Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

G 663 20 
Semper wiederholt, wenn die alten Erinnerungen 
geweckt werden. Von ihm erhielt Winkler die 
ersten Nachrichten von den Quertreibereien der 
Kalids; er bot ihm seine Mannschaft zur Be- 
gleitung an, die Winkler aber ablehnte, um das 
Aufleben der alten Fehden unter den Eingeborenen 
zu verhindern und um zu zeigen, daß er auch 
allein den Ränkeschmieden gewachsen sei. 
Im übrigen ist keinem der Häuptlinge, Rupaks 
und keinem Palauer allzusehr zu trauen. Die 
Gier nach Reichtum und Einfluß, nach jenen 
sonderbaren uralten, äum Teil mit aufgebrannten 
Arabesken verzierten Geldstücken aus Glas und 
Ton beherrscht ihr Sinnen und Trachten. Die 
kleineren runden Stücke von Linsen= bis Haselnuß- 
größe sind zumeist in der Mitte, die größeren 
dreikantigen sind an beiden Enden durchbohrt 
und werden von den vornehmen Frauen zuweilen 
offen als Schmuck am Halse getragen, meist aber 
sorgfältig verborgen. Math zeigte mir auf meine 
Bitte einige seiner großen Familienstücke. Bei 
den Eingeborenen von Borneo soll genau das 
gleiche Geld in Umlauf sein. Sein Wert schwankt 
von einigen Körben Taro bis zu über tansend 
Mark nach unserem Gelde; die großen Stücke 
sind übrigens den Besitzern um keinen Preis feil. 
Nur die Stationskasse besitzt aus Strafen, Ein- 
ziehungen usw. für einige tausend Mark Palangeld. 
Durch die Errichtung der Regierungsstation 
auf Korror ist das Ansehen des Aibathul und 
entsprechend die Eifersucht des Araklai sehr ge- 
stiegen. Ich versprach daher dem letzteren, daß 
der Stationsleiter, wenn er ihm, wie es auch 
Math getan, ein schönes Haus bane, jedes Jahr 
einige Zeit in Malegojok bleiben werde. Dort 
hatte übrigens auch der Regierungsarzt Dr. Born 
während seines mehrmonatigen Aufenthaltes sein 
Behandlungshaus aufgeschlagen. Die deutsche 
Kapuzinermission besitzt je eine Station in Korror 
und Malegojok. Wenn auch die Bekehrungserfolge 
nicht bedeutend sind, so wünschen doch die Palauer, 
daß ihre Kinder etwas lernen, und Aibathul hat 
neben der Mission auf eigene Kosten eine schöne 
Schule erbaut. 
Bei meiner Ankunft versammelten sich alsbald 
alle Rupaks um den Oberhäuptling. Sämtliche 
aktuellen Angelegenheiten wurden besprochen, die 
Befolgung der Anordnungen des Stationsleiters 
wurde den Rupaks ans Herz gelegt, und schließ- 
lich gelangten Geschenke zur Verteilung: Fisch- 
haken, Messer, Stoffe, Tabak, Perlen. Dafür 
gaben die Rupaks Gegenstände aus Schildpatt. 
Der Aibathul ist ein dicker, achtzigjähriger 
Mann mit sympathischem Gesicht. Er sitzt, da 
er nicht mehr gehen kann, den ganzen Tag in 
seinem halbenropäischen, nicht eben reinlichen 
Hause, umgeben von seinen Angehörigen. Zur 
  
Besprechung wurde er in seinem hölzernen, mit 
Perlmuttereinlagen verzierten, einem Schweinetrog 
nicht unähnlichen Thronsessel von vier Unter- 
gebenen nach dem Platz vor den großen Häusern 
getragen. Neben ihm saß der Arekoko, ein etwa 
fünfzigjähriger stattlicher Mann mit langem, er- 
grauenden Vollbart und gleichfalls recht an- 
sprechenden, schlauen Gesichtszügen. Im Halb- 
kreise nahmen je nach ihrem Rang die Rupaks, 
im Hintergrunde die übrigen erwachsenen Mann- 
schaften, zusammen etwa hundert Leute, Platz. 
Dem Aibathul gegenüber war für mich ein mit 
Matten bedeckter Sitz hergerichtet. Nach der Be- 
grüßung fragte ich den Aibathul, ob dies seine 
ganze Mannschaft sei; ich wisse doch, daß 1783, 
zu Zeiten des Kapitäns Wilson — sein An- 
denken und das des in England gestorbenen 
Aibathul-Sohnes ist noch nicht erloschen — Korror 
fünfzehnhundert Krieger stellte, woher wohl dieser 
auffallende Rückgang der Bevölkerung kommc, den 
man ja auch deutlich überall an den verlassenen, 
ausgestorbenen Ortschaften sehen könne? „Das 
kommt,“ meinte Aibathul, „von den fremden 
Schiffen; sie brachten Krankheiten aller Art ins 
Land.“ In der Tat mögen die Walfänger und 
andere Schiffe früher Krankheiten eingeschleppt 
haben, aber jetzt hat das aufgehört; heute werden 
alle ankommenden Schiffe erst untersucht, und 
kranke Leute dürfen nicht ans Land. „Aber 
warum bekommen eure Weiber so selten und so 
wenig Kinder?“ Da meldete sich einer, dessen 
Frau sieben oder acht Kinder habe. „Du bist,“ 
erwiderte ich, „ein tüchtiger Mann und deine 
Frau ist ein braves Weib, doch ihr seid Aus- 
nahmen. Ihr anderen habt wenig Kinder, und 
ich will euch sagen, woher das kommt: Ihr führt 
kein Familienleben; bis vor kurzem lebten die 
Männer in den Klubhäusern, dort wurden eure 
Mädchen. verdorben. Jetzt ist das verboten zu 
eurem und eures Volkes Wohl. Das Palauvolk 
soll wieder stark werden an Zahl. Ihr sollt auch 
eure Kinder nicht fremden Leuten geben, sie sollen 
bei ihren Eltern, bleiben. Ihr sollt ein gutes 
Familienleben führen, dann werden auch eure 
Frauen wieder fruchtbarer sein.“ 
„Ich habe mit Freude gehört, Aibathul, daß 
du das schöne Schulhaus hast bauen lassen und 
daß ihr alle wollt, daß eure Kinder Deutsch lernen 
(so wie es der Otto hier, des Arekok Sohn, 
spricht) und Lesen, Schreiben, Rechnen. Dann 
haltet die Kinder nur an, daß sie regelmäßig in 
eure Schule gehen und, wenn der Unterricht zu 
Ende, daß sie nach Hause kommen und euch bei 
der Arbeit helfen. Es ist nicht nötig, daß sie den 
ganzen Tag saulenzen. Im übrigen stört euch 
niemond in euren alten Sitten, soweit sie gut 
sind.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.