf der Hauptinsel
erheben sich Berge bis zu 500 Meter Höhe. Die
übrigen Inseln weisen nur ganz geringe Er-
höhungen auf. Riffe von außergewöhnlicher Aus-
dehnung umgeben die Inseln und erschweren die
Annäherung.
Am Donnerstag wurde in der Frühe die
Gruppe der Admiralitäts-Inseln gesichtet. Wir
kamen gegen neun Uhr vor dem Dorfe Lonin
an, das im Südosten der großen Manusinsel
liegt. Die Einwohner dieses Dorfes hatten sich
anläßlich der Ermordung des Händlers Schlehan
im vorigen Jahre an der Plünderung der Station
St. Gabriel beteiligt. Bei Ausführung der zu
Anfang dieses Jahres deshalb unternommenen
Strafexpedition waren vom Kaiserlichen Bezirks-
amtmann einige Geiseln mitgenommen worden.
Diese sollten nunmehr zurückgebracht werden. Bei
der Ankunft des „Seestern“ begann in dem Dorfe
ein großes Leben und Treiben. Nachdem die
Bewohner ihre vom „Seestern“ herüberwinkenden
Landsleute erkannt hatten, erhoben sie ein großes
Freudengeheul; binnen kürzester Zeit umschwärmten
zahllose Kanus das Schiff. Ich ließ den Leuten
durch die mitgebrachten Geiseln sagen, daß wir
in friedlicher Absicht gekommen seien und daß wir
an Land gehen würden, um das Dorf zu be-
sichtigen. Bereitwillig wurde uns der Weg zu
der für einen Kutter schon recht kleinen Passage
gezeigt; auch unserer Landung setzten die Leute
keine Schwierigkeiten entgegen. Wir durchwan-
derten das Dorf von einem Ende zum anderen.
Die Bevölkerung ist im Vergleiche zur Zahl der
Hütten außerordentlich stark.
Um Mittag verließen wir Lonin und fuhren
weiter nach Komuli. Dort hat die Firma
Hernsheim und Co. eine Handelsstation, die von
einem früheren Steuermann verwaltet wird. Wir
kamen gegen drei Uhr vor Komuli, einer kleinen
mit Kokosnüssen bestandenen Insel an. Die
Insel ist, wie die anderen in der Nachbarschaft
liegenden kleinen Eilande, von Eingeborenen nicht
bewohnt. Der Handel erstreckt sich hier außer
auf Kopra auf Trokas= und die wertvolleren
Burgosmuscheln. Die Kopraernte war nach An-
gabe des Stationsverwalters im letzten Jahre
nicht besonders groß; sie betrug monatlich etwa
10 bis 12 Tonnen.
Die Eingeborenen verhalten sich nach Mit-
teilung des Stationsleiters den Weißen gegenüber
zur Zeit friedlich, doch leben sie untereinander in
steten Fehden. Namentlich sind die Mokleute
immer noch sehr gefürchtet. Nach der Ermordung
des Händlers Mätzke haben sie ihre Insel ver-
lassen und schlagen nun bald da, bald dort ihren
Wohnsitz auf. Zur Zeit sollen sie auf den so-
genannten Green-Inseln wohnen und von da aus
Raubzüge unternehmen.
Es muß einer später zu errichtenden Polizei-
station vorbehalten bleiben, den Landfrieden auf
diesen Inselgruppen herzustellen.
Vor Komuli blieb der „Seestern“ die Nacht
über liegen. Am Freitag, den 16. November,
wurde nach Sonnenaufgang weitergefahren; zu-
nächst sollte dem Eingeborenendorfe Papitalei
ein Besuch abgestattet werden. Auf dem Wege
dahin liefen wir aber nochmals vor Lonin vor.
In Komuli war uns nämlich mitgeteilt worden,
daß die Loninleute ein von der Insel Baluan
abgetriebenes Kanu überfallen, die Männer in
dem Kann getötet und die Weiber in Gefangen-
schaft weggeführt hätten. Ich wollte versuchen,
die Herausgabe der beiden Weiber durchzusetzen.
Die Eingeborenen kamen auch bei unserer zweiten
Anfahrt ohne Schen an das Schiff heran. Einem
der Geiseln, den wir Tags vorher hier abgesetzt
hotten und der auch wieder an Bord kam, er-
klärten wir, weshalb wir wieder zurückgekommen
seien. Er gab zu, daß zwei fremde Weiber im
Dorfe gewesen seien; der Häuptling, welcher auch
gestern schon nicht da war, habe sie aber mit in
den Busch genommen. Darauf ließ ich den
Leuten sagen, sie sollten die Weiber sofort bringen.
Nach einiger Zeit kamen sie wieder mit ihren