Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Kalkfelsen empor, deren Fuß von der Brandung 
so ausgehöhlt ist, daß sie wie kurzstielige Pilze 
aussehen. Hinter dieser dunklen Umrahmung 
leuchten die hellgrünen, saftigen Wiesen und die 
Kokoshaine des vulkanischen Hauptlandes hervor. 
Wir ankerten nahe bei der kleinen Insel Malakal, 
wo einst der berüchtigte Kapitän Cheyne hauste 
und wo sich jetzt die Stationen der zwei japa- 
nischen Händler und der Firma O'Keefe befinden. 
Zwischen den Pilzinseln hindurch gelangt das 
Boot in den westlichen Teil des Korror-Hafens. 
Dort liegt auf einer an hundert Hektar großen 
Ebene die Regierungsstation. Ein 280 Meter 
langer Steindamm ermöglicht die Landung der 
Boote auch bei niedrigstem Wasserstande. Gleich 
am Lande fällt eines jener großen Palanhäuser 
in die Augen: Es ruht auf dicken, aufrechtstehenden 
Calophyllumplanken, die niedrigen Wände be- 
stehen aus dem gleichen Holz, das hohe spitze 
Dach aus Pandanusblättern. Die beiden ge- 
schlossenen Giebelseiten und das Balkenwerk im 
Innern sind mit menschlichen Gestalten, Tieren, 
Häusern, Schiffen reich bemalt. Sie stellen die 
zusammenhängende Geschichte der Ortschaft oder 
des Männerklubs dar, dem das Haus früher 
gehörte. Jetzt ist es Eigentum der Station und 
dient der Polizeitruppe als Unterkunft. Auf der 
freien Ebene liegen die Haupt= und Nebengebäude 
der Station, einfach, wohnlich. Von hier aus 
genießt man einen schönen Blick auf die benach- 
barten Inseln. Sie sind jetzt unbewohnt oder 
ganz spärlich bevölkert. Aber eigentümliche, über- 
einauderliegende, schanzenartige Terrassen auf den 
Höhen bezeichnen die Plätze früherer großer Dorf- 
schaften. Dieser Ursprung der Terrassen, denen 
man überall im ganzen Lande begegnet, unter- 
liegt keinem Zweifel; sie waren teilweise noch zu 
Zeiten heute lebender Eingeborenen besiedelt, und 
ich besuchte während meines Aufenthaltes manches 
Dorf, das in ganz gleicher Art an solchen Terrassen 
aufgebaut ist. 
Während meines zweiwöchigen Aufenthalts 
auf Palau besuchte ich die Oberhäuptlinge und 
machte mit dem Stationsleiter eine mehrtägige 
Reise nach Arekolong, dem nördlichsten Teil 
von Baobelthaop. Dort hatten die um ihren 
schwindenden Einfluß besorgten Kalids, die geist- 
lichen Häupter, Zauberer und Wunderdoktoren 
von Palan, Unruhen zu stiften gesucht. In höchst 
anerkennenswerter Weise ging der Stationsleiter 
Winkler trotz der Warnungen befreundeter Ober- 
häuptlinge mit seiner kleinen Polizeitruppe sofort 
nach Arekolong, legte das seinem Befehl zuwider 
errichtete Kalidhaus nieder und fing auch glück- 
lich die sechs Rädelsführer ein. t. 
„Condor"“ brachte sie nach Yap, von da auf 
meine Veranlassung nach Saipan, wo sie auf 
  
einige Zeit bei nützlichen Wegebauten und Pflan- 
zungsarbeiten beschäftigt sind und ihren Zauberer- 
hochmut hoffentlich bald verlieren werden. Die 
weltlichen Rupaks, die ihren geistlichen Mit- 
bewerbern in der Ausbeutung des Palauvolkes 
durchaus nicht hold sind, freuten sich ungemein 
über diesen Ausgang der Sache. Aber die Rupaks 
von Arekolong, die von den Kalids aufsgefordert 
worden waren, sich ihnen anzuschließen, um die 
Weißen aus Palau zu vertreiben, hatten erst ge- 
schwankt, und nur das energische Vorgehen Winklers 
gab den Ausschlag für ihre Haltung. Ich hielt 
es daher für zweckmäßig, ihnen in Begleitung 
des Stationsleiters, der Polizeitruppe und meiner 
neun Saipan-Soldaten einen Besuch zu machen, 
um ihnen für die Zukunft die Wahl zwischen 
Unruhestiftern und ihrer gesetzmäßigen Obrigkeit 
zu erleichtern. Der Besuch verlief, wie ich gleich 
vorausschicken will, durchaus friedlich. Die Rupaks 
übernachteten mit uns in einem der großen Häuser. 
Ich ließ die Soldaten Wache gehen, blieb zu- 
nächst schweigsam und hielt die Häuptlinge bis 
zum letzten Angenblick in Ungewißheit über meine 
Absichten. Dann stellte ich ihnen ihr Unrecht 
vor, daß sie hätten abwarten wollen, wer der 
Stärkere sei, Stationsleiter Winkler oder die 
Kalids; sie hätten für ihre Unzuverlässigkeit eigent- 
lich Strafe verdient, doch da sie, wie mir Winkler 
sage, sonst anständig seien, wolle ich sie dieses 
Mal laufen lassen. Der Oberhäuptling, welcher 
sich nach dem „großen deutschen Rupak“ den 
Namen Bismarck beigelegt hat, war abwesend — 
wie die anderen erklärten, zufällig, wie ich aber 
glaube, aus Angst. Er kam später zu mir auf 
die Station und entschuldigte sich. 
Die Station liegt aufs Korror, 
des zur Zeit mächtigsten „Königs“, welcher als 
solcher den Namen Aibathul führt. Den Arekoko 
(d. h. Thronfolger) hatten die Spanier aus irgend- 
welchen Gründen nach Yap verbannt. Bezirks- 
amtmann Senfft schickte ihn wieder nach Palau, 
wo er der deutschen Verwaltung in den ersten 
Jahren wertvolle Dienste leistete. Als zweit- 
mächtigster Oberhäuptling ist der Araklai von 
Malegojok, als dritter der Math von Nai- 
bukes auf der Hauptinsel Baobelthaop anzusehen. 
Math ist der unter seinem alten Namen Arakalulk 
bekannte treue Diener des deutschen Forschers 
Semper, der sich in den Jahren 1861 und 1862 
neun Monate auf Palau aufhielt und dem wir 
die neben dem Kubaryschen Werke wichtigsten 
Nachrichten über das interessante Land und Volk 
der Palauer verdanken. Arakalulk ist heute ein 
alter Mann von über achtzig Jahren, aber die 
Freundschaft zu Semper hat er auf alle Deutschen 
übertragen. Es ist rührend, wie sein Blick in 
Träume versinkt und wie er leise den Namen 
der Insel
	        
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