Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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sprechenden Ersatzes ihre Stationen nicht verlassen, 
darüber vergehen wieder Wochen. 
Die gegenwärtig behaupteten Postierungen 
sind fast überall durch provisorisch ansgeführte 
Befestigungen geschützt. Diese Befestigungen können 
nicht bestehen bleiben, wenn die Besatzung den 
betreffenden Punkt räumt. Sie müssen völlig 
zerstört und unschädlich gemacht werden, weil 
sonst sofort der Feind sich in ihnen festsetzt und 
einen schwer zu überwindenden Stützpunkt in 
ihnen gewinnt. Auch dies erfordert Zeit. 
Die Unterkunft der nach der Bahn und an 
die Einschiffungsplätze zusammenströmenden erheb- 
lichen Massen bedarf der Vorsorge. Auch dazu 
ist eine gewisse Zeit notwendig. Die Verwaltung 
ist auf möglichste Verminderung der Heimsendungs- 
kosten bedacht, daher war seitens der Seetransport- 
abteilung geplant, einen besonderen Dampfer zu 
chartern. Das lohne sich aber erst, wenn etwa 
1000 Mann gleichzeitig zur Heimsendung ge- 
langen können. Oberst v. Deimling wurde 
entsprechend benachrichtigt, meldete aber, daß er 
eine solche Bereitstellung von 1000 Mann der 
örtlichen Schwierigkeiten wegen nicht vor Anfang 
bzw. Mitte Februar bewerkstelligen könne. 
Wenn auch im ganzen damit wird gerechnet 
werden können, die für den Rücktrausport nötigen 
Schiffe ohne besondere Schwierigkeiten zu beschaffen, 
so würde doch die plötzliche Heimsendung von etwa 
7500 Mann das Herausziehen von etwa sechs 
großen Dampfern aus dem Verkehr erfordern, 
und der Umstand, daß den Reedereien die Not- 
wendigkeit bekannt sein würde, diese Heim- 
sendungen bis zum 1. April 1907 durchzuführen, 
würde die Forderungen der einzelnen Rceder 
außerordentlich in die Höhe treiben. Wie ich 
ferner schon neulich hervorgehoben habe, folgen 
sich schon jetzt die Trausporte in Cuxhaven so 
schnell aufeinander, daß bei Ankunft des nächsten 
Transportes der vorhergehende oft noch nicht 
vollkommen abgefertigt ist. Die Abfertigungs- 
stelle ist für die Unterbringung von 600, höchstens 
800 Mann eingerichtet. Für diese Zahl müssen 
bereits für die ärztliche Untersuchung Sanitäts- 
offiziere der Armee herangezogen werden. Mehr 
wie höchstens 20 Mann kann bei der gebotenen 
außerordentlich sorgsamen Untersuchung, ins- 
besondere auf Herzerkrankungen, der einzelne 
Arzt am Tage nicht abfertigen. Es ist also 
wünschenswert, daß die Transporte nicht stärker 
als etwa 800 -Mann sind und sich mit einem 
solchen Abstand nacheinander folgen, daß die Ab- 
fertigung mehrerer Transporte nicht gleichzeitig 
erfolgen muß. Dem Oberkommando stehen für 
solche Zwecke keinerlei Kasernements und kein 
ausreichendes Personal zur Verfügung. 
  
Die Invalid te beanspruchen 
schon jett sämtliche im Oberkommando zur Ver- 
fügung stehenden Kräfte. Bei weiterer übergroßer 
Steigerung der Heimtransporte würde eine ord- 
nungsmäßige Entlassung, die bei den zahlreichen 
Invalidenpensionen wesentlich an Bedenutung ge- 
wonnen hat, außerordentlich schwer sich bewerk- 
stelligen lassen. 
Selbstverständlich könnte man über die Art 
der Durchführung dieser Heimsendungen auch hier 
in der Heimat eine graphische Darstellung mit 
. Angaben im einzelnen entwerfen, aber praktischen 
Wert würde eine solche Aufstellung absolut nicht 
haben, weil für ihren Entwurf die maßgebenden 
Daten fehlen, da man nicht einmal weiß, wo 
die Truppen im einzelnen gegenwärtig tatsächlich 
sind. 
Die Ausführbarkeit der beantragten Maßregel 
einer so schnellen Zurückziehung von 7500 Mann 
kann daher ausschließlich draußen an Ort und 
Stelle durch den Kommandeur geprüft werden. 
Ein Blick auf die gegenwärtige Dislozierung 
der Streitkräfte in den bereits pazifizierten Land- 
stücken zeigt aber, daß mit einer so geringen Kopf- 
stärke der Schutztruppe, wie 2500 Mann dar- 
stellen, eine Verantwortung für genügenden Schutz 
der Kolonic von der Militärverwaltung nicht 
übernommen, geschweige denn die endgültige 
Niederwerfung des Aufstandes erzielt werden 
kann, wenn auch nur die geringsten Ausstands- 
gelüste seitens der Eingeborenen sich geltend 
machen. 
Die Zahl 2500 würde im ganzen die Auf- 
stellung von etwa 9 bis 10 Kompagnien, 2 Feld- 
batterien zu 4 Geschützen, einer Gebirgsbatterie 
zu 6 Geschützen, 7 Maschinengewehr-Sektionen, 
einer kleinen Feld-Telegraphen= und Feld-Signal- 
abteilung sowie einer Feld-Trainkompagnie mit 
Train und Pferdedepot, schwaches Personal für 
Magazine, Feldlazarette, Artillerie= und Beklei- 
dungsdepot ermöglichen. Aber bereits bei den 
Kompagnien müßte die wünschenswerte Ersatzzahl 
von 150 Köpfen auf 120 herabgedrückt werden. 
Dies würde, ganz abgesehen davon, daß zur 
Überwindung größerer Durststrecken bei Patronillen-- 
ritten für die Zukunft von Kamelreiter-Trupps 
aus den zur Zeit vorhandenen Kamelen abgesehen 
werden müßte, bei der unbedingten Notwendig- 
keit, im Falle des Ausrückens die Stationen mit 
etwa 20 bis 30 Mann besetzt zu lassen, eine 
Ausrückstärke von höchstens 90 Gewehren ergeben, 
die erfahrungsgemäß nach kurzer Zeit infolge des 
starken Abgangs durch Krankheit usw. auf höchstens 
60 bis 70 Mann heruntergedrückt werden würde. 
Im Süden sind die Berhältnisse noch nicht 
bernhigt. Eine stärkere Besatzung würde also
	        
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