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„Und die Rupaks sollen auf den togpog (die
Schildlaus) achtgeben, die kranken Blätter abhauen
und verbrennen. Wenn Stationsleiter Winkler
die nachlässigen Rupaks straft, so geschieht das
nur zu eurem Besten. Denn hier ist die Krank-
heit noch nicht schlimm und nur an wenigen
Stellen aufgetreten. Aber wenn ihr nicht achtgebt,
dann wird die Krankheit groß und ille Kokos-
bäume sterben wie in Yap, und ihr habt dann
keine Kokos mehr. Darum folgt Winlkler; ihr
Palauer seid ja alle vernünftige Leute und wißt,
daß wir nur ener Wohl im Auge haben.“
Auf den Palau befinden sich ausgedehnte, mit
vorzüglichem Futtergras bedeckte Flächen, die sich
sehr für Viehzucht im großen Stil eignen würden;
besonders der nördlichste Teil von Baobelthaop,
die Halbinsel Arekolong, die nur auf eine etwa
zweihundert Meter breite Strecke mit der Haupt-
insel verbunden ist, wäre dafür wie geschaffen.
Die Landenge wird soeben für den Kannverkehr
durchstochen. Auch fruchtbares Land für Pflan-
zungen ist reichlich vorhanden. Nicht nur Kokos-
palmen gedeihen hier und die überall gebauten
Knollengewächse. Ich begegnete auf Korror und
anderen Plätzen kräftigen, gesunden Kakaobäumen,
bedeckt mit Früchten, wie ich sic schöner und reicher
auch in Westindien nicht gesehen habe.
Da Palau jetzt regelmäßig von dem Jalnit-
dampfer angelaufen wird, so wäre die Besiedlung
mit anspruchslosen, arbeitsamen, deutschen An-
siedlern ins Auge zu fassen.
Trotz der zahlreichen und gesunden Kokos-
bestände ist die Kopra-Ausfuhr ganz gering. Die
japanischen und amerikanischen Firmen führen
wie in VYap fast nur Perlschalen und etwas Schild-
patt aus.
Über die Mineralschätze der Palau-Inseln
wurde wiederholt berichtet. Die eingehende Er-
kundung der Palau, Marianen und gewisser Ka-
rolinen-Inseln durch einen Geologen wäre eine
Maßnahme, deren Kosten zu dem wahrschein-
lichen Erfolg vielleicht in gar keinem Verhältnis
stehen würden.
Endlich setzte der ersehnte Nordwind ein, und
am 16. November ging die „Ponape“ mit ins-
gesamt hundertzwanzig Mannschaften und Passa-
gieren wieder unter Segel. Am 19. erreichten
wir Sonsol. Diese westlichsten unserer Karolinen:
Sonsol-Fanna, Pulo-Anna, Pulo-Merir, Tobi und
das Helenen-Riff stellen sich als niedrige Riff-
inseln, Sandbänke auf einer Unterlage von Korallen
dar. Sie schließen das mikronesische Inselreich
wie eine Vorpostenkette gegen die Molukken ab
und bilden (mit Ausnahme von Tobi) auch ethno-
logisch die Grenze Mikronesiens. Sonsol wurde
nach den Uberlieferungen der Eingeborenen von
verschlagenen Bewohnern, und zwar von einem
Weibe und drei Männern, der 510 Seemeilen
entfernten Karolinen-Insel Sorol bevölkert. Von
Sonsol aus sollen dann Pulo-Anna und Pulo-
Merir, auch Tobi von den Nachkommen jener
Sorol-Leute besiedelt worden sein. Das ist schon
lange her. Denn bereits 1721 berichtet der
Pater Cantova von einer bewohnten Jusel
Sourrol südlich von Palau, die einigen von Ulea
nach Guam verschlagenen Karolinern bekannt
war.') Wir sehen daraus, daß die Mikronesier
bereits vor Jahrhunderten auf ihren kleinen,
offenen Kanus unerhörte, tollkühne Fahrten aus-
führten, daß ihnen die auf einer Fläche von der
mehrfachen Größe Deutschlands zerstreute Insel-
welt wohlbekannt war. Wir Kulturmenschen
wundern uns über die durch Jahrhunderte er-
haltene Überlieferung. Aber das Leben dieser
Eingeborenen auf ihren Inseln im unendlichen
Weltmeer verläuft Tag für Tag, Jahr für Jahr
in ewig gleicher Eintönigkeit, ereignislos, sorgenlos.
Eine Sturmflut, ein gewaltiger, zerstörender Orkan,
ein fremdes Schiff — das sind Ereignisse, die in
Gesängen festgehalten und durch Generationen
vererbt werden. Da bleibt in urwüchsigen, durch
keine „Tagesneuigkeiten“ verwirrten Köpfen Raum
und Halt für die Geschichte der Familie, des
Stammes, für die Erlebnisse der Urahnen.
Sonsol ist nicht ganz hundert Hektar groß
und durch einen breiten, tiefen Kanal von einer
zweiten kleineren Insel Fanna geschieden, an deren
Nordküste sich (nach Kapitän Martens) vielleicht
eine Ankermöglichkeit bietet. Die „Ponape“
ankerte nicht, die Bootslandung war unbequem;
wir mußten fast hundert Meter durch seichtes
Wasser waten.
Auf Sonsol zählte ich hundertvierzehn Männer
und hundertzehn Weiber, bin aber überzeugt, daß
mehr Bewohner vorhanden sind; besonders Weiber
und Kinder werden sich der Zählung entzogen
haben. Fanna sollte #tabus und unbewohnt sein;
auf meiner späteren Reise mit dem „Seestern“
besuchte ich Fanna und fand eine Anzahl Frauen
und einige alte Männer vor.
Die Sonsoler haben mit gewissen Abweichungen
die Sprache und Sitten der Zentral-Karolinen
bewahrt; meine Saipan-Karoliner konnten sich
ohne weiteres mit ihnen verständigen. Die
Männer zeigen weiche, fast weibliche Gesichtszüge
und (wie die Rukleute) kleine, wohlgeformte
Gliedmaßen. Das Haar tragen sie lang, Kämme
bemerkte ich nur selten. Hals= und Ohrketten
aus Ringen der harten Kokosschale, Arm= und
Fingerringe aus Schildpatt vervollständigen das
*) J. P. Horkinso Bericht über die Pelew-Inseln,
heranogegeben von Theophil Friedrich Ehrmann.
Weimar 1805.