Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

W 736 20 
und den weißen Kolonisten das Sicherheitsgefühl 
zu geben, ohne das eine ersprießliche Erwerbs- 
tätigkeit ausgeschlossen ist. Das lange zurück- 
gehaltene wirtschaftliche Leben der Kolonie drängt 
nunmehr zur Betätigung und Entfaltung, aber 
völlig friedliche Verhältnisse, die die Vor- 
bedingung bilden, sind gegenwärtig noch nicht 
überall vorhanden. 
Schlußwort. 
Als an jenem Jannarmorgen des Jahres 1904 
die erste Schreckensnachricht von der grausamen 
Hinmordung zahlreicher Deutscher durch die 
Hereros nach der Heimat drang, bestand hier 
wohl allgemein die Hoffnung, es könne noch ge- 
lingen, den drohenden Aufstand im Keime zu er- 
sticken. Es kam anders. Die anfangs mehr ört- 
liche Erregung ergriff gleich einer Flutwelle die 
Bevölkerung des gesamten Schutzgebietes, und 
jene blutigen Ereignisse bildeten den Anfang eines 
Kolonialkrieges, wie ihn das junge Deutsche Reich 
in einer solchen Ausdehnung und Bedeutung 
noch nicht erlebt hatte. Es galt, das Schutzgebiet 
dem Reiche neu zu erobern im Kampfe mit 
Gegnern, die dem Kultur bringenden deutschen 
Einwanderer Todfeindschaft geschworen hatten und 
die fest entschlossen waren, für ihre Unabhängig- 
keit und Freiheit alles hinzuopfern. Erst in 
diesem gewaltigen Ringen kamen ihre hohen 
kriegerischen Eigenschaften zur vollen Entfaltung; 
sie zeigten sich als geborene Krieger und fanden 
einen mächtigen Bundesgenossen in der Eigenart 
ihres Landes, der sie ihre Kampfesweise vortrefflich 
anzupassen verstanden. 
War schon der Herero, jener Meister des 
Buschkrieges, durch seine angeborene Wildbeit, 
seine bedentende Körperkraft, Ausdauer und Be- 
dürfnislosigkeit ein nicht zu verachtender Gegner, 
dessen Kampfeslust sich bei der Verteidigung seiner 
Viehherden bis zur wilden Entschlossenheit steigerte, 
so wurde er an kriegerischem Wert doch weit 
übertroffen durch seinen Nachbar, den Hotten- 
totten. Auf das innigste verwachsen mit der 
Natur seines Landes und von Ingend auf ge- 
wöhnt, das schene Wild zu jagen, war er ein 
geborener Schütze, der das Gelände in meister- 
hafter Weise der Wirkung seiner Waffe dienstbar 
zu machen verstand. Durch sein ungebundenes 
Leben in der freien Natur mit großer Schärfe 
aller Sinne begabt, von unübertrefflicher Schnellig- 
keit und Beweglichkeit zu Pferde wie zu Fuß, 
ausdauernd und bedürfnislos, sah er in dem 
Kriege sein Lebenselement. Solange er seine 
Werften zu schützen hatte, focht er noch in ge- 
schlossenen Stämmen und schente nicht den offenen 
  
Kampf im freien Felde. Allein von dem Augen- 
blick ab, wo er die Seinen und sein Hab und Gut 
jenseits der Grenze in Sicherheit wußte, verlegte 
er sich auf die Führung des Kleinkrieges. Überall 
erspähte er Gelegenheiten zu Hinterhalten, Über- 
fällen und Räubereien. Da er den Begriff der 
Waffenehre nicht kannte, empfand er keinerlei 
Scham, zurückzuweichen. Er hatte nach seiner 
Ansicht gesiegt, wenn es ihm gelungen war, das 
gestohlene Kriegsgut in Sicherheit zu bringen. 
In zahlreiche kleine Banden aufgelöst, durch- 
streifte er das Land. Marschierende und ruhende 
Truppen, Kolonnen, Stationen, Posten waren 
nirgendwo und zu keiner Zeit vor den allent- 
halben auftauchenden Banden sicher. „Feind 
überall“ — war das Kennzeichen der Lage. 
Die Eigenart dieser Gegner, ihre im Verlauf 
des Krieges oft wechselnde Fechtweise und der 
sich stets ändernde Charakter der Kriegsschauplätze 
stellten ganz außergewöhnliche Anforderungen an 
den deutschen Soldaten. Anders gestaltete sich 
der Kampf gegen das Hirtenvolk der Hereros 
im dichten Dornbusch, anders gegen das Jäger- 
volk der ihre Werften schützenden Hottentotten 
in den weiten Ebenen des Namalandes und der 
öden Kalahari, anders wiederum gegen die vom 
Kriege lebenden, ihrer Werften ledigen und leicht 
beweglichen Banden in den wildzerklüfteten Karras- 
und Oranjebergen. Diese so verschiedenartigen 
Verhältnisse verlangten vom deutschen Soldaten 
ein hohes Anpassungsvermögen und einen Grad von 
Selbsttätigkeit und Selbständigkeit, den der für euro- 
päische Verhältnisse ausgebildete Soldat weder in 
so hohem Maße braucht, noch in der Gesamtheit je 
erlangen kann. Der koloniale Soldat ist vielfach 
auf sich allein angewiesen, und es darf keine Lage 
geben, in der er sich nicht selbst zu helfen weiß. 
Es liegt auf der Hand, daß die aus Frei- 
willigen aller Waffen des Heeres zusammen- 
gesetzten Verstärkungen der Schutztruppe anfangs 
den zu stellenden Anforderungen nicht genügen 
konnten, und daß ihnen während der ersten Zeit 
ihrer Verwendung im Schutzgebiete oft Mängel 
anhafteten, die ihren soldatischen Wert herab- 
drückten und die erst mit der Zeit durch die 
kriegerische Gewöhnung schwanden. Es war nur 
natürlich, daß der mit allen Hilfsquellen seines 
Landes wohl vertraute eingeborene Krieger sich 
dem deutschen Soldaten, dem der Gegner ebenso 
wie Land und Klima fremd waren, in manchem 
überlegen zeigte. Die Anforderungen, die der 
koloniale Krieg an den einzelnen Mann stellt, 
sind eben so grundverschieden von denen des 
großen europäischen Krieges, daß notwendigerweise
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.