Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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gegangen waren. Im Laufe des Sonnabend und 
am Ostersonntag trieb die See eine Menge zum 
Teil schauerlich verunstalteter, meist von der Insel 
Paliau stammender Leichen an Land, zu deren 
Bestattung die Eingeborenen nur mit Mühe be- 
wogen werden konnten. Einige ans sonderbare 
streifende Rettungen möchte ich erwähnen; so 
schwammen von der Insel Palian zwei Kinder, 
ein Knabe von fünf und ein Mädchen von acht 
Jahren, über die Lagune durch die Taifunsee 
anderthalb Seemeilen weit nach Marijong. 
Mehrere Eingeborene von Palian wurden nach 
Saliap, vier von Raur 4½ Seemeilen weit 
nach Utagal getrieben, darunter zwei Frauen und 
zwei Männer. Die Zahl der so Geretteten belief 
sich auf zwölf. 
1# 
Die Erzählungen der von Raur und Palian 
Geretteten ergaben mit Übereinstimmung folgendes 
Bild der Ereignisse auf diesen Inseln: Schon am 
Abend des 28. März schlossen die erfahrenen 
Leute aus dem besonderen Tosen der Brandung, 
daß eine Flutwelle im Anzuge sei. So wurden 
denn alle Vorkehrungen zur Rettung der Frauen 
und Kinder getroffen und diese mit Stricken im 
Gezweige der Brotfruchtbäume festgebunden. Am 
29. März gegen 8 Uhr morgens erschien dann, 
nachdem das Wasser auf den Inseln nachts schon 
anderhalb Meter hoch gestanden hatte, unter 
schrecklichen Sausen über den Gipfeln der höchsten 
Brotfruchtbäumc, also über 40 m hoch, eine dunkle 
Wolke: die Flutwelle. Diese brach in der Mitte 
der Inseln wie ein gigantischer Wasserstrahl zu- 
sammen und ergoß sich mit furchtbarer Strömung 
in die Lagune. Diese erste Flutwelle hatte indes 
die festgebundenen Menschen noch nicht fortgerissen; 
unmittelbar nach der ersten kam aber eine zweite 
noch höhere Welle, die nun alle Bäume, Häuser, 
Menschen wegspülte. Die Lagune war in diesem 
Angenblick ein großer drehender Wirbel, in welchen 
die mit Menschen dicht besetzten Bäume hinein= 
gerissen wurden. Was nicht ertrank, wurde in 
der Brandung auf den Riffkanten von den Bäumen 
germalmt. 6„ 
Bei der Frage nach der Ursache dieser schreck- 
lichen Katastrophe möchte ich einige Beobachtungen 
mitteilen, die ich nach dem Taifun gemacht habe, 
ohne indes daraus Schlüsse ziehen zu wollen. 
Mir scheint die Frage diskutabel, ob nicht viel- 
leicht vulkanische, unterseeische Eruptionen mit im 
Spiel gewesen sind. Während des Taifuns um 
10 Uhr morgens waren Erderschütterungen zu 
spüren; am Strande fanden sich zahlreiche Bims- 
steine augeschwemmt, die allerdings von sachver- 
ständigeren Leuten als alte Lava angesprochen 
wurden. Das ganze Atoll schien selbst den Ein- 
  
geborenen gehoben zu sein, da die Hochwasser- 
grenze bedeutend zurückgewichen war. Eine neue 
Insel ist zwischen Falalis und Motogosu empor= 
getaucht, dort, wo früher allerdings schon ein Riff 
gewesen war. Diese Insel heißt Mét und soll 
vor undenklichen Zeiten bewohnt gewesen sein. 
Eine Flutwelle habe sie damals weggespült, so 
erzählt die Eingeborenensage. Zwischen den Inseln 
Paliau und Oleai bestand früher nur eine schmale 
Passage, die bei niedrigem Wasser fast trocken lag. 
Diese Passage ist nun nach dem Taifun ganz be- 
deutend verbreitert und vertieft. Die Riffplatte 
zwischen diesen beiden Inseln war zersprungen 
wie eine Marmorplatte, die man auf den Boden 
wirft; große Stücke waren aus ihr herausgesprengt. 
Auch der Boden der Inseln Paliau und Raur 
sah wie zerplatzt aus. Am Außenriff von Raur, 
dort, wo die Flutwelle herüber gebrochen war, 
zeigten sich wie kleine Eilandinseln drei längliche 
Korollenschuttaufhänfungen. Die früher mit dichtem 
Busch bestandene Außenriffseite der beiden genannten 
Inseln zeigte sich dort, wo sie der Flutwelle aus- 
gesetzt gewesen war, glatt und eben wie ein Tisch, 
eine mit Korallenkies bestreute wagerechte Fläche. 
Die Richtung der Flutwelle war vermutlich von 
Ostnordost nach Westsüdwest; ihre Höhe ist nicht 
mit Sicherheit anzugeben. 
1* # 
Die erste Sorge nach dem Taifun war, die 
Uberlebenden von den völlig vernichteten 
Inseln Raur und Palian auf Oleai im gemein- 
schaftlichen Biwak zu sammeln. Hier herrschte 
eine bewunderungswürdige Ordnung und Disziplin 
unter den Eingeborenen, so daß nach dieser Rich- 
tung keinerlei Maßnahmen getroffen zu werden 
brauchten. Ich will hier auch gleich hervorheben, 
daß die Eingeborenen auf das willigste allen 
meinen Anordnungen Folge leisteten und daß in 
den vierzehn schweren Tagen nach dem Taifun 
kein Fall von Ungehorsam oder irgend eine Aus- 
schreitung vorgekommen ist. 
Wie ein drohendes Gespenst hing über uns 
allen die Sorge einer Hungersnot; die Sorge 
war um so schwerer, als wir bei unserer Ungewiß- 
heit über das Schicksal der „Ponape“ erwarten 
mußten, bis zum 25. oder 26. Mai (d. h. 3 bis 
4 Tage nach dem Eintreffen des Reichspostdampfers 
„Germania“ von Hongkong in Jap ohne Hilfe zu 
bleiben. Sofort wurde darum an die Sammlung 
dermassenhaft umherliegendens 
der noch brauchbare: Taro wurde aus den Feldern 
geholt, wobei die Frauen tauchen mußten, um 
die Wurzeln herauszufischen. Noch tagelang nach 
dem Taifun stand die See im großen Tarofelde 
von Oleai zweieinhalb bis drei Meter hoch. Sämt- 
liche brauchbaren Lebensmittel wurden in besondere 
  
 
	        
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