Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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auf breiten, von Europäern eingerichteten Wegen 
hintereinander; es ist einmal ihre Gewohnheit 
so. Diese Gewohnheit haben sie offenbar sich 
angeeignet durch die Notwendigkeit. Im Urwald 
nämlich müssen sich die Leute die Wege erkämpfen 
durch Ausroden und stetes Dreinschlagen mit 
den langen Buschmessern. Einer geht voraus, 
ein anderer nach, und so macht es die ganze 
Gesellschaft. Sie begnügen sich da mit dem 
kleinsten Raum. Diese Wege, namentlich wenn 
sie schon sehr alt sind, krümmen sich viel tausend 
Mal. Kaum, daß man drei Meter geraden 
Weges hat. Das hat auch seinen Grund. Die 
Walman sind sehr bequeme Herren. Fällt nun 
ein vor Altersschwäche erkrankter Baum mitten 
auf den Weg, so gehen sie einfach auf einem 
kleinen Umweg zur Fortsetzung des früheren. 
Irgend eine kleine Pfütze im Walde lenkt den 
alten Weg ab. Europäer, die nicht gewohnt 
sind, auf solchen Wegen zu wandeln, werden 
nicht selten von Schwindelanfällen belästigt. Die 
Wege, welche in die einzelnen Dörfer führen, 
sind unterwegs wegen der drückenden Hitze fast 
gar nicht zu begehen, und die Walman nehmen 
mit Vorliebe den weit beschwerlicheren Weg durch 
den weichen Sand hart am Meeresstrande. Zur 
Zeit der Ebbe ist der Sand aber ganz fest und 
feucht, und Fahrräder und Automobile würden 
da die besten Dienste tun. 
Die Bewohner der einzelnen Dörfer stehen 
nicht in sehr reger Verbindung. Ein jedes Dorf 
dünkt sich wie sein eigener Herr, der keines 
anderen Hilfe benötigt. Darum sucht man den 
größten Teil des Tages vergebens nach Menschen 
an der Watmanküste, die von Dorf zu Dorf 
ziehen. Bisweilen sieht man einige Männer mit 
Bogen und Pfeilen bewaffnet in Stillschweigen 
am Meeresstrand vorüberziehen: entweder wollen 
sie ihre Plantagen aufsuchen, oder sich im Nach- 
bardorfe erkundigen, wer einen von ihren An- 
gehörigen bezaubert hat, daß er nun danieder- 
liege. Hier und da sieht man auch einsam zer- 
streut schwarze Fischerinnen am Meere stehen, 
die bemüht sind, die kleinen Fische, welche die 
tosenden Brandungswellen ans Land werfen, mit 
untergehaltenen Netzen einzufangen. Häufiger 
trifft man die hungerigen schakalartigen Hunde 
der Eingeborenen am Meeresstrande, die darauf 
bedacht sind, die schnellbeinigen Landkrebse, welche 
sich beim Herannahen irgendeines Lebewesens 
in die selbstgegrabenen mauselochähnlichen Löcher 
verstecken, auszuscharren und zu fressen. In den 
Morgenstunden fsindet man auch meistens die 
Dorfjugend der einzelnen Dörfer am Meere im Spiele. 
Einige werfen sich mit nassen Sandbällen, andere 
schlagen Purzelbäume, und wieder andere suchen 
mittels Baumstämme die Brandung zu erreichen 
  
und lassen sich von den Brandungswellen unter 
Lärmen und Lachen an das Ufer werfen. Tags- 
über, wenn die Sonne ihre Strahlen fast senk- 
recht auf die Hütten der Eingeborenen wirft, ist 
alles am Meere dde. 
Aus dem Gesagten geht hervor, daß wir es 
mit einem recht seßhaften Volksstamm zu tun 
haben. Diese Leute lieben ihre Heimat sehr 
und möchten für alles in der Welt nicht von ihr 
lassen. In der Fremde fühlen sie sich fremd 
und bekunden nicht selten ein großes Heimweh. 
Zwar müssen sie bisweilen auf 8 oder 14 Tage 
das Haus verlassen, aber das geschieht keines- 
wegs aus Liebhaberei, sondern aus Notwendigkeit. 
Die Leute haben nämlich, wie gesagt, oft bis zu 
ihren Pflanzungen zwei bis drei Stunden zu 
gehen. Wieviel Zeit würden sie nun zu der 
Zeit, da die Ländereien bebaut werden müssen, 
verlieren, wollten sie täglich hin= und hergehen? 
Das sparen sich die Leute. Sie ziehen mit Frau 
und Kind in den Wald und logieren in den 
Hütten, welche sie in den Pflanzungen errichtet 
haben. Ist die Arbeit vollbracht, verlassen sie 
mit Freuden den Notaufenthalt und eilen wieder 
nach Hause, und das erste Wort, das sie sagen, 
ist: „Njüam tiomtiôm jan pie kum monülue.“ 
(Im Walde gibt es viele Mücken, dort mag ich 
nicht wohnen.) Bisweilen schlagen sie auch zeit- 
weilig an den Flüssen ihr Zelt auf. Dann gilt 
es dem Fischfang, der namentlich im Monate 
März sehr ergiebig ist. Auch das Sagoschlagen 
beansprucht mehrere Tage, wo es ihnen un- 
möglich ist, nach Hause zu gehen. Sie wachen 
des Nachts bei den Sagoständen zu Schutze gegen 
Wildschweine, die den ausgeschlagenen Sago nicht 
wenig lieben. Nicht selten gelingt es den Wal- 
man, ein grauschwarzes Borstentier zu erlegen, 
das sie dann gleich an Ort und Stelle braten 
und verspeisen. 
kKaonnibalismus im Bismarch-Krchipel. 
Ein krasser Fall von Kannibalismus ist neuer- 
dings auf Nissan, einer kleinen, zwischen Neu- 
Mecklenburg und Bougainville gelegenen 
Insel vorgekommen. Das bei dem Heäuptling 
Salin in Malis bedienstete Bukaweib Karas 
Henot wurde am 13. Jannar d. Is. von den 
Häuptlingen Mogan aus Torohabou und 
Somson aus Bangalu mit ihren Leuten unter 
Zustimmung und Mitwirkung des Salin über- 
fallen und ermordet. Die Tat war schon mehrere 
Monate vorher verabredet worden, und zwar 
sollte Mogan die Tötung vornehmen und Somson 
die Leiche zum Verspeisen erhalten. Für die 
Lieferung des Fleisches erhielt Mogan von Somson
	        
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