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Kalkfelsen empor, deren Fuß von der Brandung
so ausgehöhlt ist, daß sie wie kurzstielige Pilze
aussehen. Hinter dieser dunklen Umrahmung
leuchten die hellgrünen, saftigen Wiesen und die
Kokoshaine des vulkanischen Hauptlandes hervor.
Wir ankerten nahe bei der kleinen Insel Malakal,
wo einst der berüchtigte Kapitän Cheyne hauste
und wo sich jetzt die Stationen der zwei japa-
nischen Händler und der Firma O'Keefe befinden.
Zwischen den Pilzinseln hindurch gelangt das
Boot in den westlichen Teil des Korror-Hafens.
Dort liegt auf einer an hundert Hektar großen
Ebene die Regierungsstation. Ein 280 Meter
langer Steindamm ermöglicht die Landung der
Boote auch bei niedrigstem Wasserstande. Gleich
am Lande fällt eines jener großen Palanhäuser
in die Augen: Es ruht auf dicken, aufrechtstehenden
Calophyllumplanken, die niedrigen Wände be-
stehen aus dem gleichen Holz, das hohe spitze
Dach aus Pandanusblättern. Die beiden ge-
schlossenen Giebelseiten und das Balkenwerk im
Innern sind mit menschlichen Gestalten, Tieren,
Häusern, Schiffen reich bemalt. Sie stellen die
zusammenhängende Geschichte der Ortschaft oder
des Männerklubs dar, dem das Haus früher
gehörte. Jetzt ist es Eigentum der Station und
dient der Polizeitruppe als Unterkunft. Auf der
freien Ebene liegen die Haupt= und Nebengebäude
der Station, einfach, wohnlich. Von hier aus
genießt man einen schönen Blick auf die benach-
barten Inseln. Sie sind jetzt unbewohnt oder
ganz spärlich bevölkert. Aber eigentümliche, über-
einauderliegende, schanzenartige Terrassen auf den
Höhen bezeichnen die Plätze früherer großer Dorf-
schaften. Dieser Ursprung der Terrassen, denen
man überall im ganzen Lande begegnet, unter-
liegt keinem Zweifel; sie waren teilweise noch zu
Zeiten heute lebender Eingeborenen besiedelt, und
ich besuchte während meines Aufenthaltes manches
Dorf, das in ganz gleicher Art an solchen Terrassen
aufgebaut ist.
Während meines zweiwöchigen Aufenthalts
auf Palau besuchte ich die Oberhäuptlinge und
machte mit dem Stationsleiter eine mehrtägige
Reise nach Arekolong, dem nördlichsten Teil
von Baobelthaop. Dort hatten die um ihren
schwindenden Einfluß besorgten Kalids, die geist-
lichen Häupter, Zauberer und Wunderdoktoren
von Palan, Unruhen zu stiften gesucht. In höchst
anerkennenswerter Weise ging der Stationsleiter
Winkler trotz der Warnungen befreundeter Ober-
häuptlinge mit seiner kleinen Polizeitruppe sofort
nach Arekolong, legte das seinem Befehl zuwider
errichtete Kalidhaus nieder und fing auch glück-
lich die sechs Rädelsführer ein. t.
„Condor"“ brachte sie nach Yap, von da auf
meine Veranlassung nach Saipan, wo sie auf
einige Zeit bei nützlichen Wegebauten und Pflan-
zungsarbeiten beschäftigt sind und ihren Zauberer-
hochmut hoffentlich bald verlieren werden. Die
weltlichen Rupaks, die ihren geistlichen Mit-
bewerbern in der Ausbeutung des Palauvolkes
durchaus nicht hold sind, freuten sich ungemein
über diesen Ausgang der Sache. Aber die Rupaks
von Arekolong, die von den Kalids aufsgefordert
worden waren, sich ihnen anzuschließen, um die
Weißen aus Palau zu vertreiben, hatten erst ge-
schwankt, und nur das energische Vorgehen Winklers
gab den Ausschlag für ihre Haltung. Ich hielt
es daher für zweckmäßig, ihnen in Begleitung
des Stationsleiters, der Polizeitruppe und meiner
neun Saipan-Soldaten einen Besuch zu machen,
um ihnen für die Zukunft die Wahl zwischen
Unruhestiftern und ihrer gesetzmäßigen Obrigkeit
zu erleichtern. Der Besuch verlief, wie ich gleich
vorausschicken will, durchaus friedlich. Die Rupaks
übernachteten mit uns in einem der großen Häuser.
Ich ließ die Soldaten Wache gehen, blieb zu-
nächst schweigsam und hielt die Häuptlinge bis
zum letzten Angenblick in Ungewißheit über meine
Absichten. Dann stellte ich ihnen ihr Unrecht
vor, daß sie hätten abwarten wollen, wer der
Stärkere sei, Stationsleiter Winkler oder die
Kalids; sie hätten für ihre Unzuverlässigkeit eigent-
lich Strafe verdient, doch da sie, wie mir Winkler
sage, sonst anständig seien, wolle ich sie dieses
Mal laufen lassen. Der Oberhäuptling, welcher
sich nach dem „großen deutschen Rupak“ den
Namen Bismarck beigelegt hat, war abwesend —
wie die anderen erklärten, zufällig, wie ich aber
glaube, aus Angst. Er kam später zu mir auf
die Station und entschuldigte sich.
Die Station liegt aufs Korror,
des zur Zeit mächtigsten „Königs“, welcher als
solcher den Namen Aibathul führt. Den Arekoko
(d. h. Thronfolger) hatten die Spanier aus irgend-
welchen Gründen nach Yap verbannt. Bezirks-
amtmann Senfft schickte ihn wieder nach Palau,
wo er der deutschen Verwaltung in den ersten
Jahren wertvolle Dienste leistete. Als zweit-
mächtigster Oberhäuptling ist der Araklai von
Malegojok, als dritter der Math von Nai-
bukes auf der Hauptinsel Baobelthaop anzusehen.
Math ist der unter seinem alten Namen Arakalulk
bekannte treue Diener des deutschen Forschers
Semper, der sich in den Jahren 1861 und 1862
neun Monate auf Palau aufhielt und dem wir
die neben dem Kubaryschen Werke wichtigsten
Nachrichten über das interessante Land und Volk
der Palauer verdanken. Arakalulk ist heute ein
alter Mann von über achtzig Jahren, aber die
Freundschaft zu Semper hat er auf alle Deutschen
übertragen. Es ist rührend, wie sein Blick in
Träume versinkt und wie er leise den Namen
der Insel