Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Begriff machen. Ich führe hier nur an, daß man, 
als bei Beginn des Feldzuges Major v. Glasenapp 
für die Marineinfanterie pro Kompagnie 50 Köpfe 
monatlich als Ersatz verlangte, die Hände über 
dem Kopf zusammenschlug und sofort eingehende 
Berechnung im einzelnen von ihm verlangte. 
Bei Hamakari-Waterberg fochten die in der 
Stärke von über 100 Mann ausgerückten Kom- 
pagnien teilweise mit 45 Gewehren, eine mit 39. 
Man kann also die Gesamtzahl der im Süden 
tatsächlich noch kämpfenden Truppe (1789 Köpfe) 
kaum mit 1500 in Ansatz bringen. Der ganze 
Rest der Differenz zwischen den 5079 und der 
rund 10 000 betragenden Gesamtsumme wird ver- 
schlungen durch die technischen Truppen, Eisenbahn- 
kompagnien, Feldsignal-, Telegraphen-, Funken- 
Abteilungen, die Verpflegungskolonnen, das 
Lazarett--, Verwaltungs= und Intendanturpersonal. 
Die Kriegführung in einem noch unkultivierten 
Lande erfordert vor allen Dingen Geduld. Die 
Führung draußen ist sich nicht einen Moment im 
Zweifel darüber gewesen, daß die Beendigung des 
Krieges nicht so schnell zu erreichen sein würde. 
Die Truppe hat ihr Menschenmöglichstes geleistet, 
die Leistung der Eisenbahn aufs äußerste ge- 
steigert, die Landungsverhältnisse, die sogenannten 
Straßen gebessert und neue Wasserstellen erschlossen, 
für bessere Erhaltung der bereits vorhandenen 
gesorgt. Aber in wenigen Monaten war ich nicht 
imstande, das gut zu machen, was Jahre vorher 
versäumt war. Der Oberst Leutwein kannte 
die Schwierigkeiten des Krieges mit den Hotten- 
totten sehr genau. Schon bei meiner Ankunft 
äußerte er zu mir: „Wenn wir es auch mit den 
Hottentotten zu tun bekommen, dann sehen Sie Ihre 
Frau und Kinder vor fünf Jahren nicht wieder.“ 
Wir hätten uns von Hause aus darauf be- 
schränken müssen, beim Mangel an Verkehrswegen 
ohne Rücksicht auf alle anderen Wünsche zunächst 
gesicherte Etappenverbindungen auszubanen. Aber 
man möge sich doch mal der Stimmung der Presse 
und des Volkes bei Ausbruch des Aufstandes er- 
innern, dann wird man sich nicht verhehlen 
können, daß gerade die Heimat auf eine schnelle, 
fast übereilte Durchführung der Operationen ge- 
drängt und dadurch indirekt die Führung beein- 
flußt hat. Bei Ausbruch des Aufstandes war die 
vom Obersten Leutwein verfolgte Politik der 
Eingeborenenbehandlung Gegenstand allgemeiner 
Verurteilung. Man war empört, daß die ver- 
antwortlichen Stellen nicht für Bereithaltung aus- 
reichender Kräfte und Machtmittel im Schutzgebiet 
gesorgt hätten. So verfiel man ins Gegenteil, 
die allgemeine Stimmung verlangte vor allem 
von Hause aus Einsatz ausreichender Kräfte. 
Wenn Herr Dr. Semler neulich im Plenum 
betont hat, es treffe die Leitung ein Verschulden, 
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nämlich das, daß sie nicht von Hause aus darauf 
aufmerksam gemacht hätte, daß mit 17.000 Mann 
in Afrika überhaupt kein Krieg zu führen wäre. 
Meine Herren! Die Kriegsgeschichte wird bald 
zeigen, daß von der Führung draußen ununter- 
brochen darauf hingewiesen worden ist, daß die 
Ernährung der Truppen auf dem Kriegsschauplatze 
auf die größten Schwierigkeiten stoße und daher 
Beschränkung in der Zahl der zu entsendenden 
Kräfte gebiete. Aber auch nur in dieser Schwierig- 
keit der Verpflegung und Wasserversorgung lag 
das Hindernis der Verwendung zahlreicher Massen. 
Der Herr Dr. Semler, der doch nur die Ver- 
hältnisse an der Etappenlinie kennen gelernt hat, 
wird mir bestätigen, daß die Stärke der einzelnen 
Sicherungsbesatzungen jedenfalls keine übermäßige 
ist, daß die Leute durch den Wachtdienst außer- 
ordentlich in Anspruch genommen sind. Wie ganz 
anders sehen die Verhältnisse erst bei der un- 
mittelbar am Feinde stehenden Truppe und auf 
den zahlreichen einzelnen kleinen Posten aus! 
Wer zu Anfang des Krieges die kleinen Stationen 
an der Bahn mit 1 bis 2 Mann besetzt gesehen, 
wer noch heute auf den kleinen Heliographen-- 
posten die geringe Zahl der Besatzung beobachten 
kann, der wird schaudern in dem Gedanken, wie 
hilflos diese kleinen Posten einem, jeden Augen- 
blick ihnen drohenden Überfall gegenüber dastehen. 
Überfluß an Kräften ist tatsächlich nirgend in die 
Erscheinung getreten, nur kaum zu überwindende 
Schwierigkeiten für die Verpflegung und Erhaltung 
der Truppen. 
Und jetzt, wo diese enormen Heimsendungen 
erfolgt sind, herrscht überall Mangel an Kräften. 
Ich wende mich nunmehr zur Frage der zu- 
künftigen Stärke der Schutztruppe. Diese 
Frage läßt sich zur Zeit überhaupt noch nicht 
endgültig beantworten. Maßgebend für alle Be- 
rechnungen sind gewisse Erwägungen: 
a) Welche Punkte im Schutzgebiet unbedingt 
besetzt und geschützt werden müssen. 
Die Notwendigkeit der Sicherung des Farm- 
betriebes und der Verkehrsstraßen gegen 
räuberische Uberfälle und Viehdiebstähle. 
c) Die Notwendigkeit einer Bewachung der 
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— 
Grenze zur Verhindernng der Waffen— 
einfuhr. 
d) Die Notwendigkeit einer endgültigen Durch- 
führung der Entwaffnung der Eingeborenen 
durch ununterbrochene Streifzüge. 
Die Bereitstellung so vieler Kräfte zur Ver— 
fügung des Gouverneurs, daß er imstande 
ist, die Niederdrückung etwa noch auf- 
flammender Aufstandsbewegungen im Keime 
ohne Hilfe von der Heimat unbedingt zu 
bewerkstelligen, ohne daß sofort kostspielige 
Entsendungen von dieser erfolgen müssen. 
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